Wie ein Schlag traf der Zwangsabstieg der Glasgow Rangers 2012 die Fußballwelt. Ein Verein, der nicht nur national Kult war und für Tradition, Begeisterung und Erfolg stand, verschwand urplötzlich von der Fußballbühne. 54 Meistertitel, 60 Pokalsiege, Europapokal-Gewinner - die Rangers hatten den Glanz alter und junger Tage selbst verzockt: Unglaubliche 166 Millionen Euro betrug der Schuldenstand des schottischen Rekordmeisters zu diesem Zeitpunkt.
Der Verein war nicht in der Lage, Steuernachzahlungen von rund 58 Millionen Euro zu tätigen, sodass die restlichen Klubs der Liga einen Ausschluss-Antrag stellten. Der Verband kam der Forderung nach, Glasgow musste den Gang in die vierte Liga antreten.
Doch anstelle des großen Auseinanderbrechens demonstrierte der Traditionsklub Zusammenhalt: Einige Spieler blieben, mit Ally McCoist besetzte eine Vereinslegende den Trainerposten und die Fans standen ihrer großen Liebe mit aller Treue bei, vielleicht stärker als je zuvor. 49.118 Zuschauer kamen zum ersten Viertliga-Heimspiel - ein beispielloser Rekord und eine Demonstration des Rückhalts in den Reihen der Anhänger, von denen im Laufe der Saison durchschnittlich mehr als 45.000 den Weg ins Ibrox Stadium fanden.
Der teure Durchmarsch
Wenig verwunderlich ist es daher, dass die Light Blues ohne Mühen durch die Ligen vier und drei marschierten. In der letzten Saison gelang der Aufstieg in die Championship, Schottlands zweiter Liga, mit überragenden 39 Punkten Vorsprung. "Das war leicht mit den hochbezahlten und erfahrenen Profis, die sie im Kader hatten. Diese Spieler verdienten in einigen Fällen 5000 Pfund die Woche, im Vergleich dazu verdienten die meisten anderen Spieler 50 Pfund", erklärte der schottische Fußball-Experte Graham Lindsey kürzlich der "Bild".
Die Rangers stürmen also zurück in Richtung des schottischen Fußballthrons. Auch in diesem Jahr scheint der nächste Aufstieg nur Formsache zu sein, wenngleich dieser bei aktuell 13 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Heart of Midlothian wohl über die Relegation führen muss.
Doch bei allem sportlichen Aufwind birgt die aktuelle Lage bei den Rangers erneut viel Brisanz: Hohe Gehaltszahlungen bei geringem Umsatz - ein Grund dafür, dass der Verein auch 2015 wieder akute Finanzprobleme hat. Mehr als acht Millionen Pfund neuen Verlust wies der Klub 2014 aus - Geld, das dringlich gebraucht wird, um ein neuerliches Fiasko abzuwenden: "Die finanziellen Probleme sind sehr ernst. Die Rangers müssen bis zum 1. April 8,3 Millionen Pfund besorgen, um eine weitere Insolvenz zu vermeiden", so Lindsay. Die Glasgow Rangers erleben dieser Tage ein Deja-vu der schlimmsten Sorte.
Trainer gibt auf
Hinzu kommt, dass Trainer Ally McCoist im Dezember hinschmiss. Nach zwei erfolgreichen Jahren sah sich der 52-Jährige nicht mehr in der Lage, die Rangers voranzubringen. Die Verantwortung wurde an Co-Trainer Kenny McDowell weitergereicht, der das Team vorerst bis zum Saisonende betreut.
McCoists Weggang wird zwiegespalten betrachtet: Während manch Verantwortlicher froh über neue Impulse ist, wird die Resignation des Trainers, der aus freiwilligen Stücken zurücktrat, vielerorts als Zeichen der zunehmenden Uneinigkeit im Verein gedeutet.
In der Tat mehren sich die Anzeichen, dass Streitereien unter den Teilhabern des an der Börse notierten Klubs gefährliche Konsequenzen haben könnten. Finanzielle Stabilität ist seit längerem nicht mehr gewährleistet.
Verlust des treusten Rückhalts
Über all das sehen auch die Fans nicht mehr wortlos hinweg: Der Zuschauerschnitt ist in den letzten Monaten deutlich gesunken, zuletzt kam es gar zum Eklat auf der Mitgliederversammlung, als sämtliche Vereinsobere gnadenlos ausgebuht wurden.
David Somers, Vorstandsvorsitzender des Rangers Football Club, erfuhr am eigenen Leib, wie der Verein immer mehr zum Politikum wird: Viele der zahlreich vertretenen Anteilseigener forderten vehement seinen Rücktritt, kaum einer hörte ihm bei seinen Ausführungen überhaupt zu. Am Ende konnte sich der Chef glücklich schätzen, mit 61 Prozent doch noch die erforderliche Mehrheit der Stimmen zur Wiederwahl erhalten zu haben.
Volle zwei Stunden protestierten Fans und Mitglieder - die Versammlung endete im Chaos. Die heftigsten Unmutsbekundungen rief eine Somers-Aussage hervor, mit der er genervt versuchte, seine Arbeit zu rechtfertigen: "Wenn du Vorsitzender der Rangers bist, kannst du es so regeln, wie du willst."
Es waren die Worte eines verzweifelten Klubbosses, dessen einziges Bestreben es aktuell ist, den Verein auch bis ins nächste Jahr am Leben zu erhalten. Die Glasgow Rangers sind längst keine selbständige Größe mehr, sondern vielmehr ein abhängiges, handelbares Objekt.
