Serie A
von Oliver Birkner
Huber freut sich auf Nancy: Nach drei Toren in 14 Minuten könnte man meinen, Kevin-Prince Boateng sei dieser Tage der glücklichste Bewohner von Milanello. Weit gefehlt. Am freudigsten hüpfte nämlich der Haudegen Huber, alteingesessener deutscher Schäferhund im AC-Hauptquartier. Coach Max Allegri adoptierte kürzlich die Mischlingshündin Nancy, die Huber künftig Gesellschaft leisten wird. "Big Bang Boateng" belegte im Euphorie-Klassement zumindest Platz zwei. Der Berliner war neben Juves Pietro Anastasi (April 1975) erst der zweite Serie-A-Spieler, dem von der Bank aus ein Hattrick gelang, und Milan somit beim Drehen des 0:3-Rückstandes in Lecce half. In den vergangenen Wochen kritisierte man "Boa", er hätte die nächtliche Dolce Vita zu sehr ausgereizt. "Wenn er dann reinkommt und solche Spiele abliefert, kann er von mir aus machen, was er will", erteilte Geschäftsführer Adriano Galliani eine verlockende Carte blanche.
Wer hat an der Uhr gedreht? Für die phlegmatische erste Hälfte mit drei Gegentreffern betrieb Galliani wie gewohnt eine ganz eigene Ursachenforschung. Schuld daran war angeblich die Zeitverschiebung. Milano und Lecce liegen entgegen Anstrengungen der Lega Nord zwar immer noch in derselben Zeitzone, Galliani bezog sich aber auch auf die Champions-League-Pflicht am Mittwochabend. "In der Nacht danach wird kaum geschlafen, in den folgenden Tagen bereitet man sich ab acht Uhr morgens vor. Unsere Spieler haben demnach vier Nächte schlecht oder wenig geschlafen und können nicht schon sonntags um 12.30 Uhr antreten. Ich werde bei der Liga beantragen, dass jene Teams mittags spielen sollen, die am Dienstag Champions League gespielt haben. Boateng ist mit einer anderen Zeitverschiebung eine Stunde nach Anpfiff ins Match gekommen und hat gleich getroffen." Wäre dieses Mysterium dank Galliani also auch geklärt. Beinahe wollte man schon annehmen, dem Berliner wären die Tore wegen seiner imposanten Dynamik und fußballerischen Kompetenzen gelungen.
Trauer um Simoncelli: Die Freude wurde jedoch traurigerweise von Marco Simoncellis Unglück weit in den Schatten gestellt. In all der Tristesse erzählte Freund und Milan-Keeper Christian Abbiati schockiert, dass der AC-Fan "SuperSic" bereits Karten für die nächste Partie in San Siro gegen Parma bestellt hatte. Alle Stadien honorierten den großartigen Sportler und immens sympathischen Romagnolo aus der Nähe von Rimini mit bewegendem Applaus während einer Gedenkminute. In San Siro schrieb ein Transparent: "Ein neuer Stern...58...Ciao Sic". Neben Spielern wie Iniesta, Ramos oder Del Piero nahm auch Totti per Twitter Abschied: "Es ist traurig, dass uns ein Junge mit 24 so verlassen muss - bei der Sache, die er liebte, auf seinem Motorrad. Ich hoffe, er kann dort oben jetzt frei herumrasen, und von dort seine Familie und diejenigen beschützen, die ihn gern hatten."
Premier League
von Raphael Honigstein
Mitarbeiter der Woche auf der Insel war natürlich Böllerfreund Mario Balotelli. Die stürmende Knalltüte brannte Freitagnacht im Badezimmer sein privates Feuerwerk ab - und kurz darauf versehentlich einen Teil seines 3,5 Millionen Euro teuren Hauses. Das kann ja mal vorkommen. Da der 21-jährige Kindskopf beim 6:1-Sieg von City am Sonntag zwei Kracher nachlegte, fiel Roberto Mancinis Urteil gnädig aus. "Er ist verrückt, aber ich liebe diesen Typen", sagte der Italiener. "Wenn er jemals zur Vernunft kommt, kann er so gut wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo." Ja, wenn. Die Tatsache, dass ihm der selbstironische Trikotwitz ("Warum immer ich?") eine Gelbe Karte wert war, zeigt allerdings, dass dieser Reifeprozess noch ein Weilchen dauern könnte. Immerhin hat er mittlerweile erkannt, was im Leben das wichtigste ist. Als seine Villa schon in Flammen stand, rannte "Balo" noch einmal hinein - und mit einem Koffer voller Geld wieder heraus.
