Er erzielte 32 Bundesliga-Tore in knapp 100 Spielen für den VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach und den Karlsruher SC. Er war maßgeblich am Durchmarsch von 1899 Hoffenheim in die Bundesliga beteiligt. Seit Januar 2015 ist Tomislav Maric Trainer in der Slowakei und sorgt mit einem Klub, der in der ungarischen Autonomie zu Hause ist, für Furore. Maric über das Hoffenheim der Slowakei, die Einflüsse Ralf Rangnicks und seine Rolle als Entwicklungshelfer.
SPOX: Herr Maric, Sie haben einst in Japan für Urawa gespielt und sammelten bei der Vorstellung gleich große Sympathiepunkte, als Sie die Menschen auf Japanisch begrüßten. In welcher Sprache waren Ihre ersten Worte in Dunajska Streda: Ungarisch oder Slowakisch?
Tomislav Maric: Ich begrüße die Leute hier in erster Linie auf Slowakisch. Aber ich kann die Frage natürlich nachvollziehen: Die Gegend wird mehrheitlich von Ungarn bewohnt, sodass ich auch auf Ungarisch grüße. Ich versuche wie in Japan auf die Menschen und Ihre Mentalität zuzugehen, sie zu verstehen und mich anzupassen. Das ist für mich eine Frage des Respekts, ich bin hier Gast.
SPOX: Sie haben es angesprochen: Dunajska Streda ist das Zentrum der ungarischen Minderheit in der Slowakei. Wie kann man sich das im Alltag vorstellen?
Maric: Ich habe keine Vergleichsmöglichkeit mit dem Leben in anderen slowakischen Städten, aber es ist ziemlich normal. Der Unterschied zu Kosice oder Bratislava ist, dass hier auch Ungarisch gesprochen wird. Es ist aber nicht so, dass wir isoliert sind.
SPOX: Ist die Amtssprache des Klubs demnach Ungarisch oder Slowakisch?
Maric: Das ist unterschiedlich. Viele Mitarbeiter und viele Spieler sind Slowaken. Zudem sind da noch unsere Legionäre, die nur Englisch sprechen. Unsere Ungarn reden dann auch mal in ihrer Sprache. Das ist normal. Das ist ja in Deutschland auch nicht anders: Da ist die Amtssprache zwar Deutsch, aber treffen sich zwei Kroaten oder zwei Türken, reden sie auch nicht immer Deutsch.
SPOX: Sie sind ein Kroate, der in Deutschland geboren wurde. Wie kommt ein slowakischer Klub mit ungarischen Einflüssen ausgerechnet auf Sie?
Maric: Ich war zu der Zeit, als das Angebot kam, beim VfB Stuttgart angestellt. Ich war Co-Trainer von Thomas Schneider, arbeitete als Scout und war in der Gegneranalyse tätig. Dazu hatte ich Aufgaben im Jugendbereich. Ich habe also alles mitgemacht, aber dennoch war für mich klar, dass ich irgendwann einen Cheftrainer-Posten bekleiden möchte. Klubbesitzer Dr. Oszkár Világi hat einen jungen Trainer gesucht, der aber in verschiedenen Bereichen schon eine gewisse Erfahrung hat.
SPOX: Alle Bereiche, die Sie beim VfB begleitet haben. Sie waren so etwas wie der perfekte Kandidat.
Maric: Richtig. Also bekam ich eine Einladung, ich habe ihm mein Konzept vorgestellt, dargelegt, wie ich arbeiten will. Er hat aufgezeigt, wie das Konzept des Klubs aussieht und wo man letztlich hinmöchte. Mir war bewusst, dass da sehr viel Arbeit dahinterstecken wird, aber genau diese Art von Herausforderung wollte ich annehmen. Und so kamen wir zusammen.
SPOX: Dunajska Streda ist nicht jedem geläufig. Wie haben Sie sich denn informiert über den potenziellen neuen Arbeitgeber?
Maric: Es ist grundsätzlich erst einmal so, dass ich mich mit jedem Thema, das auf mich zukommt, intensiv beschäftige. Das war in diesem Fall nicht anders: Ich habe nachgeforscht, was der Klub darstellt, wie die Geschichte aussieht, wohin der Weg des Vereins führen soll. Das war eine Ansammlung vieler Informationen, mit denen ich auch ins Gespräch gegangen bin. Letztlich war die Situation eigentlich wie damals, als ich von Urawa zu Hoffenheim wechselte.
SPOX: Inwiefern?
Maric: Da hat mir jeder gesagt: "Junge, das kannst du doch nicht machen! Du kannst doch nicht in die Regionalliga gehen!" Genau diese Sachen sehen im ersten Moment sicher nie einfach aus, aber sie sind reizvoll. Und das ist es, was mir gefällt.
SPOX: Hoffenheim ist ein gutes Stichwort. Dort wurde der Klub zur Blütezeit teils angefeindet, weil er von einem Mäzen unterstützt wird. In Dunajska Streda ist es genauso. Erkennen Sie Muster von damals - auch was die Außenwirkung angeht?
