Die Hondas und der SV Horn

Robert Arndt
21. April 201613:31
Der SV Horn spielt derzeit noch in der drittklassigen Regionalliga Ost in Österreichgetty
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Keisuke Honda ist vor allem für seine Fähigkeiten am Ball bekannt. Seit letztem Sommer ist das Unternehmen des Milan-Stars allerdings auch Teilhaber beim beschaulichen SV Horn in Österreich. Eins ist klar: Die Japaner haben große Ziele mit dem Dorfklub. Ein WM-Teilnehmer macht den Anfang.

4. März, Freitagabend in Niederösterreich. Hauptspieltag der Regionalliga Ost. Die Reserve von Rapid Wien ist beim SV Horn zu Gast. 1200 Zuschauer haben sich im kleinen Stadion neben dem Landesklinikum eingefunden. Das ist speziell mit dem Wissen beachtlich, dass die Gemeinde Horn keine 7000 Einwohner zählt. Auf Seiten der Gastgeber feiert ein gewisser Shuichi Gonda sein Debüt im Tor der Waldviertler. So weit, so gut.

Beim Blick auf seine Vita fällt auf, dass der gute Gonda bei der WM 2014 der dritte Torwart der Japaner war. Des Weiteren befindet sich der Torhüter mit 27 Jahren im besten Fußballalter. Wie also kann es sein, dass ein japanischer Nationalkeeper in der Blüte seines fußballerischen Schaffens das Tor eines österreichischen Drittligisten hütet?

Auf den Abstieg folgt die Hoffnung

Rückblende: 29. Mai 2015. Letzter Spieltag. Die Ausgangslage ist klar. Die Horner sind als Neunter beim Achten Wacker Innsbruck zu Gast. Der Sieger wird die Klasse halten, der Verlierer steigt ab. Im ausverkauften Tivoli sind die Mannen aus Niederösterreich chancenlos und unterliegen mit 0:3. Nach drei Jahren Zweitklassigkeit geht es zurück in die Regionalliga Ost.

8. Juni 2015. Auf seiner Homepage präsentieren die Horner ihren neuen Partner, HONDA ESTILO Co., Ltd., eine Agentur aus Japan, die Fußballschulen betreut und auch im Sportmanagement operiert. Anteilshaber? Keisuke Honda, seines Zeichen, Mittelfeldspieler beim AC Milan und gefeierter Popstar in seiner Heimat. Hondas Cousin Yoji leitet das Unternehmen und ist ab sofort auch im Horner Vorstand vertreten.

In fünf Jahren in der Königsklasse

Ziel ist es, mit dem SV Horn in die Bundesliga aufzusteigen und am besten dann noch international zu spielen. Der Zeitraum? Am besten in fünf Jahren! Auch Keisuke Honda selbst gab sich bereits im Waldviertel die Ehre. Anfang Juli besuchte er das Team und stellte sich ebenso den Fragen der Journalisten.

"Irgendwann kann es schon sein, dass in Horn 50 Prozent Japaner spielen werden", wird Honda in den Niederösterreichische Nachrichten zitiert, aber: "Verstehen Sie mich nicht falsch - unsere Priorität gilt den jungen Spielern, die hier leben. Aber wir wollen für die japanischen Kids einen Traum ermöglichen - den Traum, dass sie irgendwann hier bei einem Top-Klub SV Horn spielen können."

"Zum einen sind der Markt und die Ausländerregelung in Österreich sehr flexibel, zum anderen diene der SV Horn als Werbeanreiz für seine 50 Fußballakademien in Japan." Der Milan-Star meint es ernst mit Horn. Nachdem Mittelfeldspieler Stefan Rakowitz von den Fans zum Spieler der Hinrunde gewählt wurde, meldete sich die Nummer Zehn des AC Milan und lud Rakowitz zu einem Spiel im Mailänder San Siro inklusive Selfie ein.

Drehkreuz für japanische Jugendspieler

Der SV Horn selbst soll als Sprungbrett fungieren. Rudolf Laudon, Obmann des Vereins, sieht im Gespräch mit SPOX die Situation wie folgt: "Wir wollen, dass sich diese Spieler hier entwickeln und dann für größere Vereine auf den Radar kommen. Aber natürlich sind wir auch daran interessiert, dass die Spieler eine Weile für uns aktiv sind."

