Mit Romario an der Copacabana

SID
Kevin Kuranyi (r.) landete mit Dynamo Moskau auf Rang vier
© getty

Kevin Kuranyi spielt seit Sommer 2010 für Dynamo Moskau. In seiner SPOX-Kolumne berichtet der 32-Jährige regelmäßig von seinen Erlebnissen. Diesmal hat er an der Copacabana in Brasilien eines seiner Kindheits-Idole getroffen und verrät, für welche Nation bei der WM sein Herz schlägt.

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Um grande abraço do Brasil!

Ich weiß, ihr habt euch an das "Hallo aus Moskau" gewöhnt. Aber anlügen will ich Euch ja auch nicht. Ich bin gerade nicht in Russland. Ich habe nämlich noch Urlaub. Den verbringe ich zu einem Großteil in Brasilien.

Es ist immer wieder eine Freude, in mein Geburtsland zurückzukehren, auch wenn es immer nur wenige Wochen sind. Da nehme ich mir dann ganz viel Zeit für meine Familie, meine Verwandten und Freunde hier.

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Zuerst waren wir ein paar Tage in Rio de Janeiro. Die Stadt als Ganzes fasziniert mich jedes Mal wieder aufs Neue. Aber ein Ort zieht mich ganz besonders an - ihr kennt ihn alle. Die Copacabana. Ich weiß nicht, wie viele Wochenenden ich hier als Kind verbracht habe.

Wir sind so oft mit Freunden und Familien raus an den berühmtesten Strand der Welt gegangen. Ein Ball war da eigentlich immer dabei. Vor ein paar Tagen habe ich dort endlich jemanden getroffen, der damit auch vernünftig umgehen kann :-)

Zufallsbegegnung am Strand

Auf einmal stand da ein ganz besonderer Kicker vor mir, einfach so. Mein Idol, mein Held - für mich der Größte überhaupt: Romario! Ich war hin und weg. Und während meine Kumpels fleißig Fotos mit der Legende gemacht haben, stand ich daneben.

Weil ich mich nicht getraut habe. Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mir dafür jetzt in den Hintern beißen könnte! Natürlich war das aber trotzdem ein überragendes Erlebnis!

Ansonsten ist es hier noch erstaunlich ruhig. Das überrascht mich ein wenig, so kurz vor der WM. Die Euphorie hält sich noch in Grenzen, die Proteste aber auch. Ich bin mir aber sicher: Wenn die WM startet, wird hier die Post abgehen.

Brasilien ist ein total fußballverrücktes Land. Der Sport wird hier so zelebriert wie nirgendwo sonst auf der Welt. Und es hat ja auch lange auf eine Heim-WM warten müssen. Genau 64 Jahre. Entsprechend groß wird der Druck für das Nationalteam sein.

Brasilien ist immer Favorit

200 Millionen Brasilianer wollen den Titel. Ich glaube, die Chancen dazu stehen nicht schlecht. Brasilien gilt ja immer als Turnierfavorit. Ich finde, diesmal seit längerer Zeit wieder zu Recht. Das Team ist hungrig, die Mischung stimmt. Da sind erfahrene Führungsspieler wie Thiago Silva, Hulk oder Dani Alves.

Aber auch dynamische Nachwuchsstars wie Oscar, Bernard und natürlich Neymar. Nicht zu vergessen: Der Trainer. Felipe Scolari weiß wie es geht, hat Brasilien 2002 zum letzten WM-Titel geführt.

Schade, dass er meinen Freund Rafinha nun doch nicht in den 23er-Kader aufgenommen hat. Ich hätte es ihm sehr gegönnt.

Mein Herz schlägt für Deutschland

Den Brasilianern drücke ich natürlich die Daumen. Aber wenn es hart auf hart kommt, schlägt mein Herz für Deutschland. Ist doch klar. Das ist mein Team, für das ich 52 Länderspiele gemacht habe.

