Ein Hoch auf Leicester-Boss Vichai Srivaddhanaprabha! Die fleischgewordene Tastenkombination versüßt die Meisterschaft der Foxes. In Italien verneigt man sich vor zwei Göttern, wischt sich jedoch auch eine Träne aus dem Augenwinkel. Spanien hingegen wird schwäbisch.
Serie A
von Oliver Birkner
Gott des Spieltags: Der Calcio-Day avancierte zum Feiertag auf drei Bühnen. Standesgemäß wurde natürlich zuerst der König mit Ovationen bedacht. Beim 3:0 über Chievo betrat Francesco Totti in Minute 59 den Platz und kam zu seinem 600. Serie-A-Einsatz, Rang drei in der ewigen Bestenliste hinter Paolo Maldini (647) und Javier Zanetti (615). Ein phänomenales Triumvirat der Treue. Die unzähligen Plakate und Sprechchöre trieben dem Capitano auf der anschließenden Ehrenrunde dann doch Tränen in die Augen. "Man schreibt Totti und liest Rom", "Du bist unvergleichbar, unvergänglich, du bist der Calcio", "Auf ewig mein Kapitän", "The King of Rome is not dead", "Hong Kong unterstützt Totti", "Gott existiert - er heißt Totti" - letzteres Transparent dürfte auch dem zweitwichtigsten Francesco in Rom gefallen haben.
Nebenher lieferte der 39-Jährige einen entzückenden Assist zum 3:0-Endstand und bilanziert aus den vergangenen fünf Partien in 86 Einsatzminuten vier Toren und eine Vorlage. Kann sich sehen lassen. Laut Umfrage der "Gazzetta dello Sport" würden ihn rund 70 Prozent der Tifosi mit zur Euro nehmen. Totti als Edeljoker in Frankreich, das hätte irgendwie was. Für einige Tage hatte Totti den Thron übrigens zwangsläufig zu teilen. Immerhin wurde auch einem anderen Lokalmatador gedacht und Claudio Ranieri in seinem Viertel Testaccio mit "Forza Leicester - der Sohn der Wölfin hat England erobert" gefeiert. So viel Zeit muss sein.
Geklonter Vizebürgermeister des Spieltags: Am Abend hieß es dann letztmalig, wer hat da am Ohr gedreht. In der abschließenden Partie seiner Karriere traf Luca Toni gegen Juventus den Pfosten und netzte einen Elfmeter per Lupfer zur Führung. "Das war mein schönstes Tor, weil es das allerletzte war - der Geruch des Rasens und die Fans werden mir ab heute definitiv fehlen. An den Trainerschein denke ich aber nicht, denn alle meine Ex-Kollegen sind auf der Bank in einer Saison um fünf Jahre gealtert", sagte Toni.
Das wäre mit bald 39 kein vorteilhafter Plan. Seit dem Profidebüt 1994 beim Drittligisten Modena gelangen Toni 324 Treffer für Klub und Nationalelf (157 in der Serie A). Insgesamt krönte er sich vier Mal zum Torschützenkönig, 2015 mit 38 Jahren zum ältesten der Serie-A-Geschichte. Am Sonntag gegen 22.30 Uhr gab es die letzten Salu-Toni und die Kurve forderte unter anderem "Klont ihn!" und "Macht ihn sofort zum stellvertretenden Bürgermeister!" Womöglich wertvolle Ideen für seine anstehende Freizeit.
Und sonst? Der Nachfolger des letztjährigen Top-Torjägers ist derweil bereits gefunden. Gonzalo Higuain schoss in Partie Nummer 34 sein 33. Tor - eine infernale Quote, bedenkt man, dass zuletzt Antonio Angelillo (Inter) vor 57 Jahren 33 Mal traf. Kommenden Sonntag nimmt der Argentinier Anlauf zum ewigen Rekord der eingleisigen Serie A seit 1929: Den hält Milans Gunnar Nordahl mit 35 Toren (1949/50). Noch ein Hattrick gegen Absteiger Frosinone und Napoli darf Champions League und eine Fabel-Bestmarke feiern.
