Let's go all in!

Brendan Rodgers wird bereits jetzt als Revolutionär gefeiert
© getty

Trotz vier Meisterschaften in Folge ist der Celtic FC zuletzt in der Bedeutungslosigkeit versunken. Zwei Aspekte sorgen zum Start der neuen Saison für eine lange nicht gefühlte Aufbruchstimmung: die Rodgers Revolution und die Rückkehr des ewigen Rivalen Rangers. Das erste Old Firm in der Liga seit vier Jahren (Sa., 13 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) bringt Schottland wieder auf die Fußball-Landkarte.

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Old Firm. Celtic gegen Rangers. Vielmehr muss man eigentlich gar nicht sagen, um die Herzen von Fußball-Romantikern höher schlagen zu lassen. Das Duell der beiden Traditionsklubs aus Glasgow ist das am häufigsten ausgetragene Derby Europas. Alleine in der Liga standen sich die Glaswegians in blau und grün 305 Mal gegenüber. 54 Meistertitel der Gers treffen auf 47 der Bhoys.

Nicht nur wegen der sportlichen Rivalität gehört das Old Firm zu den heißesten Fußballspielen auf dem Planeten. Der religiöse und politische Hintergrund spannt die Rivalität zusätzlich an: die protestantischen Rangers gegen den Klub der irisch-katholischen Einwanderer.

Wenn man in der Stadt am River Clyde durch die Pubs zieht, muss man besonders an Spieltagen darauf achten, welche Farbe man trägt. Betritt man die falsche Schenke in einem grünen Shirt, kann es ungemütlich werden. Kurzum: Das Old Firm ist gelebte Rivalität, mit allen positiven und negativen Nebeneffekten.

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Erstmals seit 2012

All das ist nicht unerhört.

Doch am Samstag wird die Stimmung in der Stadt besonders aufgeheizt sein. Denn die Fans in Glasgow mussten nun vier Jahre auf diesen Moment warten. Zwar traf man sich zweimal in den nationalen Pokalwettbewerben, ein Ligaduell gab es zuletzt jedoch 2012. Eine solche Durststrecke mussten die Fans seit dem zweiten Weltkrieg nicht durchstehen, als der Ligabetrieb ruhte.

Der Grund ist bekannt: Die Rangers mussten wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten Anfang 2012 Insolvenz anmelden und wurden in die vierte Spielklasse zurückgestuft. Über Jahre tingelte der Nobelklub über die schottischen Dörfer, statt Titel zu sammeln.

Zwangsabstieg ist Gift

Die Abwesenheit der Rangers löste bei den Celtic-Anhängern Feierstimmung aus. Dem Erzrivalen geht es an den Kragen - das finden glühende Fans natürlich super. Für den Wettbewerb und das Prestige der schottischen Premiership war der Zwangsabstieg allerdings Gift.

In den vergangenen vier Jahren war die Saison in Schottland vorbei, bevor sie begonnen hatte. Zwar blieb Aberdeen den Bhoys rechnerisch bis zum Schluss auf den Fersen. Eine wirkliche Chance, Celtic vom Thron zu stoßen, hatten die Kicker von der Ostküste allerdings nie. Die Grün-Weißen konnten es schleifen lassen und wurden trotzdem Meister. Langweilig.

Schottland verschwand mehr und mehr von der fußballerischen Landkarte. Wer interessiert sich außerhalb Kaledoniens schon für St. Johnstone gegen Ross County? Wird eng!

Für Celtic bedeutete das zwar sichere Titel, aber auch ein Abdriften in die Bedeutungslosigkeit. International machte sich die fehlende Konkurrenz bemerkbar. Unter Ronny Deila verpassten die Bhoys in den letzten Jahren den Anschluss. Zweimal schaffte man es nicht, sich für die Champions League zu qualifizieren. Das Abschneiden in der Europa League war verheerend.

Vier Meisterschaften in Folge - und dennoch herrschte keinerlei Euphorie in Parkhead.

Rodgers Revolution

Mittlerweile ist das völlig anders. Plötzlich ist bei Celtic Aufbruchstimmung zu spüren. Diese ist vor allem auf einen Namen zurückzuführen: Brendan Rodgers.

Im Gespräch mit SPOX beschreibt Alasdair Mackenzie, Redakteur beim Herald, der ältesten national verbreiteten Qualitätszeitung der Welt, den Stimmungsumschwung in Glasgow: "Vom ersten Tag an war die Rede von der Rodgers Revolution. Er hat spürbar einen neuen Optimismus nach Glasgow gebracht. Viele waren überrascht, dass der Klub nach zwei belanglosen und leidenschaftslosen Saisons unter Ronny Deila so einen großen Namen verpflichten konnte. Aber der Nordire hat wieder Prestige und Glamour in den Verein gebracht."

Liverpools Beinahe-Meistertrainer von 2014 entschied sich trotz zahlreicher Angebote aus England für einen Wechsel zu Celtic - ein Statement, das bei der Rekrutierung neuer Spieler nicht zu unterschätzen ist: "Dass es Rodgers gelungen ist, namhafte Spieler wie Kolo Toure, Scott Sinclair oder Moussa Dembele zu verpflichten, zeigt, dass er Celtic schon jetzt zu einer attraktiveren Adresse gemacht hat, zu der auch Stars aus den besser zahlenden englischen Ligen wechseln", sagt Mackenzie.