Und ich kenne noch so viele Spieler wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Manuel Neuer oder Mesut Özil persönlich. Mit Ihnen bin ich selbst noch auf dem Platz gestanden, auch mit Mario Götze habe ich regelmäßig Kontakt.

Ich bin also alles andere als neutral. Aber nicht nur aus Sympathie sage ich: Ja, wir können Weltmeister werden! Deutschland ist in den letzten Jahren immer weit gekommen. Die Mannschaft ist einfach an der Reihe und hätte es einfach verdient.

Und auch wenn einige Schlüsselspieler angeschlagen sind, es zuletzt auch ein paar Störfeuer gab und ich es zumindest sehr mutig finde, mit nur einem echten Stürmer ins Turnier zu gehen: Es bleibt immer noch einer bockstarke Mannschaft, mit die beste, die Deutschland je hatte. Ich glaube an den Titel - und ich würde es den Jungs sehr gönnen!

Der Titel geht nur über Spanien

Dafür gilt es vor allem ein Team zu schlagen: Klar, den Titelverteidiger Spanien. Sie haben so viele Spieler, die schon alles gewonnen haben, was es zu gewinnen gibt. Im Nationalteam und mit dem Verein. Sie haben auf dem Platz schon alles erlebt - und sind trotzdem noch gierig auf den Ball und den nächsten Titel. Um sie zu besiegen, braucht jedes Team der Welt einen guten Tag.

Gerne würde ich für das DFB-Team in Brasilien den Glücksbringer spielen. Das wird aber leider nichts. Ich bin zwar gerade noch vor Ort, aber ab dem 9. Juni ruft wieder die Pflicht. Dann geht es mit Dynamo ins Trainingslager nach Österreich.

Das macht mich auf der einen Seite natürlich traurig. Schließlich habe ich schon sehr lange auf die WM in meinem Geburtsland gefreut. Aber ich will mich nicht beklagen.

Als Fußball-Profi kann man sich seinen Urlaub eben nicht selbst aussuchen - aber das können viele von Euch ja auch nicht. Und es gibt ja auch Schlimmeres, als mit meinen Jungs von Dinamo ein paar WM-Spiele zu schauen. ;-)

Angriff in der Europa League

Außerdem wollen wir schnell fit für die neue Saison werden. Da bin ich jetzt schon heiß drauf. Schließlich haben wir uns für die Europa League qualifiziert. Es war wichtig, dass wir wieder international dabei sind. Die vergangene Saison war auch insgesamt eine gute für uns.

Die nächste soll aber eine überragende werden. Dann wollen wir ganz oben angreifen, uns für die Champions League qualifizieren. Das war sogar dieses Jahr schon drin, aber leider haben wir in der Rückrunde das ein oder andere Spiel zu viel versemmelt.

Eine Saison zum Vergessen

Für mich persönlich war die Vorrunde schmerzhaft. Die habe ich nämlich zum Großteil verletzt verpasst. Auch wenn ich danach noch relativ viele Tore geschossen habe: so eine Saison möchte ich persönlich nicht noch einmal erleben.

Letztes Jahr habe ich die Vorbereitung wegen meiner Verletzung zu großen Teilen nicht mitmachen können und den Sommer in der Reha verbracht. Ich kann euch sagen, da weiß man Trainingslager wieder so richtig zu schätzen.

Ich werde also am Abend in einem Hotel in Österreich WM schauen - und danach weiter von einem Foto mit meinem Idol Romario träumen, hehe.

Euer Kevin

Kevin Kuranyi, geboren am 2. März 1982 in Rio de Janeiro, gehört zu den besten Stürmern Deutschlands. Von 2001 bis 2005 spielte er als Profi für den VfB Stuttgart, danach wechselte er zum FC Schalke 04. Seit Sommer 2010 trägt Kuranyi nun das Trikot von Dynamo Moskau. Für die Nationalmannschaft war er bislang 52 Mal im Einsatz. Mehr Informationen über Kevin Kuranyi gibt es unter www.kevin-kuranyi.de

Kevin Kuranyi im Steckbrief