Serie A
von Oliver Birkner
Zuschaupflicht des Spieltags: Den rund 25.000 Angestellten seines Konzerns hatte Suning-Chef Zhang Jindong nahegelegt: Sonntag alle vors TV zum Klassiker Chievo gegen FC Internazionale. Nahelegen bedeutet auf Betriebschinesisch wahrscheinlich Anordnung, es wurde allerdings nicht überliefert, ob der neue Inter-Eigner kontrollierende Späher ausschickte. Sie hätten zweifelsohne entsetzte Menschen vor dem Gerät entdeckt, was sich der Cheffe mit seinem Privatvermögen über fünf Milliarden Dollar und 18,2 Milliarden Umsatz da bitteschön ins Haus geholt hat.
Anders in Italien, wo viele begeistert ausriefen, endlich mal den Spieß umgedreht und den Chinesen eine Fälschung untergejubelt zu haben. Dass Inter nun im San Silo spiele und Jindong eigentlich Intel kaufen wollte, gehörte eher in die Kategorie Kalauer. Das Ziel in der fernen Besitzerheimat blieb jedenfalls etwas undurchsichtig, übersetzte der chinesische Dolmetscher bei Sunings Präsentation der Inter-Übernahme doch feierlich: "Suning wird Milan wieder aufs Dach der Welt führen."
Besser so, denn mit der bombastisch internationalen Internazionale (indonesischer Präsident, chinesischer Besitzer, niederländischer Coach) wird das Vorhaben wohl noch ein Weilchen dauern. Nach einer katastrophalen USA-Tournee tüftelte die Chefetage den kongenialen Plan aus, 13 Tage vor Saisonstart den Trainer zu wechseln. Frank de Boer sagte gleich mal mutig, vor Juventus habe man keine Angst, im ersten Pflichtspiel rang er jedoch erschrocken nach Atem.
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Seine Profis trotteten desaströs übers Grün und erlaubten, dass die Autogrammkarte von mighty Chievos Doppeltorschützen Valter Birsa nun wohl mehr als die bisherigen vier Euro bei eBay kostet. Andrea Ranocchia sollte sich besser nicht an Pokemon go versuchen, er fand nicht einmal den Ball.
Die unsinnige Dreierkette indes zwang die Außen wie Antonio Candreva zu überhöhter Zusatzarbeit und die "Gazzetta dello Sport" kommentierte: "Als würde man Einstein abstellen, Fotokopien zu erledigen." Man wird das Gefühl nicht los, ohne nötige Qualität im Mittelfeld würde selbst ein kooperativ von Mourinho, Ancelotti, Guardiola und Conte gezeugtes Geschöpf an Inter verzweifeln. Aber nicht verzagen, liebe 25.000 Mitarbeiter. Nächste Woche kommt Palermo zu neuen Zwangs-Festspielen - mit Alkoholika müsste das gehen.
Dicke Sau des Spieltags: Gonzalo Higuain musste im Sommer ja so einiges ertragen. Nach seinem Umzug zum Antichristen Juventus ließen sich die Neapolitaner die Tattoos ihres Idols flugs entfernen, die Müllwagen fuhren die Schichten mit einem Higuain-Poster und erklärten: "Genau das ist er, stinkender Abfall!"
Auch in Turin jammerte man wegen seines eingeführten Dolce-Vita-Übergepäcks von fünf Kilo. Ex-Profi Robert Prosinecki degradierte den Argentinier gar zum "Schweinchen". Am Samstag kam "Pipita" in der 61. Minute und benötigte neun Minuten zum großartigen 2:1-Siegtreffer gegen Florenz.
Solch einen Fettsack hätte womöglich manch Klub gerne im Sturm, auch wenn es erst sein 72. Treffer im 105. Serie-A-Spiel war. "Nennt mich ruhig weiter dicke Sau, dann treffe ich in jedem Spiel doppelt", kündigte der Stürmer an. Die Konkurrenz sollte sich das reiflich überlegen.
Und sonst? Impertinenter Rotzlöffel, dieser Gigio Donnarumma. Sinisa Mihajlovic verhalf ihm mit 16 Jahren und acht Monaten letzten Oktober im Milan-Tor zum Profi-Debüt und beim ersten Treffen als Gegner parierte Donnarumma den Elfmeter zum möglichen Torino-Ausgleich in der sechsten Minute der Nachspielzeit.
"So ein undankbarer Schnösel. Hätte ich das gewusst, hätte ich ihn nicht debütieren lassen", sagte Mihajlovic. Ansonsten alles wie gehabt. Der AC kickte marginal ansehnlicher als im Vorjahr und China reflektiert momentan vermutlich, ob man sich tatsächlich gleich beide Mailänder Klubs antun musste. Immerhin existiert für den AC (noch) keine Zuschau-Anordnung. Glück gehabt.