Während England dem "Big Fucking German" huldigt, ist Cagliari die neue Brutstätte der Groteske. Jose Mourinho dagegen hat einerseits Probleme mit den Medien, sich aber andererseits an die Chart-Spitze der Hausfrauenphantasien katapultiert. Und: Freddy Ljungberg bedankt sich bei einem Schienbeinpolierer.
Premier League
von Raphael Honigstein
Spiel des Spieltags: Bewegende Szenen spielten sich vor dem Match an der Anfield Road ab. United-Legende Bobby Charlton legte einen Kranz im Gedenken an die 96 Todesopfer von Hillsborough ab, die United-Spieler trugen Trainingsanzüge mit der "96" auf dem Rücken und Alex Ferguson und Brendan Rodgers betonten vor der Kamera gemeinsam ihre Verantwortung für eine friedliche Atmosphäre. Dass die Gäste derart brav und harmlos in der ersten Halbzeit spielten, war jedoch nicht der Plan. Liverpool war auch nach dem Platzverweis für Jonjo Shelvey, der mit Karacho in den ebenfalls rüde gegen den Ball springenden Jonny Evans hinein gerauscht war, besser. United siegte äußerst glücklich. Hinterher machte Shelvey Ferguson als "Petzer" indirekt für die Rote Karte verantwortlich und offenbarte das ganze Ausmaß jener Hirnrissigkeit, die britische Profis öfters Leidenschaft mit Dummheit verwechseln lässt. "In so einem wichtigen Spiel konnte ich unmöglich zurückziehen", meinte der 20-Jährige. Ganz klar: viel, viel besser ist es, wegen einem nichtigen Ball im Mittelkreis das eigene Team zu dezimieren.
Spieler des Spieltags: Per Mertesacker. The "big fucking German" (Fangesang im Emirates) hatte kein leichtes erstes Jahr, trägt aber als absoluter Leistungsträger in dieser Saison zentral zu den guten Ergebnissen der Gunners bei. Beim 1:1 gegen Manchester City gelangen dem Nationalspieler sieben entscheidende Grätschen oder Blocks - Saisonrekord in der Premier League. Merte wurde völlig zurecht von den ihm gegenüber sonst eher kritisch eingestellten Experten von Sky zum "Man of the Match" gewählt und Janusz Michalik, ein Kommentator bei ESPN in den USA, twitterte "Per, ich entschuldige mich". Per, the "Tower of London" (DFB Aktuell) bimmelt jetzt richtig.
Und sonst? John Terry macht einen auf Lance Armstrong: wenige Stunden vor seiner Rassismus-Verhandlung bei der Football Association trat der Ex-Kapitän "mit gebrochenem Herzen" aus der Nationalmannschaft zurück. Seine Position sei "unhaltbar", verkündete der 31-Jährige, schlappe elf Monate nach dem Vorfall mit Anton Ferdinand. Darüberhinaus offenbarte Arsenal-Legende Freddy Ljungberg Erhellendes aus der Zeit der "Invincibles". "Jeder war wichtig in unserem Team", sagte der Schwede als Experte von Match of the Day 2 in der BBC, "Lauren zum Beispiel: wenn mich jemand getreten hat, kam er und hat den fertig gemacht ("kicked the shit out of them")." Damit wurde tatsächlich ein großes Rätsel gelöst: Fußballhistoriker hatten bisher keine Erklärung gehabt, warum der überschaubar talentierte Rechtsverteidiger aus Kamerun mit dem Spitznamen "Ralph" so lange Stammspieler gewesen war.
