In Italien verursacht eine Mannschaft schon beim Zusehen Schmerzen südlich der Magengegend. Während man in Liverpool Balotelli-Trikots wieder umtauschen kann, dreht sich in Spanien alles um das Spiel der Spiele.
Serie A
Von Oliver Birkner
Kleiner Philippiner des Spieltags: Zuerst das Sportliche: Inter siegte beim eine Stunde lang dezimierten Aufsteiger Cesena 1:0. War nicht berauschend, doch immerhin der erste Liga-Auswärtssieg der "Nerazzurri" nach sechs Monaten durch den ersten verwandelten Elfmeter seit Mai 2013. Aber der Klub definiert sich in seiner Hymne nicht umsonst "pazza Inter" (verrückt), und so verbrachte man im Vorfeld wahnwitzige Tage. Der neue Geschäftsführer verpasste Ehrenpräsident Massimo Moratti eine verbale Breitseite, Moratti erteilte Coach Walter Mazzarri eine Schelte, der wiederum fauchte gegen Moratti. Mittendrin stand Besitzer Erick Thohir und zündelte weitere Feuerchen. Moratti platzte der Kragen und jagte seinen Ehrenpräsidenten-Amt zum Teufel. Seit der Übernahme Anfang 1995 hält er zum ersten Mal keine offizielle Funktion mehr im Verein - wahrlich das endgültige Ende einer Dynastie (schon Vater Angelo war zwischen 1955 und 1968 Präsident der Grande Inter).
Natürlich kamen Kommentare aus allen Ecken des Calcio und der große Zampano, Samp-Präsident Massimo Ferrero, durfte nicht fehlen: "Eine Frechheit, wie Moratti behandelt wurde, der sich 20 Jahre lang um den Calcio verdient gemacht hat. Letztens sagte ich ihm noch: Schmeiß' den kleinen Filipino raus, was willst du mit dem?" Thohir ist zwar aus Djakarta, doch komm, Philippinen oder Indonesien, da wollen wir jetzt mal keine geographischen Erbsen zählen. Ferrero kennt sich schließlich überall hervorragend aus. Seine Schalte begann mit dem Satz des Moderators: "Ah, jetzt haben wir Fernando Llorente am Mikro, den können Sie live grüßen, Presidente." Ferrero: "Und wer soll das sein?"
Gewinner des Spieltags: Es gab eine Reihe Spieler, die ihren ersten Saisontreffer schossen. Zum Beispiel Miro Klose, Marek Hamsik oder Gonzalo Higuain, der Hellas gleich einen Dreierpack verpasste. Das emotionalste Tor gelang allerdings Sassuolos Francesco Acerbi. Der 26-Jährige war zuletzt vor 944 Tagen erfolgreich, dazwischen dachte er an andere Dinge als Fußball. Am 14. Juli 2013 wurde ein Tumor diagnostiziert und erfolgreich entfernt. Dachte man, bis im folgenden Dezember die Werte einer Dopingprobe einen Rückfall enthüllten. Zunächst war man gar von Doping ausgegangen und hatte Acerbi vorsorglich gesperrt. So kämpfte Acerbi vor Gericht gegen die Doping-Sperre und parallel im Krankenhaus gegen den Tumor. Er gab nach dem doppelten Erfolg im September sein Comeback und kann sich jetzt hoffentlich ausschließlich dem Fußball widmen.
Und sonst? Fanproteste sind in Italien selten ein Spaß. Inter-Coach Walter Mazzarri sagte kürzlich: "Pfiffe in San Siro? Die lassen mich kalt. Als es in Reggio Calabria nicht lief, musste ich mir Geleitschutz besorgen, da man mir mit Stöcken und Rohren ans Leder wollte." Napolis Rafa Benitez und seine Kicker erlebten beim 0:2 in der Europa League in Bern wüste Attacken auf den Teambus. Sie machten sich deshalb so eilig aus dem Staub in Richtung Flieger, dass man Gonzalo Higuain und Raul Albiol einfach bei der Dopingkontrolle vergaß. Beide mussten in der Schweiz übernachten und am Folgemorgen gesondert nachreisen. Im Lokal-TV jammerte der Reporter: "Diese Napoli-Elf verursacht wirklich 'uallera'". Das Neapolitanisch-Italienisch Wörterbuch klärt auf: Uallera - Anschwellung des Hodens aufgrund eines Leistenbruches. Na da lässt sich die Wut der Tifosi durchaus nachvollziehen. Gute Besserung!