Premier League
von Frank Oschwald
Leicester: Es ist vollbracht! Seit Monaten bepieseln wir uns hier über die zahlreichen Geschichten rund um Leicester City und jetzt schnappen diese Teufelskerle doch tatsächlich den Großkopferten die Krone vor der Nase weg. Grundsätzlich natürlich schon lässig. Viel leiciger ist vermutlich allerdings, dass sie vor dem letzten Spieltag mal eben zehn Punkte Vorsprung auf den Zweiten haben. ZEHN! Das wird bei diesem ganzen Hype um das Wunder immer mal wieder vergessen. Grund genug, den Champion mal ordentlich zu huldigen. Deshalb hier ein Blitzlicht-Spezial über Leicester City!
- Die vorzeitige Meisterschaft der Foxes machte erst das starke Comeback von Chelsea gegen Tottenham möglich. Unmittelbar nach dem Spiel klingelte deshalb Leicester-Trainer Claudio Ranieri bei seinem Chelsea-Kollegen Guus Hiddink durch und war den Tränen nahe. "Er bedankte sich für das, was wir in der 2. Halbzeit geleistet haben", erklärte Hiddink unter der Woche. "Seine Stimme war sehr zittrig und er hat nicht viel gesagt. Nur danke, danke, danke, danke, danke." Der neumodische Niederländer fügte hinzu: "Ich habe keine Tränen gesehen, es war keine Face-Time-Konversation."
- Läuft bei dir I: Mehr sportlichen Erfolg kann man vermutlich nicht haben. Ritchie De Laet, der Anti-Jürgen-Kramny, schaffte das Kunststück, in einer Saison sowohl die Meisterschaft als auch den Aufstieg zu feiern. Der Belgier wurde im Februar von Leicester City nach Middlesbrough ausgeliehen und schaffte am Samstag dort den Aufstieg. Nach dem Wochenende baumelten deshalb zwei fette Medaillen an seinem Hals.
- Zwei Medaillen? Wer will denn schon so einen Quatsch? Viel geiler ist doch ein eigenes Rum-Label. Diese Ehre wird Abwehrbrecher Wes Morgan zuteil. Denn der Rumhersteller Captain Morgan bringt eine Sonderedition des feinen Tropfens heraus. Darauf zu sehen: Der Leicester-Verteidiger in gewohnter Captain-Pose und einem blauen Umhang. Got a Little Captain in You?
- Läuft bei dir II: Leicester-Boss Vichai Srivaddhanaprabha, a.k.a STRG + V, soll in der letzten Woche in einem Casino beim Kartenspielen rund 3,16 Millionen Euro gewonnen haben. Das klingt auf den ersten Moment geil. Das Privatvermögen von STRG + V liegt allerdings bei rund 2,9 Milliarden Euro. Ist also ungefähr so, als ob der Otto Normalverbraucher 2,90 Euro beim Skat gewinnt.
- Da Srivaddhanaprabha eine gute Seele hat, kloppte er die ganze Kohle direkt wieder auf den Kopf und erfüllte im letzten Heimspiel der Saison mal wieder den Traum eines jeden Fußball-Fans: Freibier! Da es das ja schon mal gab, setzte Pizzahut noch einen drauf und stellte jedem Ticket-Inhaber eine Freipizza zur Verfügung.
- Das Rätsel um die Leicester-Meisterschaft scheint gelöst! Riyad Mahrez verriet dem Mirror, was Claudio Ranieri seinem Team vor jedem Partie in alter "Gehts raus und spuilts Fußball"-Manier auf den Weg gibt: "Be smart. You are Foxes." Einfach. Nur Genial.
Anything else I? Die anderen Geschichten rund um den Spieltag kacken da natürlich ab. Obwohl auch lustige Anekdoten dabei waren. Da sind zum einen die Fans von Charlton Athletic. Diese machten ihrem Ärger am Wochenende auf ganz eigene Weise Luft und rollten über der Ehrentribüne des Vereins, auf der auch Klubboss Roland Duchatelet saß, ein Banner aus. Darauf zu lesen: "Lügner" und ein Pfeil nach unten.
