"Bei Chelsea war es zu streng"

Von Interview: Haruka Gruber
James Younghusband (l.) spielt mit seinem Bruder Phil Younghusband für die Philippinen
© spox

Er wurde zehn Jahre vom FC Chelsea ausgebildet. Dann zog James Younghusband einen Schlussstrich. Der Sohn eines Engländers und einer Filipina ging mit der Familie auf die Philippinen, beerdigte freiwillig seine Profiambitionen - und wurde zum Volkshelden. Mit seinem ein Jahr jüngeren Bruder Phil ist er der Star der philippinschen Nationalmannschaft. Der 24-Jährige über Heiratsanträge, Schröcky und Chelsea.

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SPOX: Mit dem 1:2 im Rückspiel gegen Kuwait sind die Philippinen in der zweiten WM-Qualifikationsrunde ausgeschieden. Wie groß ist die Enttäuschung?

James Youngbusband: Ich habe auf eine Überraschung gehofft, aber mir war vorher bewusst, dass Kuwait auf einem anderen Niveau spielt. Man sollte nicht vergessen: Wir sind in der Weltrangliste 67 Plätze hinter Kuwait. Deswegen wurde nur das bestätigt, was wir vorher schon gesagt haben: Irgendwann wollen wir zu den besten Nationen Asiens zählen, aber auf dem Weg nach oben wird es Rückschläge geben.

SPOX: Weiß das auch das philippinische Volk, das heißblütig, fast schon hysterisch die neue Liebe für den Fußball auslebt?

Younghusband: Die Spiele gegen Kuwait halfen sicherlich dabei, alles in die richtige Perspektive zu rücken. Wir haben uns seit dem Erfolg über Vietnam im Dezember 2010, dem vielleicht wichtigsten Sieg unserer Geschichte, stetig weiter verbessert. Mittlerweile sind wir ganz dicht dran an der Elite in Südostasien, an Malaysia, Thailand und Indonesien. Mehr aber auch nicht.

SPOX: Wie kompetent sind die philippinischen Fans? Können die vielen Mädchen, die sich plötzlich für Fußball interessieren, die Abseitsregelung erklären?

Younghusband: Auf jeden Fall. Bei uns ist es ein bisschen wie in den USA. Fußball ist unter Frauen sehr beliebt, so dass das durchschnittliche Mädchen häufig mehr Ahnung hat als der durchschnittliche Junge.

SPOX: Dennoch kommt der Eindruck auf, dass sich die weiblichen Fans mehr für das Aussehen der Spieler begeistern können als für Fußball.

Younghusband: Das stimmt, der Hype ist gigantisch. Ist es dennoch schlimm, wenn die Mädels uns auch als Eye Candy und nicht nur als Fußballer wahrnehmen? Wir müssen es schaffen, das Interesse an der Sportart zu steigern und neue Bevölkerungsschichten zu erreichen. Und das geht eben nur, wenn wir auch im Boulevard stattfinden. Auf den Philippinen werden die Spiele der Nationalmannschaft nur im Kabelfernsehen übertragen, weswegen viele Menschen uns nicht live sehen können. Daher ist das Showbiz eine Chance, um Zugang zu ihnen zu bekommen.

SPOX: Sie sind gemeinsam mit Ihrem Bruder Phil ein großer Star in Ihrer Heimat. Was sind die Schattenseiten des Ruhms?

Younghusband: Ich sehe es überhaupt nicht negativ. Wir können zwar nicht mehr in Ruhe einkaufen oder ins Kino gehen. Und es gibt sehr viele Gerüchte über unser Privatleben und die Journalisten versuchen, uns immer Affären anzudichten. Solange jedoch die Grenzen des guten Geschmacks nicht überschritten werden, ist es okay.

SPOX: Was ist das Kurioseste, was Ihnen widerfahren ist?

