Carsten Jancker gehört beim SK Rapid Wien fast schon zum Inventar. Mitte der 90er Jahre noch als Stürmer bei den Grün-Weißen, ist Jancker mittlerweile Co-Trainer bei Rapid. Im SPOX-Interview spricht er über seinen Abstecher nach China, Kommunikationsprobleme in Wien, falsche Neuner und österreichische Fußball-Euphorie.
SPOX: Sie wohnen seit fast zehn Jahren in Österreich, erst im Burgenland und jetzt in Wien. Fühlen Sie sich schon als halber Österreicher?
Carsten Jancker: Das nicht, aber ich fühle mich jedenfalls sehr wohl. Da ich in den 1990er Jahren schon als Spieler für ein Jahr bei Rapid war, wusste ich was mich erwartet. Kontakt nach Deutschland habe ich nur mehr wenig; ich fahre auch nur etwa zweimal im Jahr heim.
SPOX: Ihre langfristige Zukunft sehen Sie also in Österreich?
Jancker: Das weiß man nie, aber ich habe jetzt bereits seit längerem meinen Lebensmittelpunkt hier und das bleibt auch erst einmal so. Da gibt es nichts, wo ich sage: Da muss ich unbedingt in fünf Jahren sein.
SPOX: Was sind Ihre Aufgaben hier bei Rapid?
Jancker: Mittlerweile bin ich als ganz normaler Co-Trainer angestellt. Zuvor habe ich als Individualtrainer gearbeitet, das lief über das sogenannte Project12 des ÖFB. Da war ich verantwortlich für Perspektivspieler, für die ich zusätzliche Trainingseinheiten geplant und veranstaltet habe, von der U15 hoch bis zur Reserve- und Kampfmannschaft.
SPOX: Welchen heutigen Profi haben Sie so betreut?
Jancker: Louis Schaub war zum Beispiel in diesem Projekt, ihn kenne ich also schon sehr lange.
SPOX: Der Hamburger SV hat schon einmal Interesse an Schaub gezeigt. Denken Sie er hat das Potential, sich in Deutschland durchzusetzen?
Jancker: Ich finde, dass Louis sehr, sehr gute Anlagen hat. Das hat er vor allem auch schon gegen große Mannschaften in der Europa League bewiesen. Zuletzt hatte er aber ein bisschen Pech mit seiner Verletzung, jetzt ist er langsam wieder am Zurückkommen.
Carsten Jancker 2013 im Interview: "Der Pokal hat mich verfolgt"
SPOX: Zurück zu Ihrer Karriere als Aktiver, die Sie 1995 auch als Spieler zu Rapid geführt hat. Was war damals Ihr erster Eindruck vom Verein?
Jancker: Ich hatte eine schwierige Situation in Köln, wo ich nicht mehr gefragt war. Dann bin ich hier zum Probetraining hergekommen und Wien hat mir sofort getaugt. Ich hatte auch gleich das Gefühl, dass ich Spielpraxis bekommen würde und wichtig war natürlich auch, dass Rapid international vertreten war. Dann hab ich mich recht schnell zu einem Wechsel entschieden.
SPOX: Hat der Wiener Dialekt zu Beginn für Kommunikationsprobleme gesorgt?
Jancker: Wenn die Wiener richtig im Dialekt geredet haben, war es schon schwierig. Wenn man so eine deutsche Aussprache hat wie ich wird man natürlich ab und zu von den Österreichern auf die Schippe genommen, aber das gehört dazu.
SPOX: Heute immer noch?
Jancker: Ich werde meinen deutschen Dialekt nie wegkriegen, aber ich lebe jetzt ja schon seit etwa zehn Jahren in Österreich und da nimmt man mit der Zeit schon einige Dinge an. Bei mir wird man aber wohl immer den Deutschen heraushören.
SPOX: Was macht den SK Rapid für Sie aus, was ist das Besondere am Verein?
Jancker: Die Geschichte vor allem. Rapid ist Rekordmeister, war zweimal im Europapokalfinale. Und natürlich auch die Fans, die sehr zahlreich vorhanden sind. Wenn man sich an das Europa-League-Auswärtsspiel vor ein paar Jahren in Hamburg erinnert: Da waren an einem Donnerstag auswärts 8000 Rapidler und haben für eine wahnsinnige Stimmung gesorgt. Das ist schon beeindruckend. Man kann stolz darauf sein, für diesen Verein arbeiten zu dürfen.
SPOX: Was hat sich bei Rapid in der Zeit zwischen Ihrem Abschied als Spieler und der Ankunft als Trainer verändert?
