Andersen übernimmt Nordkorea

SID
Jörn Andersen war von 2008 bis 2009 Trainer in Mainz
© getty

Tausende im Stechschritt marschierende Soldaten, blau-rot wehende Fahnen unter den Augen eines Machthabers mit seltsamer Frisur, Säbelrassen mit Raketen- und Atomtests. Wer an Nordkorea denkt, dem kommen diese Assoziationen als Erstes in den Sinn. An Fußball denkt man eher nicht

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Einer zieht nun los, das zu ändern: Jörn Andersen, 1990 Bundesliga-Torschützenkönig von Eintracht Frankfurt, wird Fußball-Nationaltrainer von Nordkorea. Sein Bruder Henning bestätigte der Tageszeitung Verdens Gang, dass der Norweger mit deutschem Pass einen Einjahresvertrag im sozialistischen System des Diktators Kim Jong-un erhalten hat. Dort soll er eine Mannschaft für die WM 2022 aufbauen, schreibt der nordkoreanische Staatskanal auf seiner Website.

Andersen hatte 2008 Jürgen Klopp beim FSV Mainz 05 abgelöst und den Verein in die Bundesliga geführt. Zuletzt stand er bei Austria Salzburg unter Vertrag. In den 1980er Jahren spielte er fünf Jahre lang in 27 Spielen für Norwegens Nationalteam.

Norwegen und Nordkorea. Zwei Länder, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Das eine Land gehört du den demokratischsten der Welt, teilt sich auf Ranglisten zu Menschenrechten und Pressefreiheit des Freedom House Platz eins mit Island und seinen skandinavischen Nachbarn. Das andere liegt weit abgeschlagen auf den letzten Rängen. Es gilt als eines der weltweit restriktivsten politischen Systeme der Gegenwart. All das hält Jörn Andersen nicht ab.

Kritik in der Heimat

Auch nicht, dass Kim Jong-un als unberechenbar und brutal gilt. Eventuelle Konkurrenten, die seiner Machtstellung gefährlich werden könnten, lässt er hinrichten, 2013 traf es seinen eigenen Onkel. Die selbstauferlegte Isolation des Landes hat zur Folge, dass die Bevölkerung immer wieder unter Hungersnöten leidet. Und in diesem Land will Andersen Trainer sein?

Insbesondere in seiner norwegischen Heimat hat sein Engagement heftige Kritik ausgelöst. Der Generalsekretär von Amnesty International Norwegen sagte: "Ich kann nicht verstehen, wie jemand für diese Regierung arbeitet. Er legitimiert so das nordkoreanische Regime." Die Menschenrechtsorganisation befürchtet, dass Andersen sich für Propagandazwecke einspannen lässt. Sportliche Erfolge würden auch als Triumphe der Regierungspartei ausgelegt, Misserfolge müsste Andersen wohl selbst tragen.

Zwangsarbeit nach sportlichen Misserfolg?

Die Mannschaft, die 2010 zum zweiten Mal nach 1966 an der Weltmeisterschaft teilgenommen und drei Niederlagen kassiert hatte, soll nach der Ankunft in Nordkorea auf eine Bühne gebracht und beschimpft worden sein. Noch schlimmer soll es Trainer Kim Jong-hun ergangen sein: Laut Radio Free Asia wurde er nach dem schlechten Abschneiden zur Zwangsarbeit abgestellt.

Aber es gibt auch Stimmen, die die Entscheidung des Ex-Bundesliga-Profis begrüßen. Der Direktor des nordischen Instituts asiatischer Studien der Universität Kopenhagen, Geir Helgesen, sagt: "Andersen ist ein Pionier. Er könnte Türen öffnen. Nordkorea versucht, die selbst auferlegte Isolation aufzubrechen." Tatsächlich ist der 53-Jährige nicht der erste ausländische Trainer, der einen Job in Nordkorea annimmt: Der Serbe Branislav Moro ist Trainer des Frauen-Volleyball-Teams.

Für Andersen wird der Ausflug nach Pjöngjang allemal eine Erfahrung. Bei der WM 2018 wird er aber nicht auf der Bank des Weltranglisten-112. sitzen. Die Qualifikation für die Endrunde in Russland haben die Nordkoreaner bereits verpasst.

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