SPOX: Kam dieser Job zum richtigen Zeitpunkt oder haben Sie damals gezweifelt? Über der Stadt schwebte ja das Damoklesschwert des ersten Abstiegs der Vereinsgeschichte?
Zinnbauer: Ich habe mich extrem geehrt gefühlt. Der HSV ist nicht einfach zu trainieren und auch erfahrene Trainer wie Bruno Labbadia konnten sich nach mir nicht festsetzen. In meinem Fall haben mehrere unglückliche Umstände zu einem Ende geführt. Man braucht immer dieses Quäntchen Glück, besonders als HSV-Trainer. (lacht) Trotz meiner Entlassung habe auch ich etwas dazu beigetragen, dass der HSV in der Bundesliga geblieben ist.
SPOX: Welche Rolle hat die Medienlandschaft in Hamburg für Sie gespielt, gerade in dieser sportlich schwierigen Phase?
Zinnbauer: Beim HSV gewöhnt man sich an Negativschlagzeilen, auch wenn sie natürlich niemand gerne liest. Das reißt aber auch ins andere Extrem aus. Als wir 0:0 gegen die Bayern gespielt haben, wurde ich von der Presse als Motivationskünstler und Feuerspucker gefeiert. Für mich sind die Schlagzeilen aber nicht das Hauptproblem beim HSV.
SPOX: Sondern?
Zinnbauer: Das Umfeld wird von den Medien gelenkt. Sponsoren, Fans und zum Teil auch die Verantwortlichen lassen sich davon beeinflussen. Das ist wiederum auch nur menschlich. Die Medien bestimmen die Meinung nun mal und das kann emotionale Handlungen auslösen, die objektiv gesehen vielleicht gar nicht nötig wären. Bei mir war ein Spiel gegen Gladbach der Knackpunkt: Wir haben hervorragend gespielt und geführt, aber leider den Deckel nicht draufgemacht. Als wir in der 93. Minute den Ausgleich kassiert haben, war ich angezählt.
SPOX: Ist dieses Phänomen beim HSV ausgeprägter als bei anderen Klubs?
Zinnbauer: Hamburg ist eine Medienstadt. Man wird an Ergebnissen gemessen und nicht am Auftritt der Mannschaft. Es ist eine geile Stadt mit zwei tollen Vereinen, aber man muss sich eben darauf einstellen, dass man dort früher einen Tritt bekommt. Ich persönlich hatte immer ein faires Verhältnis zu den Medien.
SPOX: War es mit zunehmender Dauer für Sie auch schwierig, weil Sie als vorheriger U23-Coach zu den gestandenen Profis kamen und zudem noch von der Vereinsführung als Trainer "bis auf Weiteres" bezeichnet wurden?
Zinnbauer: Es ist für einen Trainer sicherlich hilfreich, wenn er als Cheftrainer vorgestellt wird wie es beispielweise auch bei Julian Nagelsmann der Fall war. Allerdings hatten wir personelle Engpässe, die schwerwiegender waren als die Bezeichnung meiner Aufgabe.
SPOX: Wie wurde intern mit der Situation umgegangen?
Zinnbauer: Der HSV hat das realistisch eingeschätzt. Verein, Umfeld und auch die Fans wussten, dass wir gegen den Abstieg spielen. Aber in Hamburg ändert sich die Gemengelage manchmal schlagartig. Meiner Meinung nach würde es gut tun, in den Strukturen und in der Kaderbesetzung stabiler zu werden. Gerade der HSV könnte durchaus auf seine starke Jugendarbeit vertrauen.
SPOX: Wie beurteilen Sie die Rolle von Investor Klaus-Michael Kühne?
Zinnbauer: Kühne hat das Recht, sich in das operative Geschäft einzumischen. Wenn man so viel Geld investiert, darf man auch ein Wort mitreden. Ohne Kühne wären viele Transfers wie der von Rafael van der Vaart gar nicht möglich gewesen. Doch es gibt natürlich zwei Seiten. Schlägt ein Transfer nicht ein, hagelt es Kritik. Bei den Summen ist die oft auch gerechtfertigt.
SPOX: Sie haben als junger Spieler ein Finanzberatungsunternehmen gegründet. Wie sind Sie denn damals auf diesen Trichter gekommen, haben Sie wirtschaftliche Themen schon immer interessiert?
Zinnbauer: Ja. Neben dem Fußball habe ich eine Lehre zum Zerspanungsmechaniker und Versicherungsfachmann absolviert. Mit 22 Jahren wurde ich Außendienstmitarbeiter einer großen Versicherungsgesellschaft. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich nebenbei das Unternehmen ins Leben gerufen habe.
SPOX: Wie sah denn Ihr Alltag aus, wenn Sie nebenher auch noch zum Training mussten?
Zinnbauer: Es war nicht einfach, beides unter einen Hut zu bekommen. Vereinzelt gab es auch Gegenwind, aber es war der richtige Weg. Im Moment hätte ich keine Zeit dafür, deshalb habe ich das Unternehmen vor einem Jahr übergeben. Mittlerweile bin ich auch nicht mehr Inhaber der Unternehmensgruppe Zinnbauer.
SPOX: Ist eine Rückkehr in die Unternehmerbranche eines Tages für Sie noch vorstellbar oder war das der endgültige Schlussstrich?
Zinnbauer: Im Moment ist das für mich kein Thema. Ich bin glücklich mit meiner Aufgabe in St. Gallen und will das Projekt weiter vorantreiben. Aber so abgedroschen es auch klingen mag: Im Fußball darf man niemals nie sagen.
Joe Zinnbauer im Steckbrief