Als hätte es schon nicht genug Unterschiede gegeben, bekam Torsten Lieberknecht noch einen obendrauf. Gerade eben hatte er mit Eintracht Braunschweig 0:2 beim FC Bayern verloren. In der anschließenden Pressekonferenz griff ein Reporter des englischen Renommierblatts "Guardian" zum Mikrofon, um Gastgeber-Trainer Josep Guardiola eine Frage zu stellen. Als Torsten Lieberknecht dran war, meldete sich der Redakteur einer Lokalzeitung zu Wort. "Da merkt man den Unterschied", witzelte Lieberknecht, "der Guardian schreibt über die Bayern, über uns schreibt die Rheinpfalz."
Gelächter im Saal. Nur dem englischen Reporter war Lieberknechts feine Pointe entgangen. Sein Job war mit der Frage an Guardiola ohnehin erledigt. Und David Conn war nicht nur an diesem Tag vor Ort in München, um den FC Bayern in einem Bundesliga-Spiel unter die Lupe zu nehmen. Er hatte auch mit Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge über die Zukunft der Münchener gesprochen. Das Interview zog international große Aufmerksamkeit nach sich.
Internationale Dauergäste
Conn ist kein Einzelfall. Wer heute auf die Pressetribüne des FC Bayern blickt, fühlt sich ein wenig wie an einem internationalen Flughafen. Den Klub erreichen regelmäßig Akkreditierungsanfragen aus aller Welt: Liefen früher Spieler, die des Deutschen nicht mächtig waren, noch ungestört durch die sogenannte Mixed Zone, können sie inzwischen stehenbleiben und mit den Medienvertretern ihrer Länder sprechen. Spanische Journalisten haben sich spätestens seit Guardiolas Ankunft einen Zweitsitz in München angeschafft, auch aus dem asiatischen, arabischen und südamerikanischen Raum sind Journalisten Dauergäste in den Heimspielen des FC Bayern München.
"Wir sind nicht mehr nur regional oder national. Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir international sein wollen", sagt Rummenigge, der im Vorstand der FC Bayern München AG neben anderen Aufgaben für das Kommunikationsressort verantwortlich zeichnet. Interviews bayerischer Protagonisten mit internationalen Medien gehören inzwischen zur Regelmäßigkeit, während die Möglichkeiten nationaler Medien in Sachen Exklusivität unter der Auslandsoffensive etwas leiden.
Bayern starten Auslandsoffensive
Auch sich selbst inszeniert der Klub viel offensiver als früher: Die Webseite des Rekordmeisters gibt es inzwischen in sieben Sprachen: Deutsch, Englisch und Spanisch gehören zum Pflichtprogramm. Längst können auch japanisch, russisch, chinesisch und arabisch sprechende Fußballbegeisterte die bayerischen Neuigkeiten in ihrer Landessprache erfahren. Den webbasierten Klub-TV-Sender gibt es auch auf Englisch. Der FC Bayern ist rund um die Uhr online.
Mit der Social-Media-Offensive, die der FCB vor geraumer Zeit auf Facebook und Twitter startete, ist man noch näher an die Anhänger - und an potenzielle Kunden - gerückt.
Diese Aktivitäten sind aber nur das Pflichtprogramm, der Standard sozusagen der internationalen PR-Arbeit. Die globale Konkurrenz ist den Bayern und der Liga im Allgemeinen immer noch voraus: "Wir, sowohl die Bundesliga als auch die Bayern, haben da in der Vergangenheit zu wenig getan", gab Rummenigge zuletzt zu.
Zu Gast bei der MLS
Daher hat sich der FC Bayern auf die Fahne geschrieben, ja es sogar zum wichtigsten Projekt gemacht, den nationalen Branchenprimus auch zur internationalen Top-Marke auszubauen. "Hallo Welt, hier ist der FC Bayern", soll die Message heißen. Im Juli installierte der FC Bayern ein zusätzliches Vorstandsmitglied, das sich ausschließlich um die Internationalisierung des FC Bayern kümmern soll. Jörg Wacker, ehemals beim Wettanbieter "bwin" tätig, ist so etwas wie der Außenminister des FC Bayern.
Und erste Erfolge kann er schon verzeichnen. Zuletzt gab die Major League Soccer (MLS) bekannt, dass der FC Bayern im kommenden Jahr Gegner des MLS-Allstar-Games sein wird.
Das Event findet seit 19 Jahren statt, zuletzt immer gegen wechselnde Gegner. Bisher waren schon Manchester United (2010/2011), der FC Everton (2009), der FC Chelsea (2006/2012), der AS Rom (2012) und Chivas de Guadalajara (2003) zu Gast. Nun also der FC Bayern, der die Reise nach Portland mit einem Trainingslager und einer Tour durch die Vereinigten Staaten verbinden wird.