Maric: Sagen wir es so: Kommt da ein Verein, der gerade ein neues Stadion und eine neue Akademie baut, der einiges investiert, dann ist es doch normal, dass die anderen Klubs erst einmal ganz genau hinschauen und dass sich da eine gewisse Rivalität entwickelt. Oszkár Világi ist ein sehr intelligenter Mann: Es ist nicht so, dass er hier mit den Euros um sich schmeißt. Nein, wir wollen alles Schritt für Schritt entwickeln: Ob das jetzt in der Infrastruktur, in der Scoutingabteilung oder am Stadion ist. Überall! Wir holen nicht für teures Geld zehn neue Spieler. Wir gehen eher den anderen Weg.
SPOX: Sie haben den Klub vor einem Jahr als Abstiegskandidaten übernommen, sind mit dem Ziel Klassenerhalt in die Aufgabe gestartet. Sie haben den Klub in der Liga gehalten und mischen jetzt oben mit. Im Vordergrund scheint aber immer noch die infrastrukturelle Fortentwicklung zu stehen.
Maric: Der Verein will sich in verschiedenen Bereichen professionalisieren. Das erfordert harte Arbeit, regen Austausch und viel Kommunikation. Aber man darf nicht vergessen, dass ich hier immer noch Gast in einem fremden Land mit eigener Kultur bin. Ich kann nicht hierherkommen und sagen: "Wir müssen alles so machen wie in Deutschland!" Gewisse Sachen erfordern Fingerspitzengefühl.
SPOX: Welche Gegebenheiten haben Sie bei Ihrem Antritt vorgefunden?
Maric: Dinge, die in Deutschland völlig normal sind, mussten wir hier von der Pike neu aufbauen. Ob es im Management ist, ob es im Scouting ist, ob es die Logistik ist. Auch im medizinischen Bereich. Ein Beispiel: Als ich kam, hatten wir hier keinen Physiotherapeuten. Das wäre in Deutschland unvorstellbar! Das haben wir geändert. Wir bekommen jetzt im Februar auch zwei neue Trainingsplätze: Einen Kunstrasen, einen echten Rasen.
SPOX: Sehen Sie sich mehr als Entwicklungshelfer denn als Trainer?
Maric: Ich würde mich nicht als Entwicklungshelfer bezeichnen. Ich bin jemand, der seine Erfahrungswerte in ein Projekt investiert. Dann entsteht zum Beispiel die Idee, dass man eine Laufbahn um das Trainingsgelände baut, dass man nicht jedes Mal zum Wald laufen muss. In erster Linie bin ich aber immer noch Trainer.
SPOX: Ein noch relativ junger Trainer, der sich um alle Bereiche kümmern muss. Klingt nach einer verdammt guten Schule.
Maric: Absolut, und dafür bin ich auch sehr dankbar. Ich reife mit dem Projekt, ich sammle neue Erfahrungen. Wenn ich in Deutschland meine Cheftrainer-Laufbahn begonnen hätte, wäre ich wahrscheinlich nie mit diesen Themen konfrontiert worden.
SPOX: Wo soll es denn eines Tages hingehen? Was ist die Dunajska-Streda-Vision?
Maric: Neben der Weiterentwicklung der Mannschaft ist die Vision, eine Akademie aufzubauen, in der wir nationale und internationale Toptalente an uns binden wollen. Wir wollen sie ausbilden, wir wollen sie weiterentwickeln, wir wollen sie auf den Profifußball vorbereiten. Im Profibereich wollen wir an den Punkt kommen, an dem wir irgendwann die großen vier Klubs der Liga ärgern. Soweit sind wir aber noch nicht. Wir arbeiten aber daran.
SPOX: Sie sind auch in die Transfers involviert, Sie haben sehr gute Kontakte in die Bundesliga. Wie aussichtsreich sind die Chancen, dass Sie Ihren Kader auch mit Bundesliga-Spielern verstärken. Die Mittel wären ja da...
Kader, Spielplan, Infos: DAC 1904 Dunajska Streda im Profil
Maric: Auch das ist ein Thema, das erst einmal wachsen muss. Es ist ein schmaler Grat, Dinge anzugehen, die noch nicht soweit sind. Da denke ich sowohl an das Gehaltsgefüge aber auch an Ablösesummen. Wächst der Verein, wächst auch das Gehaltsgefüge. Dann wird vielleicht die Situation eintreten, dass wir Spieler aus der Bundesliga oder aus der 2. Liga verpflichten können. Auch hier sind wir noch nicht so weit.
SPOX: Glauben Sie, dass Sie einen Bundesliga-Spieler für die slowakische Liga begeistern können?
Maric: Wenn sich alles kontinuierlich weiterentwickelt, dann wird das hier ein sehr interessantes Pflaster für Profispieler aus Deutschland. Wenn man sich das Projekt ansieht, das Trainingszentrum und die Akademie, dann brauchen wir uns nicht verstecken.
