Auf den Irrsinn folgt eine Schlammschlacht

Von Marcus Erberich
Die AS Eupen kann den Abstieg aus der Jupiler League nur durch einen Rechtsstreit noch abwenden
© Imago

Drei Trainer-Wechsel, Meuterei auf dem Spielfeld und ein Investor, der immer das letzte Wort hat: Nach nur einem Jahr in der höchsten belgischen Spielklasse ist der kleine deutschsprachige Verein AS Eupen wieder ins Unterhaus abgestiegen. Zumindest sportlich. Denn auf den belgischen Playoff-Wahnsinn folgt jetzt ein Rechtsstreit, der den Abstieg doch noch abwenden kann.

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Aus und vorbei! Oder etwa doch nicht? Der Traum von der ersten Liga war für die AS Eupen so schnell ausgeträumt, wie er über das kleine gallische Dorf in Ostbelgien herein gebrochen war. Eigentlich. Denn ein Rechtsstreit, dessen Urteil noch aussteht, kann den Abstieg der Eupener doch noch verhindern.

Das Saisonende, das bis zur Urteilsverkündung eigentlich keins ist, wird dadurch zum Sahnehäubchen auf einer Spielzeit voller Kuriositäten.

Größtes Kuriosum, und dafür können die Eupener nun wirklich rein gar nichts, ist allerdings der Modus der Jupiler League. Absurder und überflüssiger kann ein Ligasystem nicht sein.

AS Eupen Sieger der Best-of-five-Serie

Dieser Modus bescherte den Eupenern, die nach der regulären Saison auf dem vorletzten Tabellenplatz standen, die Playoffs III, in denen Vorletzter und Letzter der regulären Saison den sicheren Absteiger ausspielen.

Fünfmal mussten die schwarz-weißen Ostbelgier gegen den letztplatzierten Sporting Charleroi antreten, wobei Eupen mit drei Punkten Vorsprung in die Best-of-five-Serie gingen - so sieht es der Modus vor.

Mit zwei Siegen, einer Niederlage und einem Unentschieden waren die Playoffs III allerdings schon nach vier Begegnungen zugunsten der Eupener entschieden, weshalb Match fünf - wohl zur Freude aller Beteiligten - abgeblasen wurde. Alles deutete zu diesem Zeitpunkt auf ein Happy End des Eupener Fußballmärchens hin. Doch es kam anders.

Untergang gegen drei Zweitligisten

In einer weiteren Runde musste der Klub nämlich gegen die Zweit-, Dritt- und Viertplatzierten der zweiten Division antreten. Gegen RAEC Mons, Waasland-Beveren und Lommel United gelang das Unternehmen Klassenerhalt dann letztlich nicht.

Als punktloser Tabellenletzter der Extrarunde fiel der Abschied der Eupener aus der Jupiler League deutlicher und auch blamabler aus, als ihre zwischenzeitlich guten Leistungen es vermuten ließen.

"Das war am Anfang natürlich ein katastrophaler Saisonstart, dann hat man sich berappelt und sich bis Neujahr auf den Nichtabstiegsplatz vorgearbeitet. Den hat man dann bis zum vorletzten Spieltag gehalten, um dann doch noch abzurutschen", fasst Thomas Evers, Sportredakteur der örtlichen Zeitung "Grenz-Echo", den Eupener Niedergang im Gespräch mit SPOX zusammen.

Letzte Ausfahrt: Rechtsweg

Der letzte Strohhalm zum Nichtabstieg ist aktuell der Rechtsweg: Eupen hat vor der Sportschiedskommission in Brüssel gegen den Fußballverband geklagt. Die Klage betrifft einen Nachwuchsspieler des Liga-Konkurrenten Lierse SK.

Im Ligaspiel dieses Klubs gegen KV Mechelen, das eigentlich schon im Dezember ausgetragen werden sollte, aber erst im Februar nachgeholt wurde, saß der damals 17-jährige Jason Adesanya auf der Lierse-Bank. Beim eigentlichen Austragungstermin hatte er noch keine Profilizenz, beim Nachholtermin allerdings schon.

"Aber der Geist des Regelwerks, also die Absicht des Gesetzgebers, ist eindeutig: In einem Nachholspiel darf sich ein Verein nicht in einer günstigeren Position befinden als beim ursprünglichen Termin", so Rechtsanwalt Raph Lentz gegenüber dem "Grenz-Echo".

Sollte das Schiedsgericht den Eupenern Recht geben, würde das betroffene Spiel mit 0:5 gegen den Lierse SK gewertet und Eupen wäre damit nicht abgestiegen. Es gibt aber noch einen zweiten Anklagepunkt: Die Terminierung des Nachholspiels zwischen Charleroi und Cercle Brügge auf einen Tag nach dem letzten Spieltag. Nach Ansicht der AS Eupen wurde die Meisterschaft nicht regulär zu Ende geführt.