Serie A: Geographische Erbsenzählerei und der unbekannte Fernando
Premier League: Mousche Mind Games und jede Menge Trikottausch
Primera Division: Clasico, Clasico, Clasico
Premier League
Von Frank Oschwald
Mind Games des Spieltags: Was wurde im Vorfeld des Krachers zwischen Manchester United und Chelsea nicht alles über die Trainer verzapft. Tagelang wurde in der englischen Presse die Vorgeschichte der Beiden zu Barca-Zeiten ausgerollt. Eine so unterschiedliche Entwicklung sollen sie genommen haben. Na ja, in einem sind beide sich noch sehr ähnlich: Sie sind beide auf irgendeine Art und Weise so wunderbar krumme Vögel und so stromlinienförmig wie ein 20 Tonnen schwerer Betonklotz. Jose Mourinho zum Beispiel enthüllte noch vor dem Spiel seine ganz spezielle Taktik. Sollte Angel Di Maria die Seitenlinie entlang stürmen, könne es schon sein, dass er mal seinen Fuß reinhält. "Haben Sie das Tackling gesehen, dass ich beim Charity Kick gegen Olly Murs gemacht habe? Wenn ich am Sonntag dazu die Chance bekomme, würde ich es wieder tun", sagte er, grinste und ließ die Journalisten mit einem gezwungenen Lächeln zurück. Das würde er nicht machen, dachte sich der ein oder andere, und schaute erneut ins Gesicht des Portugiesen. Oh, oder etwa doch? "Wenn ich Di Maria vor mir dribbeln sehe...BOOM", fügte Mou hinzu. Stadion bei besagten Charity Kick wie gegen Chelsea: das Old Trafford. Schiedsrichter damals wie heute: Phil Dowd.
Aber mit "Mind Games" braucht Mourinho ja gegen den Experten auf diesem Gebiet (siehe Foto) ja gar nicht erst anzufangen. Dazu ist the Iron Tulip schon zu lange im Geschäft. Alles gesehen, König von Äüropa gewesen und sowieso: Ein 1:1 in letzter Sekunde juckt den General dann zwar schon noch, aber nur kurz. Statt mit freiem Oberkörper durch die Mixed Zone zu tanzen, konnte sich King Louis auf der Pressekonferenz schon wieder über den Matchwinner Robin van Persie aufregen: "Sein Torjubel war einfach nur dumm." Man könne sich ja freuen, aber man muss um Himmels willen nicht sein Trikot ausziehen. Denn dann bekomme man Gelb und das sei nicht so "schmart", niederländerte van Gaal.
Trikottausch des Spieltags: Es wird eventuell noch ein bisschen dauern bis Mario Balotelli zum Liebling der Massen an der Anfield Road wird. Denn aktuell wird man das Gefühl nicht los, dass der Italiener mit saftigem Anlauf von einem ins nächste Fettnäpfchen arschbombt. Während er in der letzten Woche noch aus kürzester Distanz versagte, tauschte er in der Champions League unter der Woche nach einem fürchterlichen Auftritt in der ersten Halbzeit schon zur Pause mit Reals Pepe sein Trikot. Beschimpfungen gegen gegnerische Spieler, kein Ding, das sieht der ein oder andere Fan sogar recht gerne. Aber beim besten Willen kannst du nicht das Trikot mit deinem Gegner tauschen - zur Halbzeit! Ob Rodgers die Aktion zeitnah mitbekam oder nicht, Balotelli blieb in der Kabine. Deshalb ließ sich der englische Wettanbieter "Paddy Power" vor dem Heimspiel gegen Hull City etwas Besonderes einfallen. Liverpool-Fans bekamen an einem Stand die Chance, ihre Balotelli-Trikots gegen Jerseys von Klub-Legenden Robbie Fowler oder Ian Rush einzutauschen. Armer Mario...
Anything else: Das mit den Trainerentlassungen ist ja so ein Ding. Meistens ist sich die Klubführung schon bei Spielschluss über eine Entlassung einig, vor der Kamera wird aber meistens trotzdem groß rumgeschwurbelt und kilometerweit um den lauwarmen Brei geredet. "Ja, hm, Sitzung, hm, Vertrauen, hm, leitet das Training, hm, blub, blub, blub." Stets ein und dieselbe Chose. Einen neuen und innovativen Weg ging deshalb Leeds United. Nach Spielschluss twitterten die Peacocks ein Statement des Trainers. Milanic sei brutal "confident", dass er aus der Krise komme, stand dort geschrieben. "Trotz der schlechten Ergebnisse haben wir guten Fußball gespielt", so der Coach. Nur eine Stunde später (!) zwitscherte der Klub dann allerdings folgendes: "BREAKING: Leeds bestätigt, dass Darko Milanic nicht länger Trainer des Klubs ist." Na ja, überzeugt ist Milanic ja vielleicht immer noch...