Jancker: Es wurde natürlich alles viel professioneller. Die Trainingsinfrastrukur wurde enorm verbessert und jetzt bauen wir gerade ein neues Stadion (Fertigstellung im Sommer 2016, Anm. d. Redaktion), was natürlich einen Riesenschritt bedeutet. Auch die Zuschauerzahlen sind in der Zwischenzeit stark gestiegen.
SPOX Was ist in den nächsten Jahren für Rapid möglich?
Jancker: Unser Ziel ist es, konkurrenzfähiger mit Salzburg zu werden, aber die investieren natürlich immer extrem. Wir wollen mit dem neuen Stadion im Rücken Jahr für Jahr um die Meisterschaft mitspielen. Und irgendwann auch den Titel holen.
SPOX: Durch die irrwitzigen Transfersummen rückte die chinesische Liga zuletzt in den medialen Fokus. Zum Ende Ihrer aktiven Karriere haben Sie auch dort gespielt. Wie haben Sie das Land und den Fußball in China erlebt?
Jancker: Das ist eine andere Welt. Ich habe in Shanghai gespielt, einer 20-Millionen-Metropole. Im Rückblick würde ich aber sagen: Ich weiß nicht, ob ich das nochmal machen würde. Das war keine gute Zeit für mich. Ich war dort alleine, weil ich die Familie nicht für sechs Monate aus dem gewohnten Umfeld reißen wollte. Es ging mir auch nicht darum, die Kultur kennenzulernen; ich war 32 Jahre alt und wollte noch einmal einen gutdotierten Vertrag wahrnehmen.
SPOX: Würden Sie einem Spieler heute zu einem Wechsel nach China raten?
Jancker: Das muss jeder für sich entscheiden. Anscheinend haben die dort Großes vor, aber sportlich ist das mit den europäischen Ligen natürlich nicht vergleichbar. Jetzt im Winter sind aber viele sehr gute und vor allem verhältnismäßig junge Spieler hingegangen. Sie hatten aber wahrscheinlich auch Angebote, die sie einfach nicht ausschlagen konnten.
SPOX: Sie waren ein klassischer Stoßstürmer. In den vergangenen Jahren wurde die falsche Neun immer beliebter. Denken Sie, der Stürmertyp, den Sie einst verkörperten, stirbt bald aus?
Jancker: Wenn man ein guter Spieler ist, dann spielt man - egal welche Statur man hat. Ich würde Leistung nie von Größe abhängig machen, und übrigens auch nicht vom Alter. Es kommt aber immer auch auf die Philosophie des Trainers an. Wenn der auf eine falsche Neun setzt, dann wird er natürlich keinen großen Stürmer holen. Es wird aber auch immer Trainer geben, die auf solche Spielertypen zurückgreifen wollen.
SPOX: Österreich hat sich erstmals für eine Europameisterschaft qualifiziert, die Euphorie um das Nationalteam ist enorm. Woher kommt dieser Aufschwung?
Jancker: Wir haben hier eine sehr gute Nachwuchsarbeit, die sich auch international gesehen auf hohem Niveau bewegt. Und langsam trägt das Früchte. Viele Österreicher haben sich in ausländischen Topligen durchgesetzt und sind Stammspieler.
SPOX: Reicht die österreichische Liga nicht aus, um sich für die Nationalmannschaft zu empfehlen?
Jancker: Das sieht im Moment so aus, aber ich denke, dass man sich auch mit sehr guten und konstanten Leistungen in der österreichischen Liga empfehlen kann. Das Ziel eines jeden ambitionierten, jungen Österreichers ist es aber natürlich, einmal in einer großen, europäischen Liga zu spielen.
SPOX: Inwieweit strahlt die Euphorie um das Nationalteam auf die österreichischen Vereine ab?
Jancker: Die Erfolge des Nationalteams bringen natürlich auch die Vereinsmannschaften mehr in den Fokus; für Begeisterung müssen die Klubs mit guten Leistungen aber selbst sorgen. Ich denke aber schon, dass sich Leute, die eigentlich nicht so fußballaffin sind, von der Euphorie ums Nationalteam anstecken lassen und deshalb womöglich auch zu Ligaspielen gehen. Wir bei Rapid haben diesbezüglich aber am wenigsten Sorgen, weil wir ohnehin immer die höchsten Zuschauerzahlen haben.
SPOX: Zum Abschluss: Wie schneiden Österreich und Deutschland bei der Europameisterschaft ab?
Jancker: Ich hoffe, dass Österreich die Vorrunde übersteht. Bei Deutschland glaube ich an eine Finalteilnahme.
SPOX: Und wenn dann Österreich auf Deutschland trifft...
Jancker: ... dann drücke ich Deutschland die Daumen.