Das Unternehmen der Familie Honda betreibt im asiatischen Raum über 100 Fußballschulen. Aus diesen Schulen sollen laut Laudon Spieler abgeschöpft werden und nach Horn kommen. Die Jüngsten sollen dabei, wie bereits im Winter geschehen, 17 oder 18 Jahre alt sein, erklärt Laudon weiter.

Dass japanische Spieler auch im Nachwuchsleistungszentrum der Horner in Hollabrunn ausgebildet werden könnten, stehe laut dem Obmann jedoch im Moment nicht zur Disposition.

Über die Langfristigkeit des Projekts in Horn ist bislang noch nichts bekannt. Auch Yoji Honda hält sich bei diesem Thema bedeckt. Profit solle das Modell schon abwerfen, jedoch soll der in den Fußball reinvestiert werden, erklärt der Japaner im Gespräch mit der Zeit.

Kontakthersteller bereits geschasst

Der Kontakt zu den Hondas kam durch den damaligen Co-Trainer der Horner, Masaki Morass, zustande. Der Japaner mit österreichischem Pass hatte die Familie um Keisuke Honda bei seiner Zeit als Assistent unter Volker Finke bei den Urawa Red Diamonds kennengelernt und den SV Horn weiterempfohlen. In Österreich gab es für die Hondas angeblich auch noch vier andere Kandidaten, doch auch dank Morass erhielt der Verein aus Niederösterreich den Zuschlag.

Brisant dabei: Morass wurde Anfang Oktober von seinen Aufgaben entbunden. Im Anschluss daran gab es einige Nebengeräusche, wobei Morass pikante Details an die Öffentlichkeit geben wollte, was aber nie geschah. Cheftrainier Hans Kleer bescheinigte Morass darüber hinaus fehlende Loyalität. Obmann Laudon hingegen bedauert gegenüber SPOX die Beurlaubung und pflegt zum Austro-Japaner weiter ein gutes Verhältnis, doch aufgrund der Differenzen auf der sportlichen Ebene war die Kündigung unausweichlich. Inzwischen ist Takahiro Shibaki neuer Co-Trainer und Dolmetscher bei den Waldviertlern.

Zurück zum 4. März 2016. Der Kader der Horner ist inzwischen mit 6 Spielern aus dem Land der aufgehenden Sonne bestückt. Darunter, wie anfangs erwähnt, auch mit Shuichi Gonda. Für den FC Tokio machte der WM-Fahrer 161 Spiele in der obersten japanischen Spielklasse und auch in der asiatischen Champions League kam Horns neue Nummer Eins zum Einsatz.

Doch im Sommer folgte der Knick. Gonda wurde vom Verein krankgeschrieben und das änderte sich nicht bis zu seinem Wechsel nach Horn.

Wie zu lesen ist, stand der Torhüter kurz vor seinem Karriereende, von gesundheitlichen Problemen war die Rede. Das beschauliche Horn soll Gonda revitalisieren, denn der Keeper hat Blut geleckt. Bei seiner Vorstellung Ende Januar sprach der 27-Jährige von Russland 2018, also einer erneuten Teilnahme mit Japan an einer Weltmeisterschaft. Zuletzt stand er im vergangenen Juni im Kader beim WM-Quali-Spiel der Samurai Blue gegen Singapur, kurz vor seiner Streichung aus dem Spielbetrieb beim FC Tokio.

Verstärkung auch aus anderen Ländern

Nun also das Debüt in der dritten Spielklasse in Österreich. Es ist nass, es ist kalt. Gonda hält seinen Kasten sauber und zeigt nur bei einem Freistoß eine kleinere Unsicherheit. Der Gast, die Reserve von Rapid Wien, gespickt mit Teenagern, hält gut mit, bleibt vor dem Tor allerdings zu harmlos.