SPOX: Die aktuelle Mannschaft hat einen relativ niedrigen Altersdurchschnitt. Entwickeln sich der junge Trainer und die junge Mannschaft im Einklang?
Maric: Wir hatten eine alte Mannschaft. Es war ein wichtiger Prozess, sie zu verjüngen. Wir haben versucht, junge Talente zu gewinnen. Bei etwas älteren Spielern - wie zum Beispiel Erik Pacinda, der schon 26 ist - haben wir gesagt, dass er uns absolut weiterbringen und die Qualität im Kader erhöhen muss, damit wir ihn verpflichten. Ein Spieler dieser Art erhöht auch die Qualität im Training.
SPOX: Transfers junger Spieler stehen im Vordergrund, Profis ab 25 werden nur verpflichtet, wenn sie versprechen, absolute Verstärkungen zu sein. Herr Maric, Sie klangen gerade wie Ralf Rangnick in Leipzig.
Maric: (lacht) Jeder, der einmal mit Ralf Rangnick zusammengearbeitet hat, wird automatisch von ihm geprägt. Er ist ein absoluter Fachmann, der eine tolle Idee vom Fußball hat. Er überlässt nichts dem Zufall. Das Wichtigste ist, dass er immer bereit ist, sich selbst zu hinterfragen und neue Einflüsse zuzulassen. Ich habe sehr viel mitgenommen aus der Zusammenarbeit mit Ralf. Aber: Ich bin Tomislav Maric, ich versuche meinen eigenen Weg zu gehen. Nur so entwickelst du dich als Trainer immer weiter.
SPOX: Ihr Potenzial als Fußball-Lehrer beschrieb erst kürzlich Vedad Ibisevic in einem Interview, als er sagte: "Am Anfang in Hoffenheim wollte ich alles perfekt machen, den Ball annehmen, erst noch zwei Leute ausdribbeln. Aber das war alles unnötig. Unser Co-Trainer Tomislav Maric, der früher selbst Stürmer gewesen war, hat zu mir gesagt: 'Das ist nicht dein Job. Lass den Ball klatschen, geh in den Sechzehner und mach' die Tore!' Das hat mir sehr geholfen." Muss runtergehen wie Öl...
Maric: Ich habe 2007/2008 als Trainer begonnen. Es ist schön zu sehen, dass Spieler, mit denen man früher zusammengearbeitet hat, ihren Weg gehen und ihre Karriere erfolgreich gestalten. Natürlich höre ich so etwas gerne, keine Frage. Es ist die Kunst des Trainer-Daseins, das zu vermitteln, was der Spieler auf dem Platz idealerweise umsetzen soll. Umso besser, wenn die Message ankommt. Dazu muss ich aber auch sagen, dass Vedo ein absoluter Ausnahmestürmer ist. Es freut mich, dass er in Berlin so erfolgreich ist.
SPOX: Wie wichtig war die Zeit in Hoffenheim für die eigene Entwicklung zum Trainer?
Maric: Ich bekam die Möglichkeit, als Standby-Profi im Trainergeschäft reinzuschnuppern. Danach war ich gemeinsam mit Peter Zeidler Co-Trainer bei Ralf Rangnick. Ich habe viele Facetten kennengelernt, die mir heute zugutekommen: ob im Scouting, ob in der Analyse. Es ist wichtig, all das mitzunehmen, denn heutzutage ist man als Trainer auch Manager. Man muss den gesamten Mitarbeiterstab führen und da ist es nicht verkehrt, wenn man sich in seinen Mitarbeiter hineinversetzen kann, weil man seinen Job schon mal gemacht hat.
SPOX: Sie haben beim VfB Stuttgart mit Thomas Schneider zusammengearbeitet, der jetzt mit Jogi Löw bei der Nationalmannschaft ist. Sie verbindet auch eine Freundschaft. Schon überlegt, Schneider mal einzuladen?
Maric: Wir haben darüber diskutiert, dass er herkommt und sich alles ansieht. Mit Thomas telefoniere ich regelmäßig, auch wenn wir beide derzeit viel zu tun haben. Er ist längst in der EM-Vorbereitung, ich hier in der Slowakei. Von daher müssen wir schauen, wann wir das auf die Beine stellen können.
SPOX: Wann sehen wir Sie in Deutschland als Trainer?
Maric: Ich habe keinen Karriereplan in der Tasche. Klar möchte ich irgendwann in Deutschland als Cheftrainer arbeiten, aber den Zeitpunkt weiß ich nicht. Ich beschäftige mich damit auch nicht. Ich bin mit voller Leidenschaft Trainer bei Dunajska Streda, das ist super spannend. Ich identifiziere mich immer zu 100 Prozent mit den Dingen, an denen ich aktuell arbeite. So war es als Spieler. Und so ist es auch als Trainer.
Tomislav Maric im Steckbrief