Serie A
von Oliver Birkner
Spiel des Spieltages: Es fielen zwar keine Tore, doch der Kracher des Spieltages fand definitiv in Cagliari statt. In einer neuen Burleske des "calcio italiano" wurde das Duell gegen die Roma Samstagnacht abgesagt - zweifelsohne unternimmt die Serie A jegliche Anstrengung, ihre Reputation mit immer neuen Grotesken zu torpedieren. Der oberste Sicherheitsbeamte der Stadt, Polizei und Sicherheits-Kommission des Staates hatten wie zum Saisonauftakt eine Partie ohne Zuschauer angeordnet. Das machte Sinn, denn die neue "ls Arenas" ist alles andere als fertiggestellt - es fehlen unter anderem eine Tribüne, adäquate Umkleidekabinen, Erste-Hilfe-Einrichtungen, so manch elektrische Leitung. Nebenher zieren Bagger, Rohre, Kabel und Baumaterial das Gelände, überhaupt ist der ganze Kasten noch gar nicht abgenommen. Cagliari-Präsident Massimo Cellino kümmerte das wenig. Aus seinem Spaß-Domizil in Miami ließ er per Homepage verlauten: "Unsere Ingenieure halten das Stadion für sicher, ich lade alle Kartenbesitzer ein, zur Partie zu erscheinen." Wen kümmern schon Gesetze oder staatliche Sicherheitsanordnungen? Cellino sicher nicht. Für ihn bedeutete all das scheinbar eine Bagatelle wie etwa Trainer auszutauschen, was der Unternehmer seit 1991 übrigens schon 35 Mal in die Wege leitete. Aus Sorge vor einem Fan-Chaos sagte der Stadtpräfekt die Partie sicherheitshalber ganz ab, das Spiel wird nun wohl mit 3:0 für die Roma gewertet. Liga und Verband posaunten "Schande" und "immenser Schaden für das Image des Calcio", müssen sich jedoch hinterfragen, wie man eigentlich einen Verein ohne adäquates Zuhause zulassen konnte. Aber man genehmigte ja bereits in der Vorsaison Cagliaris Auszug ins 1000 Kilometer entfernte Triest, führt einen Präsidenten mit Stadionverbot wegen Sportbetrug (FC Genua) und hat als New Entry jetzt noch einen Outlaw. Cellino sitzt übrigens als Ligavertreter im Verbandsgremium, da könnte er die Untersuchung gegen sich ja selbst leiten - verwunderlich wäre das nicht.
Mann des Spieltages: Marco Belelli lässt sich am liebsten "göttlicher Otelma" rufen, schließlich behauptet er die Reinkarnation von Gott selbst zu sein. Unter der Woche erklärte der bekannte TV-Magier, San Siro sei verhext und nur er kenne die Formel, das Stadion von seinem Fluch zu erlösen. Selbstlos bot er einen Exorzismus an, den Seine Heiligkeit jetzt aber mal ganz flugs rauszaubern sollte. Denn Milan und Inter schafften es seit der Verlegung des Kunst-Natur-Rasens in acht Versuchen noch nicht ein Mal, in San Siro zu gewinnen. Nebenher darf der akkurate Otelma beiden Klubs auch gleich fußballerischen Esprit in die Füße hauchen.
Und sonst? Freilich ist Otelma gegenüber den unumstößlichen Geboten der Trainer Walter Mazzarri und Ilario Castagner eine eher kleine Nummer. Obwohl 88 Minuten in Überzahl, gelang Mazzaris Neapel in Catania lediglich ein 0:0, der Coach offenbarte im Anschluss: "Um ins Tor zu treffen, musst du ein Tor machen." Das hätte er seinem Team aber auch wirklich vorher sagen können. Laut Castagner liegt das Mysterium des Erfolges allerdings tiefer versteckt, was er Mazzarri prompt großherzig verriet: "Eine Mannschaft muss im Laufe der Saison mal Waldvogel, mal Küstenvogel sein." Angenehmen Flug in die neue Woche!
