Der Fußball befindet sich im Würgegriff der organisierten Kriminalität: Die europäische Polizeibehörde Europol hat nach eigenen Angaben den weltweit größten Wettskandal der Fußball-Geschichte durch jahrelange Ermittlungen aufgedeckt und die Hintermänner in Asien identifiziert.
Die Dimension ist erschütternd. Europol gab am Montag in Den Haag bekannt, dass es zwischen 2008 und 2011 insgesamt 380 manipulierte Spiele gegeben haben soll. In rund 300 weiteren verdächtigen Fällen laufen derzeit noch Ermittlungen.
"Das ist ein trauriger Tag für den europäischen Fußball. Für uns steht fest, dass es sich um den größten Fall aller Zeiten in diesem Bereich handelt. Die Manipulationen haben einen Stand erreicht, wie wir ihn noch nie hatten", sagte Europol-Direktor Rob Wainwright, der seinen brisanten Bericht der UEFA übergeben wird.
"Wir konnten zum ersten Mal beweisen, dass die organisierte Kriminalität in der Fußballwelt operiert."
Der vom Bochumer Landgericht abgehandelte Skandal um den Wettpaten Ante Sapina, bei dem es sich um 51 manipulierte Spiele gehandelt hat, ist in den Zahlen von Europol bereits enthalten. "Aus deutscher Sicht war das zum Großteil ein Fazit unserer Ermittlungen. Von neuen Fällen weiß ich derzeit nichts", sagte der Bochumer Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek.
Auch Top-Ligen betroffen
Bienioßeks Kollege Andreas Bachmann, der in Den Haag vor Ort war, wies aber darauf hin, dass bei den derzeit untersuchten Fällen unter anderem deutsche Sportler "die Leidtragenden" seien.
Laut Europol sollen insgesamt 425 Spieler, Schiedsrichter, Funktionäre und Kriminelle in den Manipulationen der vergangenen Jahre involviert gewesen sein. Namen der Verdächtigen wollte Wainwright mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen.
Betroffen sein sollen Spiele aus europäischen Top-Liegen. Auch zwei Partien der Champions League sowie Spiele der WM- und EM-Qualifikation sollen manipuliert worden sein.
Durch Manipulationen in 15 Ländern sollen die Betrüger acht Millionen Euro verdient haben. Diese Summe sowie zwei Millionen Euro an Bestechungsgeldern wurden von den Behörden sichergestellt.
Von Singapur aus gesteuert
Europol geht davon aus, dass es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Das kriminelle Netzwerk soll demzufolge von Singapur aus gesteuert werden. Es ist das Ergebnis der Ermittlungen von Polizeiteams aus 13 Ländern, die gemeinsam an dem Fall arbeiten. Dabei wurden bisher unter anderem 13.000 Telefongespräche und E-Mails untersucht, auch V-Leute eingesetzt.
"Das Problem wird immer größer, weil immer mehr kriminell veranlagte Leute erkennen, dass sie mit geringem Risiko viel Geld verdienen können. Es gibt mittlerweile Täter, die wechseln vom Drogenhandel zu den Manipulationen", sagte der für Deutschland zuständige Bochumer Kriminalhauptkommissar Friedhelm Althans.
"Bei den 300 Spielen, die derzeit untersucht werden, geht es zu 90 Prozent um Spiele außerhalb Europas. Dazu gehören zwei WM-Qualifikationsspiele in Afrika und eines in Mittelamerika."
Laut Althans setzen die Kriminellen bis zu 100.000 Euro für die Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern pro Partie ein. "In 150 Fällen haben wir dafür Beweise", sagte der Beamte.
"Beängstigend, wenn Zahlen stimmen"
"An einer Manipulation waren beispielsweise 50 Leute aus 10 Ländern beteiligt. Legale Fußballwetten kommen niemals an den Umsatz, wie ihn die Kriminellen aus Asien organisieren, heran. Die Spieler sind dabei nur die Hilfsarbeiter", so Althans weiter.
Der DFB reagierte am Montag zurückhaltend auf die Meldungen aus Den Haag. "Im ersten Moment ist es schockierend, aber es sind noch keine offiziellen Zahlen. Für mich als Offizieller ist es wichtig, diese zu erhalten", sagte Manager Oliver Bierhoff: "Wenn die Zahl echt wäre, wäre es natürlich beängstigend."
Die UEFA erklärte, dass sie sich über das Manipulations-Problem "im Klaren" sei und den Bericht von Europol in den kommenden Tagen erwarte.
"Im Kampf gegen Manipulationen arbeitet die UEFA bereits mit den verschiedenen Behörden zusammen. Das ist Teil unsere Null-Toleranz-Politik in diesem Bereich", hieß es in einer Mitteilung: "Wenn wir die Details des Berichts erhalten, werden unsere zuständigen Disziplinar-Organe die notwendigen Schritte prüfen."