"Wenn ihr kickt, bringen wir euch um"

SPOX
25. November 201313:27
Geleitschutz der anderen Art: Nocerinas Ultras "verabschieden" ihr TeamYoutube
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In Italien geht ein Drittliga-Spiel in die Historie ein. Die Rückkehr von Javier Zanetti wird wie ein Fest gefeiert und Juves Llorente rechtfertigt sich für seine Abseitsposition. In Spanien wird ein 16-jähriger Debütant gefeiert und Cristiano Ronaldo bleibt der König von Madrid. Arsene Wenger will viele Geschenke kaufen. Dies und mehr von unseren Korrespondenten aus ganz Europa.

Serie A

Von Oliver Birkner

Schande des Spieltags: Zweifelsohne wird das Drittliga-Derby Salernitana gegen Nocerina (Distanz rund 20 Kilometer) auf Ewigkeit einen Weltrekord behalten: Acht Verletzte beklagten die Gäste in den ersten 20 Minuten, drei Auswechslungen waren bereits nach 60 Sekunden über die Bühne gegangen. In Minute 21 brach der Referee die Partie ab, da bloß noch sechs tapfere Nocerina-Profis auf dem Feld standen.

Nun könnte man von historischem Pech sprechen, wenn die Verletzungen nicht allesamt vorgetäuscht gewesen wären. Präventiv war den Gästefans aus Gründen öffentlicher Sicherheit die Stadionteilnahme untersagt worden, im Vorfeld hatte sich die Rivalität beim ersten Derby seit 25 Jahren immens hochgeschaukelt. Am Morgen vor dem Duell bedrohten 200 Nocerina-Ultras dann "ihr" Team: "Wenn wir nicht ins Stadion dürfen, werdet ihr auch nicht spielen. Wenn ihr kickt, bringen wir euch um."

Wer die Situation in einigen Flecken der Region Campania kennt, weiß, dass die Einschüchterung keiner flapsige Theken-Lappalie gleichkam. Erst kürzlich musste Benevento-Stürmer Felice Evacuo per Video im Netz öffentlich um Vergebung bitten - er hatte die Fans seines Ex-Klubs nach der Partie gegen den Rivalen gegrüßt und erhielt daraufhin Morddrohungen.

So simulierten die eingeschüchterten Profis lieber mal muskuläres Zwicken und die gesamte Führungsriege des Klubs legte kollektiv das Amt nieder. Kurz zuvor ließ der Sportchef ernsthaft noch verlauten: "Da war nichts vorgetäuscht. Aus Zeitgründen konnten wir uns nicht aufwärmen, deshalb die vielen Zerrungen." Aha.

Als Rahmen hatten die Tifosi gar noch ein kleines Flugzeug organisiert, das mit dem Spruchband "Respekt für Nocera und die Ultras" über das Stadion der Farce flog. Am Abend organisierten die Nocerina-Ultras dann ein spontanes Fest über die sozialen Netzwerke: "Alle auf die Piazza zum Feiern - wir haben gewonnen!" Am Abend nach dem absurdesten Kick der Calcio-Geschichte gab es mal wirklich rein gar nichts zu Feiern.

Zentimeter des Spieltags: Abgesehen vom absolut verdienten 3:0-Sieg der Juventus gegen Napoli drehte sich die Diskussion zunächst um den Führungstreffer durch Fernando Llorente. Sky Italia maß eine Abseitsstellung von 21 Zentimetern, was in TV und Netz reichlich anzügliche Kommentare auslöste, bei denen meist XXX-Legende Rocco Siffredi eine Rolle spielte. Llorente wurde die Aussage untergejubelt, da könne er nichts machen, 21 habe er eben im Ruhezustand. Sometimes size does matter. Glücklicherweise gab es andere Geschosse, über die man sportlich reden durfte. Andrea Pirlos famos formidablen Fahrstuhl-Freistoß zum 2:0 und die Rakete von Paul Pogba zum Endstand, obwohl er den Ball nicht gerade fachkundig gestoppt hatte.

Und sonst? Letzte Woche auf der Bank, nun wieder auf dem Platz: Javier Zanettis Einwechslung in der 83. Minute gegen Livorno löste im San Siro einen Jubel aus, als hätte Inter gerade den Scudetto erlangt. Es war der erste Einsatz des ewigen Capitano, seit die Achillessehne des 40-Jährigen vor sechs Monaten und zwölf Tagen gerissen war. SPOX

"Es war nicht einfach, sich in meinem Alter nach so einer Verletzung zurückzubeißen", sagte Zanetti mit feuchten Augen - den Pathos nahm man ihm durchaus ab. Die wenigen Minuten nutzte der 40-Jährige sogar noch, um den 2:0-Endstand einzuleiten und das komplette Team eilte zum Argentinier, um ihn für den Treffer zu feiern.

