Serie A
Von Oliver Birkner
Flagge des Spieltags: "Bandiere", Flaggen, nennen die Italiener herausragende, klubtreue Profis, die man ja mittlerweile an einer Hand abzählen kann. Eine der letzten "Bandiere" des Calcio neben Francesco Totti ist Gigi Buffon. Beim 1:0 in Genua überrundete der Juve-Capitano Vereinsikone Giampiero Boniperti in puncto Serie-A-Spielminuten für die Turiner. 39.706 bilanziert Gigi nun und rangiert vor Boniperti, Gaetano Scirea und Alex Del Piero. Complimenti! Es war seine gefühlt tausendste Bestmarke: Italiens Rekord-Nationalspieler (167 Einsätze), die meisten Spiele in EM-Qualifikation und Endrunden überhaupt (58), die WM in Russland wäre seine sechste und ebenfalls ein Rekord, kein Juve-Profi bilanziert wie er 101 Duelle in der Königsklasse, Ligarekord mit 974 Minuten ohne Gegentor, aktiver Spieler mit den meisten Serie-A-Partien (614), ältester Keeper im Champions-League-Viertelfinale, und und und.
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Man sollte persönliche Gefühle ja eigentlich vermeiden, doch bei einem langen Gespräch mit Buffon vergangenen Donnerstag bewies der 39-Jährige auch abseits des Rasens, was ihn zu einer außergewöhnlichen Figur im Fußball macht. Demut, Witz, Charme und Persönlichkeit mit Grips in der Birne, die über den Tellerrand blickt. Ein echter Calcio-Fanatiker, der bis heute Panini-Alben sammelt, noch als Parma-Profi seinen Heimatklub Carrarese mit der Gruppe "Commando Ultrà Indian Trips" daheim und auswärts in der Kurve verfolgte (das Kürzel C.U.I.T. ziert übrigens immer noch seine Handschuhe) und Rotz und Wasser heulte, als sein geliebtes Kamerun 1990 bei der WM ausschied. "Emotionen sind der Motor des Lebens, und, ob Freudentaumel oder Sauwut, was reißt dich mehr mit als Fußball? Vielleicht Drogen, aber die habe ich nie genommen." Sein Aufputschmittel heißt zweifelsohne Calcio.
Primetime des Spieltags: Einen Vereinsrekord stellte auch Napoli mit dem 3:2 bei Empoli auf. Überraschenderweise bedeutete es den allerersten Erfolg der Neapolitaner in der toskanischen Provinz und erstmals in der SSC-Historie gewann man in der Serie A fünf Auswärts-Partien hintereinander. Coach Maurizio Sarri war dennoch eher zum Poltern aufgelegt: "Diese Spiele um 12.30 Uhr kotzen mich an. Da kann man keinen vernünftigen Fußball liefern. Für die Roma und uns gibt es keinerlei Respekt von der Liga, denn beide Teams erhalten stets die absurdesten Ansetzungen. Deshalb ist die Roma auch kürzlich gegen Lyon aus der Europa League geflogen."
Ganz vielleicht schieden die Römer deshalb aus, weil sie in 180 Minuten 4:5 verloren. In jedem Fall stinkt auch den Tifosi seit Jahren der Lunchtime-Anstoß. Doch die Fans interessiert die Liga ohnehin bloß noch marginal, wenn es um lukrative TV-Gelder geht. 2018 wird darüber ja erneut verhandelt. Deshalb steigt Mitte April erstmals in der 118-jährigen Geschichte des Mailänder Derbys der Anstoß um 12.30 Uhr, um die chinesische Fernseh-Primetime zu bedienen. Die Mailänder Anhänger waren not amused. Egal. Hauptsache in Peking und Shanghai kreischt man abends in der Kneipe Inter und Milan zu - auf dem wundersam begehrten asiatischen Markt. Die Primetime-Kracher zuvor lauten übrigens Torino gegen Udinese und Sampdoria gegen Florenz - diese Straßenfeger kann Asien sicher kaum erwarten.
Altro? Frühe Anstoßzeiten haben jedoch ihre Planungs-Vorteile. So konnten mehrere Idioten aus Neapel eine akkurate Blitz-Attacke gegen jenen Bus ausführen, der Juve-Fans aus dem Süden gen Genua transportierte. An einer Autobahn-Raststätte flankierten zwei Autos den Reisebus, ein anderer Wagen blockierte die Auffahrt - dann ging es mit Steinen, Flaschen und Schlagstöcken rund. Der Busfahrer schaffte es schließlich doch mit einem waghalsigen Manöver, die terrorisierten Passanten wieder auf die Autobahn zu bringen. Das soll China den Italienern zur Primetime erstmal nachmachen.