"Es war ein langer Weg bis zu diesem Punkt und ich verstehe auch die Kritiker. Wir waren immer entschlossen, dass die Wahrheit ans Licht kommen muss", sagte FIFA-Präsident Joseph S. Blatter und machte direkt klar: "Der Report ist Vergangenheit und ich blicke in die Zukunft. Wir werden die Entscheidung für Russland und Katar nicht überdenken."
Dem Wüstenemirat stellte die FIFA laut Welt aber ein Ultimatum zur Verbesserung der Menschenrechte, bis zum 15. März müsse eine unabhängige Prüfungskommission eingerichtet werden. Aber: "Es bräuchte ein Erdbeben, wirkliche neue Erkenntnisse. Es gibt im Moment absolut keinen Grund, unsere Entscheidung für Katar zu überdenken", sagte Blatter.
Öffentlich geworden war bislang nur die stark verkürzte und weltweit kritisierte Auswertung des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert (München). Welche Abschnitte in der Arbeit des am Mittwoch mit einem Paukenschlag zurückgetretenen Chefermittlers Michael Garcia (USA) vor allem des Zeugenschutzes wegen "geschwärzt" werden müssen, soll in den kommenden Wochen die schwer in die Kritik geratene Ethikkommission entscheiden. Blatter sprach von einer "angemessen Form wenn die laufenden Ermittlungen gegen Einzelpersonen abgeschlossen sind".
Nicht viel zu finden
Viel zu finden ist für die Kritiker aber offenbar nicht. Auch der von Domenico Scala, Vorsitzender der Audit- und Compliance-Kommission, beauftragte Sportrechts-Experte Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule in Köln fand in Garcias Arbeit nicht die erforderliche "Kausalität, um eine Pflicht der Mitglieder des FIFA-Exkos zum Widerruf der Beschlüsse vom 2. Dezember 2010 entstehen zu lassen". Die "bislang festgestellten Unregelmäßigkeiten" würden nicht das "Ausmaß erreichen, das geeignet ist, die fraglichen Vergabeverfahren (...) gesetzes- oder statutenwidrig zu qualifizieren". Zu dem Schluss war auch Eckert gekommen.
Der Ruf nach der Veröffentlichung des Reports war im Zuge der tiefen Glaubwürdigkeitskrise des mächtigsten Sportverbandes immer lauter geworden. Selbst Garcia hatte sich dafür stark gemacht, Widerstand gab es hinter vorgehaltener Hand aber bis zuletzt von den Funktionären, die von Garcia vermeintlich hart angegangen werden. Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach forderte zuletzt vehement einen "Schlussstrich" unter das Chaos, das den Weltfußball seit Monaten belastet.
Für Eckert, der weiterhin der rechtsprechenden Kammer vorsitzt, ist die Aufgabe der Veröffentlichung eine Chance zur Wiedergutmachung. Skepsis gibt es dennoch. Eckert müsse nun entscheiden, "was veröffentlicht werden darf oder nicht. Und ich fürchte, dass die Dinge, die viele Leute interessieren, nicht veröffentlicht werden", sagte Ligaverbands-Präsident Reinhard Rauball bei "Sky Sport News HD".
Eckert hatte auch FIFA-Präsident Blatter in höchsten Tönen gelobt, was Garcia endgültig auf die Palme brachte. Der Einspruch des "Mafia-Jägers" aus den Staaten wurde anschließend abgeschmettert - Garcia zog die Konsequenzen und schmiss hin. Der Tiefpunkt war erreicht, das FIFA-Exko berief den bisherigen Stellvertreter Cornel Borbely (Schweiz) zum Interims-Chefermittler.
Erster Schritt aus der Glaubwürdigkeitskrise
Mit der Veröffentlichung geht der schwer angeschlagene Weltverband zumindest einen ersten Schritt aus der tiefen Glaubwürdigkeitskrise. Ob es doch noch Konsequenzen für die WM-Gastgeber geben wird, ist höchst unwahrscheinlich. Schon beim kleinsten Versuch der FIFA, in Zukunft über eine Neuvergabe nachzudenken, werden sich Russland und Katar mit aller Macht wehren.
Allerdings werden auch mit dem Garcia-Report in der Öffentlichkeit die Spekulationen und Anschuldigungen - speziell gegen das katarische WM-Organisationskomitee - munter weitergehen. Der Handlungsspielraum der Ethikkommission war von Anfang an begrenzt, die Untersuchungskammer hatte keine strafrechtliche Handhabe. Vor allem die britische Presse publiziert zudem in fast regelmäßigen Abständen "geleakte" Dokumente, die einen Korruptionsskandal nahelegen. Bewiesen ist davon nichts.