In der Politik wurde erstmals die Forderung nach einem Rücktritt Niersbachs laut, und selbst der skandalumtoste Weltverband FIFA erlaubte sich eine Aufforderung an den DFB zur Unterstützung seiner eigenen Ermittlungen zu ominösen Finanztransaktionen bei der Organisation der WM 2006 in Deutschland.
Im Bundestags-Sportausschuss nimmt Öczan Mutlu von Bündnis 90/Die Grünen inzwischen Niersbach nach den beinahe täglich neuen Gerüchten und Spekulationen um Millionen-Schiebereien in die Verantwortung. "Wenn er nicht in der Lage ist, aufzuklären und die vielen Fragen zu beantworten, dann verhärtet sich der Verdacht, dass geschmiert wurde, dass es schwarze Kassen gab. Schlimmer geht es nicht! Der DFB muss sich dann fragen, ob so ein Präsident noch tragbar ist. Dann würde ich sagen: Herr Niersbach, machen Sie den Weg frei", sagte der Oppositionspolitiker dem SID.
Kurz vor Ablauf der Frist für den selbsternannten "Kronzeugen" Theo Zwanziger zur Unterzeichnung einer vom früheren WM-Botschafter Günter Netzer geforderten Unterlassungserklärung (Freitag 14 Uhr) kündigte Mutlu außerdem an, neben Niersbach und den beiden Streithähnen auch WM-Chef Franz Beckenbauer zu Erläuterungen in den Sportausschuss einzuladen. "Wir hoffen", sagte Mutlu, "dass sie kommen und den Aufklärungswillen mit uns teilen."
Mutlu fordert Justiz
Zur schnelleren Ausleuchtung der Hintergründe forderte Mutlu außerdem staatsanwaltliche Ermittlungen. Sein weiterer Wunsch nach einer Reaktion des für Sport zuständigen Bundesinnenministers Thomas de Maizière blieb jedenfalls auch am Freitag unerfüllt. Die Behörde teilte auf SID-Anfrage mit, eine Stellungnahme des Ministers könne nicht übermittelt werden.
In der weiter verworrenen Situation um eine Millionen-Zahlung des WM-OK an die FIFA erwartet auch der Weltverband Antworten aus Frankfurt. "Die jüngsten Vorwürfe im Zusammenhang mit dem DFB, dem deutschen Organisationskomitee und der FIFA-Finanzkommission werden jetzt als Teil der unabhängigen Überprüfung der FIFA mit Hilfe ihrer externen Anwälte untersucht. Die FIFA hat den DFB formal gebeten, die Ermittlungen zu unterstützen", hieß es auf SID-Anfrage aus Zürich.
Mutlu machte drei Tage nach Niersbachs Absage für die angebotene Befragung im Sportausschuss keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über die Entscheidung des DFB-Präsidenten: "Er ist selbst schuld, wenn er die Chance nicht nutzt, im Bundestag Rede und Antwort zu stehen. Da sind auch Steuergelder investiert worden. Deshalb haben wir ein Recht auf Aufklärung und die Pflicht, dem nachzugehen." Niersbach hatte mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen im Verband durch externe Prüfer auf eine Reise nach Berlin zur nächsten Sitzung von Mutlus Gremium verzichtet.
"Es ist pechschwarz geworden"
Auch deswegen sind für den 47-Jährigen offizielle Ermittlungen alternativlos: "Ich wünsche mir, dass die Staatsanwaltschaft baldigst Untersuchungen aufnimmt und die Ermittlungen aufnimmt, denn wenn der Sport nicht von alleine in der Lage ist, das aufzuklären, wenn Schwarzgeldkonten vorhanden sind, muss die Staatsanwaltschaft ans Werk", sagte Mutlu dem ZDF-Morgenmagazin. Je mehr die Beteiligten wie der damalige WM-OK-Chef Franz Beckenbauer redeten, desto dubioser werde das Ganze: "Deshalb stinkt die Sache ganz schön mächtig.
Zumal Mutlu keinerlei Aufklärungsfortschritte erkennt: "Ich bin sehr enttäuscht. Innerhalb der letzten 14 Tage haben wir nicht mehr Licht ins Dunkel bekommen, sondern ist es pechschwarz geworden."