Serie A
Von Oliver Birkner
Wut des Spieltags: Die Geduld ist am Ende, zumindest, was die Tifosi des AC Mailand betrifft. Einige Spieler wie Kaka oder Nigel de Jong plus Trainer Clarence Seedorf ausgenommen gab es am Sonntag lediglich Hohn und Zorn für die desolaten Doppelgänger im rot-schwarzen Dress. "Ihr seid ein Scheiß-Team von verwöhnten Jungs und Pseudo-Profis", hieß es von den Treuesten aus der Südkurve. "Es ist an der Zeit, die Saison wenigstens mit einem Krümel an Würde und Anstand zu beenden."
Beim 2:4 gegen Parma schlug man dazu womöglich nicht den geforderten Weg ein. Als kleines Alibi hielt her, dass man 85 Minuten in Unterzahl kickte. "Wir wollen 11 Baresis" skandierten die Fans oder "Jetzt geht schön feiern!"
Das richtete sich besonders an Mario Balotelli, dem sie wütend zuwarfen: "Idiotische Twitter-Fotos und eine VIP-Tischreservierung in der Disko sind dir wichtiger als ein Sieg." Balotelli bedankte sich während der Partie mit ironischem Applaus an die Zuschauer.
Die andere Zielscheibe hieß Adriano Galliani, dem man einen desaströsen Transfermarkt ankreidet. Am Abend tröstete sich der Geschäftsführer dann beim Basketball. Dort gelang Tabellenführer Milano der zwölfte Sieg in Serie. Statistiken, die in San Siro für einige Zeit in den Bereich Science Fiction gehören.
Kaiser des Spieltags: Ein Tor ist immer eine feine Sache. Manchmal steckt aber auch mehr drin als die schnöde Statistik. In Neapel reichte einem Stürmer einst ein Treffer gegen Juventus, dass er und seine Freundin bis Saisonende praktisch gratis durch den Tag kamen. Egal ob Gemüsehändler oder Ristorante, überall hieß es: "Lass das Portemonnaie mal stecken - du hast schon genug für uns getan."
Mario Gomez wird weiterhin löhnen müssen, Florenz ist nicht Neapel. Ein klein wenig reichte sein formidables Tor bei Juventus in der Europa League allerdings zum designierten Heroen-Status. Bereits bei der Rückkehr aus Turin am Freitag per Zug wurde der Deutsche frenetisch am Bahnhof gefeiert, bei seiner Einwechslung am Sonntagabend gegen Chievo gab es stehende Ovationen. Prompt traf Gomez (aus Abseitsposition) zum ersten Mal in "seinem" Stadion Artemio Franchi und sagte später: "Ich bin kein David Copperfield, keine Ahnung, wann ich wieder bei 100 Prozent sein werde."
Momentan langen Florenz auch die rund 70 Prozent, denn wie in Italien üblich purzelte es schnell Superlative. "Kaiser Gomez" oder der "Blitz im Nachthimmel" - wobei Blitz und Gomez in etwa so harmonierten wie Ramelow und Kunst-Akademie. Egal, denn jetzt stehen Brot und Spiele bevor, wenn Juventus Donnerstag zum entscheidenden Europa-League-Gefecht anreist. Die Haus- und Hof-Blätter duellieren sich schon mit Überschriften. "1:1? Kein Problem. Dann gewinnen wir eben in Florenz", titelte "Tuttosport", die florentinische Ausgabe des "Corriere dello Sport" antwortete: "Juve - wir sind bereit. Und mit Super-Marione haben wir jetzt zusätzliche Artillerie!"
Viola-Eigner Andrea della Valle forderte: "Donnerstag will ich, dass die ganze Stadt ins Stadion umzieht." Da könnten bei 370.000 einige provisorische Zusatztribünen erforderlich sein. Der neue italienische Premier Matteo Renzi, gebürtiger Florentiner und heißer Florenz-Tifoso, wird Kanzlerin Merkel übrigens heute ein mit Widmung signiertes Gomez-Trikot in Berlin überreichen. Vielleicht wird aus lauter Rührung so am Donnerstag sogar noch einen Zusatzplatz für unsere Angie benötigt.
Und sonst? Poetisch hatte Sampdoria-Coach Sinisa Mihajlovic vor der Reise nach Bergamo angekündigt: "Ich führe Samp ins Paradies." Dort geht's nicht immer himmlisch zu wie das 0:3 demonstrierte. Mihajlovic war so erbost, dass er gen Spielende zum vierten Offiziellen eilte und raunte: "Lass ja nicht nachspielen, diesen Bockmist von uns will ich mir nicht länger als nötig mitansehen."
Der Referee zeigte kein Erbarmen und legte 60 infernale Sekunden drauf. Lakonischer Kommentar des Trainers am Ende: "Eine Mannschaft ohne Eier. Nächste Woche lasse ich sieben Mann aus dem Nachwuchs auflaufen." Nach einem gründlichen Medizintest, wäre zu vermuten.
Seite 1: Gomez hui, Milan pfui