Die Wertschätzung für Antoine Griezmann bei Atletico Madrid könnte kaum größer sein. Ohne den quirligen Franzosen wäre der Klub nicht dort, wo er ist: in einer Liga nämlich mit dem FC Barcelona und Real Madrid.
Doch aller Anfang ist schwer, auch für einen Antoine Griezmann. Der im ostfranzösischen Macon geborene Stürmer kam im Sommer 2014 mit der Empfehlung einer starken Saison bei Real Sociedad San Sebastian und fünf WM-Einsätzen in Brasilien zu den Rojiblancos.
Die Vorzeichen auf einen erfolgreichen Start bei Atletico, das nach 18-jähriger Durststrecke gerade wieder spanischer Meister geworden war, standen mit diesem Rückenwind nicht schlecht. Doch Griezmann litt an Ladehemmung. In der Liga schien das Tor wie vernagelt.
Neun lange Spieltage mühte er sich meist vergeblich, eine Torvorlage war die karge Ausbeute.
Am 10. Spieltag platzte der Knoten endlich. Zwei Minuten vor der Halbzeit traf der Franzose gegen den FC Cordoba zum 1:0. Ein typischer Griezmann, wenn man sich die Statistiken genauer anschaut. Der Stürmer schießt erstaunlich häufig das erste Tor für sein Team.
''Ich würde alles für Simeone tun''
Nicht nur die Tore und Torvorlagen kamen mit der Zeit. Griezmanns Spiel entwickelte sich bei Atletico Madrid weiter. Vor dem Wechsel war er bei San Sebastian eher bekannt für seine schnellen, cleveren Läufe über die Außenbahnen, bei denen er am Ende den Ball in den Sechzehner brachte.
Doch Atletico hatte ihn geholt, um keinen Geringeren als Diego Costa zu ersetzen. Der bullige Stürmer war nach dem Titelgewinn zum FC Chelsea abgewandert und hatte eine große Lücke im System von Simeone hinterlassen. Ohne den Brecher Costa hatte etwa das Stilmittel des langen Balls in die Spitze mehr oder weniger ausgedient. Griezmann brachte ein völlig anderes Skillset mit als sein spanisch-brasilianischer Vorgänger.
Doch Griezmann war bereit zu lernen und Simeones Ideen aufzusaugen wie ein Schwamm. ''Ich habe keine Lieblingsposition und ich habe auf dem Feld keine Bereiche, in denen ich mich stärker fühle als in anderen. Ich habe ihm gesagt, dass ich bereit bin, alles zu tun, was er von mir will. Egal was, ich würde es tun", sagte er fast schon demütig.
''Griezmann so wichtig wie Messi''
Diego Simeone machte Griezmann keinen Druck und gab ihm stattdessen die Möglichkeit, sich frei entfalten zu können. ''Ich habe ihn immer als Spieler gesehen, der seine Freiheiten braucht", sagte Simeone rückblickend. "Er genießt es, dort zu spielen, wo er dem Gegner wehtun kann.'
"Wehtun" ist das Stichwort. Trotz der anfänglichen Durststrecke brachte es Griezmann allein in der Liga auf 22 Treffer. In dieser Spielzeit sind es nach 31 Spielen schon 19, dazu kommen vier Tore in der Champions League und drei im Pokal. Mittlerweile ist Griezmann mit seinen gerade Mal 25 Jahren das Herz des Atletico-Systems, ob als Mittelstürmer, hängende Spitze oder Außen.
Talent hat Griezmann reichlich mit in die spanische Hauptstadt gebracht. Seine hervorragende Grundtechnik, Dribbelvermögen, Schussstärke zeichneten ihn schon bei Real Sociedad aus, doch inzwischen ist er ein viel kompletterer Spieler, woran die Akribie seines Trainers schuld sei. ''Simeone arbeitet mit einer großen Strenge, Disziplin und Intensität im Training", sagte Griezmann. "Das hat mich vollkommen verändert."
Simeone selbst ist von seinem Schützling begeistert: ''Mit Antoine Griezmann bei uns ist es so wie mit Messi, Neymar und Suarez bei Barcelona oder Ronaldo bei Real Madrid. Er ist ein Spieler, der für sein Team von entscheidender Bedeutung ist.''
In Frankreich nicht gewollt
Dass der Franzose in einem Atemzug mit den besten Stürmern der Welt genannt wird, hat er sich redlich verdient, allerdings auch kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass Griezmann beinahe gar nicht entdeckt worden wäre. Als zierlicher und kleingewachsener Junior fand er in Frankreich kein Ausbildungszentrum, das an ihm interessiert gewesen wäre. Unter anderem fiel er in Lyon durch. Ein Junioren-Turnier, das er mit Montpellier bestritt, öffnete ihm schließlich die Tür zu Real Sociedad San Sebastian. Damals war er 13 Jahre alt.
Aus dem zierlichen Franzosen aus Macon ist ein gestandener Profi und ein Schwergewicht der internationalen Szene geworden. Zu einem Schwergewicht hat sich in den vergangenen Jahren auch Atletico entwickelt. 2014 schnappte man der favorisierten Konkurrenz nicht nur den Meistertitel weg, sondern schaltete Barcelona auch im Viertelfinale der Champions League aus.
Vor dem neuerlichen Duell mit Titelverteidiger Barca stapelt Simeone jedoch bewusst tief: "Sie sind nun eine andere Mannschaft. Eine Mannschaft mit mehr Optionen. Sie verteidigen Standardsituationen besser und sie sind stärker im Konter.''
Eine andere Mannschaft, mehr Optionen... das könnte dank Griezmann auch für Atletico gelten. Denn der kleine Franzose, der einst gewogen und für zu leicht befunden worden war, ist für seinen Trainer der "vollkommene Spieler".
Antoine Griezmann im Steckbrief