Ablehnung der Investor-Übernahme
Dabei hatte der Verein in den letzten Monaten mehrfach die Möglichkeit, sich durch eine Investoren-Übernahme finanziell wieder auf solide Beine zu stellen. Gerade erst am Montag legte Robert Sarver, Eigentümer des NBA-Teams Phoenix Suns, ein verbessertes Übernahmeangebot von 20 Millionen Pfund (ca. 25,6 Millionen Euro) vor.
Die Rangers lehnten ab und begründeten die Entscheidung mit der Sorge, nicht genug Rückhalt unter den Anteilseignern zu erhalten: "Eine solche Übernahme erfordert die Neuvergabe von 100 Millionen Klubanteilen zu je 20 Pence. Wir glauben nicht, dass die Aktionäre dem zustimmen würden", hieß es in einer offiziellen Stellungnahme.
"Ich bin enttäuscht, dass das Präsidium mein verbessertes Angebot abgelehnt hat. Es hätte dem Klub unmittelbar und langfristig geholfen", so Sarver gegenüber "BBC". Schon Anfang des Monats hatten die Rangers ein Sarver-Angebot über 18 Millionen Pfund ausgeschlagen, da ihnen der Betrag zu gering erschienen war.
Abhängigkeit von Mike Ashley
Eine mögliche Lösung der bestehenden Probleme ist durchaus kompliziert. Denn hinzu kommen Schwierigkeiten mit Mike Ashley. Die Rangers schulden dem Besitzer von Newcastle United drei Millionen Pfund, die der Geschäftsmann ihnen in der Not gewährte. Im Gegenzug installierte er mit seinem Mitarbeiter Derek Llambias aber einen neuen Geschäftsführer in Glasgow.
Die Situation ist also ohnehin verzwickt: Ashley hat durch Llambias indirekt Verfügung über den Klub und könnte Rettungsversuchen anderer Investoren - wie Sarver - einen Riegel vorschieben. Womöglich war es sogar sein Verdienst, dass die Angebote aus den USA ausgeschlagen wurden.
Am liebsten würde Ashley wohl noch stärker in den Klub investieren und ihn mit der Zeit selbst übernehmen. Das verbietet der schottische Fußball-Verband (SFA) jedoch: Ihm ist es nicht erlaubt, gleichzeitig Besitzer von zwei Klubs zu sein - es gibt eine Vereinbarung, dass er nicht mehr als zehn Prozent (aktuell neun) der Klubanteile kauft.
"Niemand weiß, was Ashley genau vorhat. Er hält aber die Zügel darüber in der Hand, was möglicherweise passieren wird", erklärte Hugh MacDonald vom schottischen "Herald" der "Bild". Ein Ende der Verunsicherung ist offenbar noch lange nicht in Sicht, wenngleich es in dieser Woche ein klärendes Gespräch mit der SFA geben soll, um die undurchsichtigen Strukturen offenzulegen.
Money makes the world go round
"Money makes the world go round", Geld regiert die Welt. war daher das Motto der letzten Monate. Doch auch die Spendenaktionen, mit denen die Rangers versucht hatten, 2014 Gelder zu generieren, brachten nicht annähernd die Summen ein, die sich Somers erhofft hatte.
Auf der Mitgliederversammlung wurde daher der Beschluss gefasst, eine Umstrukturierung der Vereinsaktien vorzunehmen. Die momentan fehlenden Summen sollen durch weitere Verkäufe von Klubanteilen erzielt werden.
Gebrauch davon gemacht hat unlängst auch Felix Magath. Der Ex-Bundesliga-Trainer soll laut übereinstimmenden Medienberichten ein Prozent des Vereins gekauft haben. Seither ist über eine Anstellung Magaths bei den Rangers spekuliert worden. Zwar komme eine Nachfolge McCoists auf der Trainerbank nicht infrage, jedoch soll der in Fulham geschasste Trainer ein Auge auf den Posten des Technischen Direktors geworfen haben.
Magath sagte anschließend aus, dass der Kauf nichts Besonderes gewesen sei: "Ich kaufe seit mehr als 30 Jahren Aktien und bin deshalb immer an irgendwelchen Unternehmen beteiligt."
Spekulationen über die Stelle des Technischen Direktors wollte er aber weder bestätigen noch dementieren: "Ich war in der vergangenen Woche in Glasgow, das stimmt. Welche Schlüsse Sie daraus ziehen wollen, bleibt Ihnen überlassen", sagte er im Interview mit dem "Hamburger Abendblatt".
Eine ungewisse Zukunft
Bei den Glasgow Rangers tut sich also mal wieder einiges - ein Umstand, der aktuell nicht unbedingt positiv zu bewerten ist. Betrachtet man nur den Sport, so hat der Klub weiterhin alle Möglichkeiten, im nächsten Jahr wieder erstklassig zu spielen und den zuletzt schmerzlich vermissten Zweikampf mit Erzrivale Celtic wieder aufzunehmen.
Große Geschichte bedeutet hohe Ansprüche und so gibt es natürlich auch reichlich Pläne und Träume. Vorher steht aber weiterhin ein harter Kampf mit den Finanzen an.
Ob und wann man im Ibrox wieder sorgenfrei arbeiten kann, weiß aktuell niemand: "Die Zukunft der Rangers ist völlig ungewiss, egal, was in nächster Zeit passiert. Das Team ist nicht so gut, die Finanzen sind eine Katastrophe und die Fans werden immer desillusionierter", befindet Hugh MacDonald.
Die Rangers bleiben vorerst in einem Dilemma gefangen. Ein zweiter Absturz oder gar Schlimmeres ist nicht auszuschließen.
Die Glasgow Rangers in der Übersicht