Neben namhaften Transfers und dem Glamour-Faktor beinhaltet die Rodgers Revolution vor allem, die Leidenschaft wieder zu gewinnen. Auch in der Liga sollen wieder Funken fliegen. Die Trägheit soll weg, stattdessen wieder Aggressivität, schnelles Umschalten und zielgerichtete Angriffe in den Vordergrund rücken: "Es ist Leben und Energie im Team, wir sind aggressiv und mit dem Kopf voll da", beschreibt Rodgers selbst sein Team: "Wir sind schon gut drauf und wir werden uns noch steigern." Mit solchen Aussagen befeuert der Nordire die ohnehin positive Grundstimmung.

Rodgers fackelt nicht, unter ihm geht Celtic all in.

Ziele "immer gleich"

Bei all der Euphorie sind natürlich auch die Erwartungen hoch. Und dabei reicht es nicht, "nur" schottischer Meister zu werden. Über die Graue-Maus-Spielweise ist Ronny Deila bereits gestolpert.

Natürlich sind die Bhoys weit entfernt von den glorreichen Zeiten der 60er und 70er Jahre. Weit entfernt von der Ära des Jahrhunderttrainers Jock Stein, unter dem man 1967 als erster britischer Klub den Europapokal der Landesmeister gewann. Selbst vom Erreichen des UEFA-Cup-Finals 2003 gegen Porto ist man meilenweit entfernt. Aber Erwartungen sind nicht rational.

"Die Saisonziele von Celtic sind immer gleich", sagt Mackenzie zu SPOX: "Sie müssen alles gewinnen, was es in Schottland zu gewinnen gibt. Und wenn sie sich nebenbei noch für die Champions League qualifizieren, ist alles gut. Letzteres ist in dieser Saison gelungen und sie sind die großen Favoriten, auch ihre sechste Meisterschaft in Folge zu gewinnen."

Woche der Wahrheit

Darüber, dass die Qualifikation für die Königsklasse in der finalen Runde gegen Hapoel Be'er Sheva beinahe in die Hose gegangen wäre, legt man bei Celtic gerne den Mantel des Schweigens.

Vor allem in der aktuellen Situation. Der Saisonstart ist mit drei Siegen aus drei Spielen geglückt. Celtic ist rechtzeitig vor der aufregendsten Woche seit Jahren in Form: Am Samstag Old Firm im Celtic Park, am Dienstag Champions League gegen den FC Barcelona im Camp Nou. Nach Jahren der Bedeutungslosigkeit stehen die Bhoys innerhalb weniger Tage zweimal auf der ganz großen Bühne.

In jeder anderen Situation würde man vor dem Spiel bei Barca durchdrehen. Daran denkt in Parkhead jedoch niemand. Denn die Rangers sind wieder da! Das Old Firm ist wieder da!

Nichts ist heiliger

Saisonziele hin und her, jetzt da der geliebte Feind wieder im Ligabetrieb zum Tanz bittet, ist für die Stimmung im Klub nichts heiliger als ein Sieg im Derby. Fluch und Segen für Rodgers: In diesen Duellen kann er sich abheben, sein Profil schärfen. Gewinnt er gegen die Rangers, ist anderes schnell nebensächlich.

Rodgers weiß um die Brisanz: "In Derbys geht es immer um Emotionen. Ich habe bei Swansea gegen Cardiff trainiert, beim Merseyside-Derby, aber nichts ist mit dem Old Firm zu vergleichen", sagte der Nordire dem Daily Record. Auch, dass ein taktisches Konzept nicht unbedingt Bestand haben wird, ist ihm bewusst: "Du kannst dir vorher noch so einen guten Plan zurechtlegen. Meiner Erfahrung nach kommt es immer anders - und meist sind es auch nicht gerade die besten Spiele."

Derweil weiß Rodgers auch jetzt schon, wie Kampfansage auf schottisch geht: "Wir gehen als klarer Favorit in diese Partie. Man muss nur auf die Leistungen in den ersten Spielen schauen."

Rangers noch nicht im Titelrennen

Dabei spricht er nur das Offensichtliche aus: Natürlich ist Celtic Favorit. Dass die Rangers im ersten Jahr nach dem Wiederaufstieg direkt ein echter Titelanwärter sind, glauben die wenigsten.

Obwohl sich auch die Gers namhaft verstärkt haben. Unter anderem lockten sie Philippe Senderos, Niko Kranjcar und Joey Barton in den Ibrox Park. Letzterer entschied sich nach dem Premier-League-Aufstieg mit Burnley dafür, in die schottische Liga zu wechseln. Speziell im Hinblick auf den englischen TV-Vertrag und die damit verbundenen Gehälter bemerkenswert.

Dennoch gilt Celtic in dieser Saison als deutlicher Titelfavorit. Noch. Der etwas stotternde Start der Rangers unterstreicht das nur.

Aber wer redet eigentlich von der Meisterschaft, wenn es darum geht, das Old Firm zu gewinnen? Dieser Sieg ist mehr wert als der Titel. Und dass die Rangers in der Lage sind, Celtic in einem Spiel zu schlagen, zeigten sie im Frühjahr im FA-Cup-Halbfinale - wenn auch erst im Elfmeterschießen.

Rangers-Manager Mark Warburton bringt die Faszination in der Daily Mail auf den Punkt: "Es hat seit Jahren kein Old Firm in der Liga gegeben. Das Interesse im gesamten UK und auch weltweit ist riesig. Wenn man solche Spiele nicht genießt, sollte man nicht in diesem Klub spielen. Nein, dann sollte man überhaupt kein Fußball spielen."

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