Bevor Jürgen Klinsmann etwas sagen konnte, bekam er erst mal ein rotes Trikot überreicht. Er hat sich vermutlich darüber gewundert, aber wenn es so war, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Klinsmann lächelte, so wie er früher schon gelächelt hat, auch wenn etwas ziemlich schief lief.
Nun hielt er im gigantischen Sportartikelkaufhaus des Sponsors der Fußball-Nationalmannschaft der USA an der Ecke 6th Avenue und 57nd Street in New York dieses Trikot fest, und hinten drauf stand "Klinsmann" und die "11". Trug er nicht immer die "18"? Na klar!
Klinsmann sehr "stolz"
Als Klinsmann das Wort ergriff und danach die Fragen der amerikanischen Journalisten beantwortete, da schwang sehr viel Pathos in seinen Aussagen mit.
"Stolz" sei er, sagte er gleich mehrfach, er habe Zeit seines Lebens in den USA "immer das Gefühl gehabt, vielleicht eines Tages die Chance zu bekommen, das US-Team zu trainieren." Nun, ergänzte er mit Blick auf die 60 Reporter, 12 Fotografen und 14 Kamerateams, "ist die Zeit reif."
Die erste Bestandsaufnahme klang freilich wie eine Bankrotterklärung: Mehr Ballbesitz, schneller spielen, genauere Pässe - so soll der US-Fußballer der Zukunft aussehen.
Derzeit gibt es in den USA offensichtlich ein Defizit, was modernen Fußball angeht. "Barcelona", sagte der neue Nationaltrainer freilich beschwichtigend, "ist auch nicht in den letzten Jahren gebaut worden. Das hat auch 20 Jahre gedauert."
WM 2014 als Ziel
20 Jahre wird Klinsmann nicht Zeit bekommen. Er soll "Soccer" in den USA in ein goldenes Zeitalter führen, neue Strukturen schaffen, den Nachwuchs fördern und noch einiges mehr, doch zunächst muss er die USA zur WM 2014 nach Brasilien führen.
"Wir konzentrieren uns auf die nächsten drei Jahre", sagte Sunil Gulati, Präsident des US-Verbandes USSF, "dann sehen wir weiter. Die Absprache, die wir getroffen haben, gilt bis zur nächsten WM."
Auch Klinsmann wird bei allem Eifer für die Förderung des US-Fußballs an Erfolgen gemessen werden. Das fängt bereits in wenigen Tagen beim Testspiel am 10. August in Philadelphia gegen Erzrivale Mexiko an. Das werde ein "big one", weiß der 47-Jährige, doch er spielt auch auf Zeit.
Klinsmann will vorerst keinen festen Assistenten haben, sondern noch ein paar Monate schauen, "was da draußen ist", ehe er einen festen Stab zusammenstellt. "Gasttrainer" sollen ihn bei den nun anstehenden Freundschaftsspielen unterstützen. Zugleich wünscht er sich, dass die USA bald eine eigene Spielphilosophie entwickeln.
USA 30. der Weltrangliste
Wenn Klinsmann am Montag Aufbruchstimmung vermitteln wollte, so ist ihm das ein wenig misslungen. Bei der Nationalmannschaft liege nichts im Argen, betonte er, zugleich erwähnte er, dass bei der nächsten WM das Viertelfinale schon eine gewaltige Sache wäre. Denn im Moment, "gehören wir da noch nicht hin", erzählte Klinsmann den Amerikanern, "da müssen wir realistisch sein".
In der Tat hat die US-Nationalmannschaft einen rasanten Absturz hinter sich. In der Weltrangliste steht sie derzeit auf Rang 30, gemeinsam mit der Schweiz, nach der WM 2010 hatte sie immerhin noch auf Rang 13 gestanden, 2006 sogar mal auf Rang 4.
"Ich habe meine eigenen Ideen, wie es vorwärts gehen soll, aber ich komme hier nicht her, und markiere den Europäer. Ich werde immer schauen, ob es auch zum vorhandenen System passt. Ich will Teil der amerikanischen Fußballbewegung sein", sagte Klinsmann - doch es klang ein wenig, als wisse er selbst noch nicht so genau, wie er diese Aufgabe, gegen die das Ausmisten des Augias-Stalls durch Herkules einem Kindergeburtstag gleichkommt, nun angehen soll. Oder war dies nur ein Trick? "Soccer in diesem Land ist nicht mehr aufzuhalten", versicherte der Wahlkalifornier.
Bleibt noch die Frage nach der "11". Vielleicht steht sie für die elf Tore, die Klinsmann bei WM-Endrunden geschossen hat. Das war vermutlich einfacher als das, was er sich jetzt vorgenommen hat. Der US-Verband jedenfalls versicherte später, die "11" stünde für "2011". Das Jahr des Beginns der Ära Klinsmann.
Jürgen Klinsmann im Steckbrief