Neben Gonda stehen mit Rintaro Yajima und dem 18-Jährigen Kenta Kawanaka zwei weitere Japaner von Beginn an auf dem Feld. Mit Shota Sakaki wird kurz vor Schluss ein weiterer eingewechselt.

Die Mannen aus dem östlichen Waldviertel siegen am Ende souverän mit 2:0. In die Torschützenliste trägt sich dabei auch Milan Bortel ein, neben Gonda ein weiterer Neuzugang im Winter. Der Slowake wechselte aus seiner Heimat von Spartak Trnava in die österreichische Provinz.

Im Sommer noch spielte der 28-Jährige vier Partien in der Europa League-Qualifikation unter anderem gegen PAOK Saloniki. Nicht nur Japaner sollen also 100 Kilometer nordwestlich von Wien für einen Aufschwung sorgen. "Wir genießen inzwischen auch im Ausland einen guten Namen und deswegen treten vermehrt Spielerberater an uns und so war dies auch bei Martin Bortel der Fall.", so Obmann Laudon.

Saison für Star-Keeper gelaufen

Nur eine Woche nach dem erfolgreichen Rückrundenstart folgt jedoch der Rückschlag. Beim Letzten kassieren die Horner eine bittere 0:1-Niederlage. Beinahe noch schlimmer: Gonda erleidet bei einem Zusammenprall einen glatten Schienbeinbruch und wird erst wieder in der nächsten Saison eingreifen können.

Die Niederlage kostet zudem die Tabellenführung, nachdem der Konkurrent Vienna seine Hausaufgaben machte. Zwar konnte der Rivale um den Titel anschließend geschlagen werden, aber bereits in der nächsten Woche folgte in Amstetten ein erneuter Punktverlust und der neuerliche Verlust der Spitze im Tableau. Es läuft auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinaus.

Erst Sieg, dann Entlassung

Der Vorstand um Yasunori Kanda hat zu Beginn der Rückrunde die Prämisse unmissverständlich gemacht: "Der Meistertitel in der Regionalliga ist nur der erste Schritt. Nächste Saison wollen wir auch in der Ersten Liga ganz oben stehen und sofort weiter Richtung Bundesliga kommen", so Kanda gegenüber dem ORF.

Ein weiteres Jahr Regionalliga existiert demnach in den Köpfen der Macher nicht. Kanda geht sogar noch weiter: "Wir haben viele Fans in Japan und denen wollen wir natürlich den besten Fußball bieten. Ich denke schon, dass die Champions-League möglich ist."

Mitte April stehen die Horner inzwischen auf Platz eins der Tabelle. Gegen den SC Neusiedl gibt es einen souveränen 4:0-Erfolg. Kurz darauf platzt die Bombe: Trainer Hans Kleer wird vom Verein freigestellt. In der Pressemitteilung heißt es, dass "unterschiedliche Auffassungen zwecks Philosophie" den Ausschlag gegeben haben.

"Der Verein meint, dass ich die Philosophie, die man gern hätte, nicht umsetze. Es wurde nicht konkretisiert", sagt Kleer im Gespräch mit SPORTNET. Klar ist für Kleer nur: "Die japanische Seite ist der Hauptgrund für meine Freistellung."

Diese Aussagen lassen Raum für Spekulationen. Fakt ist, dass die importierten Spieler aus Fernost bislang nur sporadisch zum Einsatz gekommen sind. "Es kam keine Order, dass ich die Spieler einsetzen muss, so frei durfte ich entscheiden. Wenn das also der Entlassungsgrund war, wurde er mir nicht genannt", behauptet der beurlaubte Trainer. Auch der Verein dementierte dies bereits gegenüber der NÖN.

Co-Trainer und Ex-Eintracht-Spieler Christoph Westerthaler übernahm die Geschicke. Er soll den erwarteten Aufstieg perfekt machen und die Investoren ein Stück näher an ihre Traumvorstellung bringen. Doch bevor diese Träume Realität werden können und Gegner wie der FC Bayern oder Real Madrid in der Waldviertler Volksbank Arena (Kapazität: 3.500 Zuschauer) empfangen werden, heißen die nächsten Widersacher FC Stadlau oder SC Ritzing. Aber man wird ja noch träumen dürfen...

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