Vom Hölzchen aufs Stöckchen

"Die Chancen, den Prozess zu gewinnen, sind gar nicht so schlecht", sagt Thomas Evers: "Allerdings fällt die Entscheidung erst Mitte Juni. Und dann ist die Planung bei den anderen Vereinen schon wieder so weit fortgeschritten, dass man am Ende der Saison logischerweise wieder unten drin steht."

Ein erklagter Klassenerhalt wäre demnach nicht die Lösung des Eupener Kernproblems. Denn ebenso wenig wie der Platz und der Ball sollten der Spielmodus und vermeintliche Regelverstöße als Hauptschuldige für sportlichen Misserfolg vorgeschoben werden.

Und ihr Grab, so die Meinung von Thomas Evers, haben die Eupener sich am Ende ganz alleine geschaufelt: "Intern hat nicht alles gestimmt. Trainerwechsel und Spielertransfers waren nicht immer nachvollziehbar. Es gibt den italienischen Investor Antonio Imborgia, der eigentlich die ganze Saison über in Italien war und trotzdem bei allen Entscheidungen das letzte Wort hatte."

Trainerkarussell auf ostbelgisch

Der Journalist spielt damit auf Personalentscheidungen an, die das Bundesliga-Trainerkarussell der letzten Saison wie Entchen-Angeln auf dem Schulbasar aussehen lassen.

Mit Aufstiegstrainer Danny Ost ging es los. Er verlor die ersten fünf Spiele im Oberhaus und erwirtschaftete dabei ein Torverhältnis von 3:13. Klar geht das besser, aber ihn gleich samt Gefolge vor die Tür zu setzen, war wohl eher eine von Panik als von Vernunft getriebene Vorstands-Entscheidung. "Danny Ost wurde nach fünf Spieltagen zum Rücktritt gezwungen", schätzt Evers die Situation ein.

Ähnlich wirr war die Entscheidung, den Italiener Eziolino Capuano als neuen Coach zu holen und 19 Tage später wieder in die Wüste zu schicken. Der Franzose Albert Cartier, der dann geholt wurde, entsprach offenbar schon eher den Vorstellungen des Präsidiums. Bis zum Ende der regulären Saison blieb er sogar Trainer - und er schlug sich nicht schlecht. Highlight seines Schaffens war sicherlich der 3:1-Auswärtssieg gegen Standard Lüttich.

Feuerwehrmann Cartier darf nicht löschen

"Cartier ist so ein typischer Feuerwehrmann. Der bewirkt innerhalb weniger Wochen einen Stimmungsumschwung", so Evers: "Er motiviert eine Mannschaft sehr gut und er hat ja auch viele Punkte geholt. Aber er gilt so ein bisschen als General, weil er sehr strikt auf Disziplin achtet. Schon bei dem kleinsten Verstoß sagte er: 'Du spielst am Wochenende nicht.'"

Seine Entlassung und vor allem ihr Zeitpunkt war, gemessen an seinem Ruf, umso verwunderlicher: Mitten in den Playoffs musste Feuerwehrmann Cartier gehen. Manche munkeln, er habe seinen Rauswurf selbst provoziert, weil er mit der Mannschaft nicht mehr klarkam. Nach der 0:2-Niederlage im zweiten Playoff-Match sagte Cartier zu verdutzten Journalisten: "Zumindest herrscht auf diese Weise Spannung in den Playoffs III."

Evers: "Das war völlig absurd. Dann ist es auch zu internen Problemen gekommen. Es gab einen Spieler, der sich geweigert hat, eine bestimmte Position zu spielen. Ein Mittelfeldspieler, Abderrazzak Jadid, sollte in der zweiten Halbzeit Innenverteidiger spielen und er hat gesagt: 'Ne, mach ich nicht!'"

Also wurde schon wieder ein neuer Trainer ans Eupener Kerwegstadion geholt. Moment - ein neuer Trainer? Nicht wirklich. Der "Neue" hieß Danny Ost. Das zum Thema vernünftige Entscheidungen.

Solider Neustart oder erzwungener Klassenerhalt?

Die Frage, die man sich in Eupen stellen muss, ist folgende: Bringt den Verein ein solider Neuanfang in der zweiten Liga nicht weiter als der Klassenerhalt am grünen Tisch?

"In meinen Augen ist der Abstieg sportlich nicht gerechtfertig, weil die Mannschaft absolut das Zeug dazu hat, in der ersten belgischen Liga zu spielen. Es sind vielleicht ein paar Sachen zu schnell gegangen. Man ist ja innerhalb von eineinhalb Jahren vom Tabellenende der zweiten Liga in die erste Division gesprungen", so Sportredakteur Evers.

Der Abstieg, so sagt er weiter, werde in der belgischen Profiliga vom Verband mit einer Million Euro abgefedert. "Das heißt, gewisse Grundlagen sind schon geschaffen. Der Wiederaufstieg ist auf jeden Fall die Zielsetzung. Und der Investor hat gesagt, er bleibt auch in der zweiten Liga."

Das Urteil im Rechtsstreit der Eupener soll am 17. Juni gefällt werden.

Daten und Fakten: Die belgische Jupiler League in Zahlen