Für viele internationale Klubs ist eine Promo-Tour dieser Art ein fixer Programmpunkt in der Sommervorbereitung. "Die Premier League ist ein leuchtendes Beispiel, da gehen die Top-vier- oder Top-fünf-Mannschaften jedes Jahr auf Tour, teilweise abgesprochen. Dementsprechend ist es kein Wunder, dass sie uns, was Fernsehvermarktung, was Internationalisierung betrifft, ein Stück davongelaufen sind", sagt Rummenigge.
Wackers erster Erfolg
Die Einladung der MLS könnte nun zum Meilenstein für den FC Bayern werden. "Das Spiel ist ein sehr wichtiger Schritt hinsichtlich unserer internationalen Ausrichtung", sagt Wacker. Aus gutem Grund, wie er schildert: "Wir sehen die Vereinigten Staaten als einen sehr wichtigen Markt für uns an und möchten unsere bestehenden Fans und Anhänger sowie Fußball-Fans im Allgemeinen mit unserer Marke, unserer Mannschaft und unserer Philosophie vertraut machen."
Das Interesse ist jedenfalls da. In den USA ist die Bundesliga wie in 205 anderen Ländern weltweit an jedem Wochenende live zu sehen. Die Deutsche Fußball-Liga hat erst kürzlich einen Vertrag mit dem Medienkonzern 21st Century Fox abgeschlossen. Der FC Bayern, der die meiste Live-Zeit bekommt, aber auch seine Sponsoren sind omnipräsent.
Den nächsten Schritt gehen die Münchener mit der Eröffnung eines Büros in New York, um sich vor Ort nachhaltiger zu etablieren. "Wir wollen ein Netzwerk aufbauen und die Marke FC Bayern in den USA stärker positionieren", so Wacker. Erste Fanklubs wurden bereits gegründet - mit guten Verbindungen zum Klub.
Keine chinesischen Spielertransfers
Dieselben Planungen gelten auch für China. "Ich habe in meiner Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass wenn man sich in einem Markt etablieren möchte, dann vor Ort präsent sein muss", sagte Wacker in einem Treffen mit chinesischen Medienvertretern. Schon im Vorjahr gastierte der FC Bayern fünf Tage in China, um Freundschaftsspiele zu absolvieren. Weitere Besuche sind geplant.
Die Strategie, eigens Spieler zu verpflichten, um einen Bezugspunkt herzustellen, haben die Münchener ad acta gelegt. "Das bringt nichts", sagt Rummenigge. "Wir haben vor zehn Jahren die gesamte Scoutabteilung sechs Wochen nach China gejagt mit der Zielvorgabe, einen Chinesen zu finden, der es kann. Die kamen zurück: Es kann keiner. Du kannst keinem Trainer einen Spieler aufs Auge drücken, nur weil der in das Marketingkonzept passt." Zumal der FC Bayern dank des Triples und einiger Topeinkäufe auch ohne chinesischen Superstar interessant ist.
Erobert Bayern die USA und China, dürften Russland, aber auch Indien und der arabische Raum ins Visier genommen werden.
Wichtiges Projekt: Klub-WM
Eine wichtige Rolle spielt daher auch die Klub-WM, in die der FC Bayern mit dem Halbfinalspiel gegen den Partnerklub aus China, Guangzhou Evergrande, einsteigen wird. In Mitteleuropa und speziell in Deutschland genießt das FIFA-Turnier nur geringfügige Wertschätzung. International hat sie allerdings eine ganz andere Anziehungskraft.
"In Europa wird die Klub-WM unterschätzt, weil die Champions League so etwas Großes ist. Auf allen anderen Kontinenten hat sie einen hohen Stellenwert, weil man sich gegen alle messen kann", sagt Philipp Lahm und hebt den sportlichen Aspekt hervor.
Für Rummenigge kommt freilich noch eine andere Komponente hinzu: "In Asien, Afrika und Südamerika hat dieser Titel einen sehr großen Wert, also wäre er für unsere Internationalisierung wichtig." Trainer Guardiola, der den Titel mit dem FC Barcelona schon holte, kennt den Status und "ist heiß auf den Titel", sagt Rummenigge.
Auch die Bayern-Fans daheim in München sind es. Gegen den Hamburger SV rollten sie ein Transparent aus, worauf die Labormäuse "Pinky" und "Brain" aus der gleichnamigen Zeichentrickserie ihren bekannten Dialog führen. "Und was machen wir nächste Woche, Brain?", fragte Pinky in jeder Folge seinen klugen Compagnon. "Wir versuchen, die Weltherrschaft an uns zu reißen." Der Startschuss ist längst gefallen.
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