Michel Platini war Zeit seines Lebens ein Anführer. Als geniale Nummer 10 wusste er immer, durch welche Lücke ein Pass zu spielen, wie ein Dribbling zu beenden, ein Freistoß zu schießen ist. Wann man das Tempo herausnehmen kann - und wann es Zeit wird für das Rampenlicht.
Am Mittwoch war wieder solch ein Moment für den großen Auftritt. Ein Moment, wie Platini den 209 Mitgliedsverbänden der FIFA schrieb, "in dem man sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss". Ein Moment für Spielmacher. Für Strippenzieher. Michel Platini, 60, verkündete, dass er der mächtigste Mann im Weltfußball werden will.
Auch wenn sein Ziel auf dem Feld immer das Tor war - der UEFA-Präsident hält bis heute den Passgeber für wichtiger als den Vollstrecker. "Der Pass ist die kostbarste Geste, die der Fußball zu bieten hat", schrieb er in seinem Buch "Reden wir über Fußball". "Die Ballkontrolle ist reine Technik; der Pass ist Technik gepaart mit Intelligenz."
Größer als Zidane?
Mit dieser Überzeugung wurde der Junge aus dem lothringischen Joeuf zum besten Mittelfeld-Dirigenten seiner Zeit. Seine Freistöße waren gefürchtet, seine Dribblings ebenso. Platini, 1983, 1984 und 1985 Europas Fußballer des Jahres, wurde beim Gewinn der Europameisterschaft 1984 Torschützenkönig mit neun Treffern. Selbst ein Zinédine Zidane hatte diese Zielstrebigkeit nicht.
Es gibt da noch die Anekdote, dass der Weltstar, dessen erster Trainingspartner das Garagentor des elterlichen Hauses war, als Jugendspieler vom FC Metz abgewiesen wurde, weil er laut ärztlichem Befund "zu schmächtig" war. Platini unterschrieb in Nancy, wechselte später nach St. Etienne und dann zu Juventus Turin.
Einen Sieg in seiner Karriere würde Platini am liebsten ungeschehen machen: Den Gewinn des Europapokals von Juventus gegen Liverpool 1985 im Brüsseler Heysel-Stadion, bei dem 39 Menschen ums Leben kamen. Platini verwandelte den Elfmeter zum entscheidenden 1:0. "Über das Ausmaß hatte man uns Spielern nichts gesagt. Man hat uns aufgefordert, zu spielen, um die Zuschauer im Stadion zu halten, damit sie die Rettungswege nicht blockieren. Ich habe das Stadion seitdem nie wieder betreten."
Als Trainer ungeeignet
Die Niederlage im WM-Halbfinale 1982 in Sevilla gegen Deutschland, als es zu dem Zwischenfall zwischen Torhüter Toni Schumacher und Patrick Battiston kam, als Frankreich schon 3:1 führte und dann im Elfmeterschießen verlor, hat Platini bis heute nicht überwunden: "Wir waren besser und hätten auch das Finale gegen Italien gewonnen. Aber Sevilla war auch ein Sieg, weil es uns gelehrt hat, in Würde zu verlieren."
Platini blieb auch nach seinem Karriereende Dirigent, er wurde 1988 mit 33 Teamchef der Nationalmannschaft. In der Qualifikation zur EM 1992 gewann seine Equipe alle Spiele, scheiterte in Schweden aber kläglich. Platini zog die Konsequenz: "Qualifikationsspiele kannst du als Trainer wie ein Überfallkommando organisieren, aber bei einem Turnier, das wochenlang dauert, sind andere Qualitäten gefragt. Die hatte ich nicht."Die Fähigkeit, ein Team über einen längeren Zeitraum zu motivieren, hat er sich in seiner politischen Karriere angeeignet. Zunächst war er Co-Präsident des Organisationskomitees der WM 1998, dann unterstützte er Joseph S. Blatter - heute sein erbitterter Gegner - bei dessen Wahl zum FIFA-Präsidenten. Gegenkandidat war der Schwede Lennart Johansson, den Platini 2007 in Düsseldorf vom UEFA-Thron stieß.
Platini siegessicher
Im Frühjahr wurde Platini für eine dritte Amtszeit gewählt, seine Zwischenbilanz fällt aber nicht nur positiv aus. Die Ausweitung der EM auf 24 Teilnehmer wird kritisiert, das Verfahren des Financial Fair Play ist umstritten. Dass er bei der WM-Vergabe 2022 für Katar stimmte, hat sein Image angekratzt - obwohl er der Einzige ist, der aus seinem Votum kein Geheimnis macht.
Der Mann, der Niederlagen hasst, tritt nun an, FIFA-Präsident zu werden, den absurden Joseph S. Blatter zu beerben. Es spricht viel dafür, dass Michel Platini siegessicher ist.