Einige Partien wird man ihn noch bestaunen dürfen, denn nicht umsonst nennt man ihn den "bionischen Mann", Noch-Präsident Massimo Moratti hält ihn für einen Bewohner des Planeten Krypton. "Eine Menge junger Spieler sollten sich ein Beispiel an Zanettis zehn Minuten nehmen", sagte Trainer Walter Mazzarri. Nicht bloß an denen.

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Premier League

Von Raphael Honigstein

Das Spiel des Spieltags: Der Premier-League-Klassiker Manchester United gegen Arsenal brachte die Hausherren zurück ins Titelrennen und die Gunners ein wenig aus dem Tritt. Das grippegeschwächte Team von Arsene Wenger spielte ohne Per Mertesacker und Elan; Mesut Özil kam genau wie Aaron Ramsey nie richtig ins Spiel. Dass ausgerechnet Robin van Persie den Siegtreffer markierte, macht die Niederlage aus Arsenal-Sicht natürlich nicht besser. Wenger hatte seinen früheren Schützling unter der Woche als "echten Arsenal-Mann" gerühmt, doch der niederländische Stürmer feierte sein Tor mit einer Ausgelassenheit, die das Gegenteil nahelegte. Interessanterweise wollte Wenger das Resultat nicht auf den in der Kabine grassierenden Virus schieben, sondern sprach davon, dass sein Team "zu nervös" gewesen sei. Nach dem Schlusspfiff hatte sich der Elsässer auch beim Schiedsrichter beschwert; warum, wollte er später nicht sagen. "Ich muss viele Weihnachtsgeschenke kaufen, ich will keine Strafe zahlen", sagte er.

Wayne Rooney, der beste Mann auf dem Platz, sprach davon, mit United zu Neujahr an der Tabellenspitze stehen zu wollen. Für Kollege Ashley Young aber lief das Wochenende nicht so gut. David Moyes hatte den Nationalspieler nach seiner (kleinen) Schwalbe gegen Real Sociedad aus dem Kader geworfen. Sogar die eigenen Anhänger machten sich über ihn lustig. Das Fan-Magazin "Red Issue" platzierte ihn passend zum Volkstrauertag in Flugpose auf dem Cover, unter der Überschrift: "Wir gedenken den Gefallenen". Spott hatten die englischen Medien auch für den mal wieder super-schwachen Arsenals-Einwechselspieler Nicklas Bendtner übrig. "Seine Frisur war irgendwas zwischen Samurai und Mein kleines Pony", schrieb die "Times".

Der Mann des Spieltags: Vor dem Match hatte sich an der White Hart Lane alles um einen Torhüter gedreht, der gar nicht auf dem Feld stand. Die Abwesenheit von Hugo Lloris, der Nummer eins der Spurs, befeuerte die Diskussion um Andre Villas-Boas' Entscheidung, den Franzosen nach seiner Gehirnerschütterung im Match gegen Everton vor einer Woche weiterspielen zu lassen. Nach dem 0:1-Sieg von Newcastle United (Torschütze: Loic Remy) am Sonntag stand jedoch ein ganz anderer Keeper im Fokus. Tim Krul war unüberwindbar und hielt alles, was haltbar war, sowie den einen oder anderen fast unhaltbaren Ball. "Das ist der Höhepunkt meiner Karriere", sage der 25-jährige Niederländer, der mit der glänzenden Leistung einen Rekord aufstellte. Seit 2006-07, dem ersten Jahr, in dem diese Daten in der Premier League erfasst wurden, hat noch nie ein Keeper 14 Torschüsse in einem Match gehalten.

Anything Else? Jose Mourinho hasst Schwalben. "Ich hasse Schwalben", sagte er vor einem Monat. Und dann passiert sowas: Beim 2:2 gegen West Bromwich Albion am Samstag tauchte 66 Sekunden vor Ende der Partie Ramires im Strafraum ab, Schiedsrichter Andre Marriner gab den Witzelfer und Eden Hazard die Möglichkeit, zum 2:2 auszugleichen. SPOX

"Ich kann es nicht glauben", sagte WBA-Trainer Steve Clarke. Und was sagte Mourinho? "Das war keine Schwalbe, daran besteht kein Zweifel", meinte der Pinocchio, pardon: der Portugiese. Ramires sah das übrigens genauso. "Ich mache nie Schwalben", versicherte der Brasilianer. Ist es nicht schön, dass es in der Premier League noch so ehrliche - und prinzipientreue - Sportsleute gibt?