Anything else II? Auch eine Legende soll hier nicht zu kurz kommen: John Terry sah am Wochenende im Spiel gegen Sunderland in der Nachspielzeit Gelb-Rot. Somit muss er bei seinem wohl letzten Spiel für die Blues zuschauen. Mach's gut, Captain!
Primera Division
von Frank Oschwald
Rechenspiele des Spieltags: Ach Madrid, du Hochburg des europäischen Fußballs! Gleich zwei Mannschaften machen sich von dir aus auf den Weg zum Champions-League-Finale nach Mailand, um dort nach der Krone zu greifen. Da müssen sich die Einwohner der Hauptstadt natürlich auch früh genug umsehen, wie man denn da nach Italien reist. Aber dafür gibt es ja die Zeitung AS. Mitten in die Berichterstattung um die Meisterschaft kommt das Blatt mit einem Info-Artikel um die Ecke, der jeden Lonely-Planet-Bericht wie einen Aufsatz in der Schülerzeitung aussehen lässt. Fein säuberlich rechneten die Spanier die Reisekosten von vorne bis hinten durch.
Exakt 1586 Kilometer seien es von Madrid zum San Siro. Das würde ziemlich genau 14 Stunden und 45 Minuten dauern, steht dort geschrieben. Aber, und hier ist der Haken an der Sache, nur, wenn man auch Mautstraßen benutzt. Das würde bei Hin- und Rückfahrt dann nämlich stattliche 87,40 Euro kosten. In schwäbischer Kleinstarbeit rechnen die Spanier deshalb weiter. Umgeht der Fan sämtlich Mautstraßen, spart sich dieser nicht nur die Gebühren sondern auch 45 Kilometer. Dafür müssen allerdings 20 Stunden und 15 Minuten eingeplant werden. Tückisch, tückisch. Logischerweise dürfen auch die Spritpreise nicht fehlen. Diese werden bei rund 1600 Kilometern mit 160 Euro kalkuliert. Das Fazit der Redaktion: 247,40 Euro vs. 160 Euro. Danke, AS!
Katalane des Spieltag: Bleiben wir doch einfach gleich bei der spanischen Hauptstadt. Der gemeine Madrilene findet seine Stadt gelinde gesagt ja schon ganz gut. Hier sitzt die Regierung, hier spielt fußballerisch die Musik und hier ist die größte Stierkämpferschule. Diese Stadt im Osten, die in dieser völlig zurecht unterdrückten Region liegt, ist den meisten Hauptstädtern sowieso ein Dorn im Auge. Speziell, wenn dieses Barcelona dann in der Liga auch noch vor den beiden Madrid-Teams liegt. Und eine Unabhängigkeit dieser kleinen, gelb-roten Provinz wird es schon gleich gar nicht geben. Deshalb ist es auch nur konsequent, dass der Pressesprecher von Real diesem ganzen Quark am Wochenende einen Riegel vorschob.
Da Keylor Navas mit einer Achillessehnenreizung verletzt ausfiel, machte die Vertretung Kiko Casilla sein viertes Ligaspiel für die Königlichen. In der Mixed Zone nach dem Spiel stand der Keeper den Journalisten Frage und Antwort. Da er gebürtiger Katalane ist, wollte ihm eine Redakteur die Frage auf Katalanisch stellen. Nach einem fragenden Blick des Keepers zum Pressesprecher senkte dieser den Daumen. Fragen auf dieser absurden Sprache? Geht gar nicht! Ach ja, nebenan beantwortete Zinedine Zidane Fragen auf Französisch, Modric auf Englisch und Kroos auf Deutsch.
Algo mas? Im letzten Abschnitt gilt es, einen ganz Großen von der Fußball-Bühne zu verabschieden. Juan Carlos Valeron gab am vergangenen Samstag sein Karriereende bekannt. Dabei ist der Las-Palmas-Kicker gerade einmal 40 Jahre alt. Er hat den Fußball wohl nie geliebt.