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Primera Division: Clasico, Clasico, Clasico
Primera Division
Von Frank Oschwald
Irrsinn des Spieltags: Eigentlich hatten wir uns überlegt, den Clasico hier komplett unter den Tisch fallen zu lassen. Ist doch eigentlich sowieso nur ein hochsterilisiertes Medienspektakel, das von abstrusen Anekdoten und an den Haaren herbeigezogenen Geschichten lebt. Wir konzentrieren uns deshalb viel lieber auf die Wurzeln der Blitzlichter, dachten wir uns: Das sind hochsterilisierte Medienspektakel mit abstrusen Anekdoten und an den Haaren herbeigezogenen Geschichten und tischen deshalb ein Clasico-Spezial auf. Allerdings fernab vom Ergebnis, neymarschen Hackentricks oder suarezschen Eiergrabschern.
Denn eigentlich ging der ganze Clasico-Irrsinn schon vor der Partie los. Dass der spanische Sportjournalismus vorsichtig ausgedrückt "anders" ist als der deutsche, ist inzwischen ja hinlänglich bekannt. Aber zur Clasico-Zeit fahren die Spanier mit Geschichten auf, bei denen du hierzulande nach jeder Themensitzung kopfüber in der Redaktionstoilette landen würdest, während andere Redakteure dein Käsebrot und dein Vespergeld klauen würden. Die "AS" zum Beispiel geilte sich an dem Fakt auf, dass Messi ja den Uralt-Rekord von Telmo Zarra von 251. Liga-Toren ausgerechnet im Clasico knacken könnte. Deshalb nahm man alle 251 Ligatore unter die Lupe und pickte die 23 heraus, bei denen man sich - auch aufgrund der fehlenden Torlinientechnik in den 40er Jahren - gar nicht sicher ist, ob Zarra die Bude überhaupt erzielt hat. Man zog sämtliche Printquellen heran und kam unter anderem beim 1:3 am 2. November 1941, beim 10:0 am 11. Januar 1942 und beim 5:2 am 5. November 1944 zum Schluss, dass es gar nicht seine Tore waren. Fußballexperten hätten das sowieso gewusst. Mensch, wisst ihr noch, damals...im November 1941.
marcaDie "Marca" hingegen ist fortschrittlicher, wenngleich ähnlich sinnfrei unterwegs. Diese stellten vor dem Spiel ein Video online, in dem erklärt wurde, welcher Spieler welches Schuhmodell im Clasico trägt. Unter anderem lernte man folgende kranke Fakten: Casillas und Bravo tragen das gleiche Modell, Benzema trägt den gewagtesten und James den leichtesten Schuh von allen Spielern. Ob auch alte Computer die Farbpalette des Videos darstellen können, wurde nicht getestet. Für sämtliche Kreisliga-Spieler allerdings ein Bild des Grauens.
Geistliche des Spieltags: Gelbe, rosa oder blaue Schuhe? Alles zu viel für Nonne Lucia Caram. Für sie zählt das Spiel. Alles drumherum ist Quatsch. Sie ist bekennende Barca-Anhängerin und mit fast 150.000 Followern landesweit bekannt. Und Follower ist hier kein neuer Anglizismus für religiöse Anhänger, sondern tatsächliche Twitter-User. Die gute Nonne Lucia twittert nämlich in aller Regelmäßigkeit fröhlich vor sich hin.
Aber was könnte eine Nonne während dem Spiel so verzapfen? "Ach, das ist aber doof, dass der nicht ins Tor gegangen ist"? "Vorwärts Barca"? oder "Hui, das war knapp"? So ähnlich. Schwester Lucia twitterte vielmehr: "Der Schiedsrichter ist ein Betrüger. Wir spielen gegen zwölf Mann", "Der Schiedsrichter ist gekauft. Er hat Real einen Elfmeter geschenkt" und "Cristiano hätte Rot verdient". Wie oft ist doch zu hören, dass Menschen aufgrund eines unbedachten Posts ihren Arbeitsplatz verlieren. Drücken wir Schwester Lucia beide Daumen, dass ihr Chef das nicht gesehen hat. Nur wenige Minuten nach Spielende schaltete Lucia wieder auf den Nonnen-Modus um und forderte ihre Follower auf, Geld gegen Kinderarmut zu spenden.
Algo mas? Das Real-Hausblatt "Marca" wollte am Tag des Spiels auf der Titelseite mal wieder richtig spektakulär rüberkommen. Deshalb inszenierte man Ronaldo und Messi auf der pompösen Straße vor dem Bernabeu als King-Kong-ähnliche Monster, die den Verkehr aufhalten und Hubschraubereinsätze verursachen. Im Vordergrund ist ein Mann zu sehen, der von beiden wilden Kreaturen flieht. Scharfsinnige Internet-User fanden allerdings heraus, dass die "Marca" den flüchtenden Mann aus einer Szenerie vom 11. September herausgeschnitten hat. Clasico und Medienspektakel hin oder her. Aber bei aller Liebe, verehrte "Marca"-Redakteure, etwas mehr Fingerspitzengefühl.
Serie A: Geographische Erbsenzählerei und der unbekannte Fernando
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