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Primera Division

Von Frank Oschwald

Story des Spieltags: Hach, es sind genau diese herzzerreißenden Geschichten, die den Fußball genau zu dem machen, was er ist. Eine Art männliche Version von "Wie ein einziger Tag", die den biertrinkenden Fan auf der Tribüne mit den Tränen kämpfen lässt. Weit, weit weg von Kommerz und sonstigem Unfug, vielmehr eine Bilderbuch-Story, die Hollywood nicht hätte besser inszenieren können: Beim gänzlich unspektakulären Spiel zwischen Osasuna und Almeria lief die 66. Spielminute, als der erst 16-jährige Jose Garcia zu seinem Pflichtspieldebüt für den Gastgeber kam. Begleitet von stehenden Ovationen und irrem Applaus der heimischen Fans machte das Nachwuchstalent seine ersten Schritte im spanischen Oberhaus.

Obwohl Garcia sämtliche Jugendmannschaften Osasunas durchlaufen hat, sicherlich kein üblicher Empfang für ein derartig junges Talent. Doch fast alle Fans kannten die Geschichte des kleinen Jose Garcia bereits genau. Klar, in Osasuna-Bettwäsche zu schlafen und sich bereits als kleiner Knirps regelmäßig im Stadion blicken zu lassen, gibt Pluspunkte bei den Anhängern. Die übliche Kiste eben.

Doch bei Garcia geht es vielmehr darum, wie er ins Stadion gegangen ist. Eine TV-Show wurde vor knapp sieben Jahren auf den kleinen Jungen aufmerksam. Dieser stand auf seiner Sitzschale, wirbelte sein Shirt mit blankem Oberkörper durch die Luft und grölte mit aggressivem Gesichtsausdruck lauthals Fangesänge. Beim Tor ging's ab auf den Zaun, das Shirt wurde in die Menge gefeuert, sodass jeder Ultra stolz gewesen wäre. Seitdem ist der damals 10-Jährige ein Idol in Osasuna. Am Wochenende feierte genau dieser kleine Junge sein La-Liga-Debüt und erzielte Minuten vor Schluss fast den Ausgleich. Hach...

Schleier des Spieltags: Ja, ja, schon ganz nett, was Kollege Ronaldo da aktuell Woche für Woche so veranstaltet. Hattrick hier, Hattrick da, Weltfußballer hin oder her. In Madrid ist und bleibt er trotz der Bale-Verpflichtung unangefochtener König und die Zeitungen in der Hauptstadt überschlagen sich ob der Genialität des Portugiesen. Doch irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die gewaltige Offensive die teilweise immensen Probleme in der Defensive verschleiern. 17 Buden kassierten die Hauptstädter in dieser Saison bereits und stehen damit auf einer Stufe mit Aufsteiger Elche und Levante. SPOX

Zwar fegte man am Wochenende Real Sociedad mit 5:1 aus dem Stadion und schenkte dem Gast somit 18 Gegentore in den letzten vier Spielen im Bernabeu ein, doch erneut blieb Keeper Diego Lopez nicht ohne Gegentor. Logisch, dass sich die Real-Gegner in den sozialen Netzwerken bereits königlich über die Abwehrprobleme amüsieren. Ein Bild zeigt einen Dinosaurier, der behauptet: "Ja, ich war dabei, als Real Madrid zuletzt zu Null gespielt hat".

Und sonst? Es gibt doch nichts über Trainer, die vor den Kameras genau das sagen, was sie gerade denken. Kein verschwurbeltes Geblubber a la "schade, dass es nicht zum Punkt gereicht hat", "der Gegner war einfach besser" oder sonstigen leeren Worthülsen. Miroslav Djukic, Trainer des FC Valencia, ist genau ein solcher Trainer.

Der kantige Serbe, der im Sommer in der Hafenstadt anheuerte, scheut sich nicht davor, seinem Team in aller Öffentlichkeit ordentlich die Meinung zu geigen. Auch nach dem glücklichen 2:2 vor heimischer Kulisse gegen Valladolid polterte Djukic auf der Pressekonferenz: "Wir spielen zu Hause meistens schlecht. Wenn du keine dicken Cojones hast, hast du im Mestalla keine Chance", philosophierte der Coach. Richtig so! Eier und eine saftige Ansage, Oli Kahn hätte seine helle Freude. Dass das Mestalla mit einem Fassungsvermögen von 53.000 Zuschauern nur zu knapp 65 Prozent besetzt war, kehren wir mal unter den Teppich. Die Aussage zählt. Und die hat gesessen.

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