Younghusband: Immer noch witzig sind die ganzen Heiratsanträge. Von Frauen und Männern. Mittlerweile kann ich nicht mehr mitzählen, wie viele ich schon bekommen habe. Einige haben sogar eigens einen Verlobungsring gekauft und mitgebracht. Ist zwar sehr schmeichelhaft, aber das ist mir dann doch zu skurril.

SPOX: Wie beliebt sind die Deutsch-Filipinos Stephan Schröck und Manuel Ott?

Younghusband: Sehr, sehr beliebt. Bei den Fans und in der Mannschaft. Manny ist ein cooler Typ. Noch jung, aber als Fußballer fantastisch. Und Schröcky? Auf den Philippinen kam nur die Info durch, dass er ein guter Spieler ist. Aber er ist ja so viel besser, als wir dachten. Sein Talent, seine Erfahrung, sein toller Charakter - einfach der Wahnsinn.

SPOX: Sind die Fans skeptisch, dass so viele Europäer mit philippinischen Wurzeln eingebürgert werden?

Younghusband: Das hängt immer von den Resultaten ab. Solange es gut läuft, gibt es keine Beschwerden. Das heißt jedoch nicht, dass wir uns nur auf Spieler aus Europa verlassen. Wir müssen den Fußball auf den Philippinen entwickeln, Trainingszentren aufbauen, Jugendförderprogramme verabschieden. Da ist auch die Politik gefragt. Ideal wäre es, wenn wir eine gesunde Mischung aus ausländischen und einheimischen Spielern hinbekommen.

SPOX: Welche Rolle spielt Trainer Michael Weiß?

Younghusband: Michael Weiß hat eine völlig neue Art des Coachings mitgebracht. Er hat das Beste aus mir herausgeholt, körperlich wie auch mental. Ein großartiger Motivator und ein Fachmann. Erst Coach Weiß brachte mich dazu, auf dem Platz mehr nachzudenken. Früher habe ich bei Ballbesitz nur versucht, irgendwie bis zur Grundlinie zu kommen und den Ball zu flanken. Mittlerweile treffe ich viel klügere Entscheidungen und habe ein besseres strategisches Verständnis.

SPOX: Sie wurden vom FC Chelsea zehn Jahre ausgebildet - und entschlossen sich als 21-Jähriger, ihre Heimat England zu verlassen und auf die Philippinen zu ziehen, was gleichbedeutend war mit dem Ende aller Profiambitionen. Was hat Sie dazu bewegt?

Younghusband: 2003 ist mein Vater verstorben und plötzlich waren mein Bruder ich die Oberhäupter und mussten uns um unsere Mutter und unsere Schwestern kümmern. Damals trafen wir die Grundsatzentscheidung, dass wir alle wieder in die Heimat der Mutter gehen und dort unser Lebensmittelpunkt liegen soll.

SPOX: Es heißt, Ihnen und Ihrem Bruder, der ebenfalls bei Chelsea war, fehlte die Härte für die Premier League.

Younghusband: Um ganz ehrlich zu sein: Auf den Philippinen geht es relaxter zu. Bei Chelsea hingegen war alles zu streng, alles reglementiert. Außerdem hat der Verein die eigene Jugend sehr vernachlässigt, weil Roman Abramowitsch den sofortigen Erfolg wollte. Mal wurde man zum Profi-Training hochgezogen, mal blieb man ohne Erklärung nur bei der Reserve. Die Motivation litt darunter. Deswegen dachten mein Bruder und ich, dass wir es entspannter angehen lassen können.

SPOX: Weil es auf den Philippinen keine erwähnenswerte Liga gibt, waren Sie nur noch in der Nationalmannschaft aktiv. Parallel bauten Sie eine Fußball-Schule auf. Nicht unbedingt nachvollziehbar.

Younghusband: Aber so sind wir Younghusbands eben. Wir haben keine Probleme, wenn wir in eine Schublade gesteckt werden. Wir stehen dazu, dass wir mit etwas weniger Druck Fußball spielen möchten.

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