Primera Division
Von Paula Villamarin Temperan
Spiel des Spieltags: Das Spiel des Spieltags wäre fast ein Nicht-Spiel des Spieltags geworden. Die Partie zwischen den beiden Madrider Nachbarn Rayo Vallecano und Real Madrid musste wegen Problemen mit der Stromversorgung auf Montagabend verschoben werden. Während die Techniker von Rayo anfangs noch vermuteten, dass der Stromausfall auf die starken Regenfälle zuvor in Madrid zurückzuführen sei, wurde Rayo-Präsident Presa noch am Abend deutlich. "Das war Sabotage. Ein paar Vandalen haben die Kabel gekappt", so der Klub-Boss erbost. Die konservative Zeitung "ABC" hatte auch schnell die Lichtausknippser und deren Grund identifiziert. Demnach waren es einige Rayo-Fans, die sich an den Schaltkästen zu schaffen machten, aus Protest dagegen, dass sie auf ihre Dauerkarte einen Aufschlag von 25 Euro zahlen mussten, um das Match gegen Real zu sehen. Sei es wie es sei, nun findet die Partie am Montagabend statt. Bei der Uhrzeit aber gab es die nächsten Diskussionen. "Wenn wir um 17 Uhr spielen sollen, werden wir das ablehnen. Unsere Fans können zu dieser Zeit nicht ins Stadion kommen", so Rayo-Coach Paco Jemez. "Das ist ein Problem von Rayo. Wir vertreten die Interessen von Real und die unseres Trainers. Und der will um 17 Uhr spielen", entgegneten die Real-Verantwortlichen. Es half jedoch alles nichts. Um 19.45 Uhr soll es losgehen. Wenn das Licht mitspielt.
Spieler des Spieltags: Da ist er wieder! Diesmal in Spanien. Obafemi Martins, zuvor bereits in der Bundesliga, in der Premier League, in der Serie A und in der russischen Premier Liga aktiv, komplettiert nun seine Europakarte und geht in der Primera Division auf Torejagd. Mittlerweile 27-jährig, feierte der Nigerianer am Wochenende sein Debüt für den Lell-Klub UD Levante. Zur Halbzeit eingewechselt, wuchtete der bullige Stürmer die Kugel gleich zweimal ins Netz, wurde jedoch zweimal von Referee Hernandez Hernandez wegen Abseits zurückgepfiffen. In der 86. Minute blieb die Pfeife jedoch stumm und der Europa-League-Teilnehmer konnte sich über drei Punkte gegen Real Sociedad freuen. Wie lange Martins in Levante bleibt ist aufgrund der Vita des Angreifers unklar. Der Einstand jedenfalls war schon mal bombe.
Und sonst? Seit letzter Woche rollt eine Klagewelle durch die Primera Division. Den Anfang machte Jose Mourinho höchstpersönlich, der sich durch die "Marca" verunglimpft sah. Die Sporttageszeitung hatte The Special One attestiert, er würde sich bei einem Autounfall sofort aus dem Staub machen. "Ehrabschneidung", skandierte Mous Anwalt und will 15.000 Euro Schadenersatz für seinen Mandanten. Im Gegenzug verklagte Real auch den Ex-Vizepräsidenten des Erzrivalen FC Barcelona, Alfons Godall. Der 50-Jährige hatte Mourinho nach dessen ausgelassenen Torjubel in der Champions League als "Psychopath" bezeichnet. Zuviel für den Mister. Da trifft es sich gut, dass laut einer aktuellen Umfrage ganze 40 Prozent der spanischen Frauen mit dem Portugiesen gerne einmal eine Affäre haben würden. Abgeschlagen auf Platz sieben: Pep Guardiola.
Trouble gab es auch bei Guardiolas Ex-Klub Barcelona. Da hatte es sich David Villa tatsächlich erlaubt, die Kugel nicht sofort auf Messi abzuspielen. Eine derartige Majestätsbeleidigung geht natürlich gar nicht, so dass der Argentinier den Spanier sogleich verbal die Leviten lies. Villa konterte und die beiden Streithähne konnten sich kaum beruhigen. Erst nach dem Spiel ging der Dampf aus dem Kessel: "Diese Dinge passieren, im Training und im Spiel. Vielleicht habe ich mich deutlicher ausgedrückt als sonst, aber ich habe kein Problem mit David", so der Superstar.