Liebesbrief für Mr. Wenger: Arsene Wengers Woche war sportlich gesehen sogar noch besser. Die krisengeschüttelten Gunners stehen nach dem 1:0-Sieg in Marseille so gut wie im Achtelfinale, dazu gelang in der Liga beim 3:1-Sieg gegen Stoke City insgesamt der sechste Sieg in sieben Spielen. Zwar bot die immer größer Abhängigkeit von Kapitän Robin van Persie, dem zweifachen Torschützen gegen Robert Huths Retrokicker, auch Anlass zur Sorge, doch im Großen und Ganzen ist die Welt im Nordosten der Hauptstadt momentan in Ordnung. Richtig rührend ist der Briefwechsel, den ein frisch gebackener Jahreskartenbesitzer nun im Internet veröffentlichte. Ein gewisser Anthony Oliveri, der nach acht Jahren auf der Warteliste endlich in den Genuss eines Dauertickets im Emirates kam, schrieb "Dear Mr Wenger" einen regelrechen Liebesbrief. "Sie sind der richtige Mann für unseren Klub, die Kritiker haben keine Ahnung", schrieb der 28-Jährige, "ich hoffe, dass Sie wissen, dass ich zu 100 Prozent hinter Ihnen stehe und weiß, dass ich damit nicht alleine bin". So weit, so nett. Richtig rührend war allerdings die Antwort von Arsene, der sich in einem augenscheinlich verfassten Antwortschreiben für die Unterstützung bedankte und seine Prinzipientreue unterstrich. "Für mich ist der Spielstil sehr wichtig, und die Art und Weise, wie wir junge Spieler fördern", schrieb der Franzose, der zugleich zugab, es zu "vermissen", Titel zu gewinnen. Vielen Gunners-Fans mag ob der Antwort das Herz aufgehen, aber der Brief beinhaltete auch ein unfreiwillig ehrliche Passage. "Ich denke, es ist sehr wichtig, diesen Klub von einem Spitzenverein in einen Verein zu verwandeln, der ein fantastisches Zukunfts-Potenzial hat." Das hat der "Professor" tatsächlich hervorragend hinbekommen - nun schon seit über sechs Jahren.
Black, blind, bald? Luis Suarez und Cesc Fabregas mussten sich zuletzt mit Rassismus-Vorwürfen auseinandersetzen - diesen Trend wollte Englands Kapitän keineswegs verpassen. Beim 0:1 im Derby gegen QPR wurde John Terry dabei erwischt, wie er Anton Ferdinand beleidigte. Internet-Lippenleser wollten dabei das Wort "black" erkannt haben, der Fairness halber muss man an dieser Stelle hinzufügen, dass er auch "blind" oder "bald" (glatzköpfig) gerufen haben könnte. Als die Sache am Sonntagabend schon ins Nichts abzudriften schien, warf JT mit einer rätselhaften Stellungnahme plötzlich wieder Fragen auf. "Ich dachte, dass Anton mich (auf dem Platz) beschuldigt, ihn rassistisch beleidigt zu haben. Ich reagierte aggressiv und teilte ihm mit, dass ich diesen Ausdruck nicht benutzt habe", ließ Terry mitteilen. "Ich würde so einen Ausdruck nie benützen... ich bin enttäuscht, dass Leute falsche Rückschlüsse auf den Zusammenhang gezogen haben, in dem meine Worte fielen." Heißt das übersetzt, dass Terry rassistische Sprache benützte, um Ferdinand mitzuteilen, dass er ihn nicht rassistisch beleidigt habe? Enigmatisch, das Ganze.
Primera Division
von Paula Villamarin Temperan
Ronaldo macht den Neymar: Neymar zu Real Madrid? Neymar zum FC Barcelona? Kaum eine Woche vergeht, ohne dass eine neue Wasserstandsmeldung zum möglichen Transfer des brasilianischen Wunderknabens durch Spanien geistert. Zumindest ein Teil Neymars hat es schon mal nach Spanien geschafft. Cristiano Ronaldo feierte beim 4:0-Sieg in Malaga seinen ersten von drei Treffern gemeinsam mit dem Brasilianer Marcelo und einem Tänzchen, das man sonst nur aus Brasilien kennt. Eben von Neymar. Der führt diese Einlage gewöhnlich nach Toren für den FC Santos oder auch schon mal im brasilianischen Fernsehen auf. Ob Ronaldos Plagiat Auswirkungen auf die Transferbemühungen von Real haben wird, ist noch nicht geklärt.
Ronaldo fantastisch: Ob Real Neymar für seine Offensive wirklich braucht, ist ohnehin fraglich. Denn nach wie vor liegen die Königlichen auf Kurs Torrekord. Dieser datiert aus der Saison 1989/90, als Butragueno und Co. 107 Mal einnetzten. Nach acht Spieltagen in der Saison 2011/12 steht Real bei 28 Treffern, macht einen Schnitt von 3,5 pro Spiel. Vor allem Ronaldo (zehn Tore) und Gonzalo Higuain (neun) sind kaum zu stoppen. Noch nie in der Geschichte Reals hatte ein Sturmduo nach acht Spieltagen eine bessere Quote. Ganz nebenbei beendete Ronaldo mit seinem Hattrick in Malaga seine Mini-Torflaute - keins der 15 Real-Tore zuvor hatte er erzielt. Ronaldo steht nun bei 99 Toren in 102 Spielen im weißen Trikot. Dabei traf er 23 Mal mehrfach: 13 Doppel-, acht Dreier- und zwei Viererpacks.
Levante erstmals Tabellenführer: Ganz optimal lief das Wochenende aber dann doch nicht für Real. Zwar ließ Barca beim 0:0 in Sevilla Punkte liegen und fiel hinter Real zurück, für Platz eins reichte es für die Königlichen aber nicht. Denn noch immer trotzt Außenseiter UD Levante den großen Zwei. Nach acht Spieltagen ist Levante noch immer ungeschlagen, das 3:0 am Sonntagabend gegen Villarreal war eine Demonstration. Es war der sechste Sieg in Folge. Das gab es noch in der Geschichte des Vereins, weder in der ersten noch in der zweiten oder dritten Liga. Zum ersten Mal in seiner 102-jährigen Geschichte liegt Levante damit auf Platz eins der Primera Division. "Das ist kein Wunder, das ist die Realität", schrieb die "Marca". "Die Jungs von Juan Ignacio Martinez zeigen, dass der Wille Berge versetzen kann." Bei Levante stapelt man trotz des Traumstarts aber tief. "Es wäre normal, wenn es nicht so weiterginge", sagte Präsident Francisco Catalan.