Joachim Löw war schwer beeindruckt. "England ist U20-Weltmeister und jetzt gerade auch U17-Weltmeister geworden", sagte der Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Aktuellen Sportstudio des ZDF und sieht schon für die Endrunde 2018 in Russland eine mögliche Gefahr: "Sie haben sehr viele gute junge Spieler, eine starke Liga. Wenn sie es einmal schaffen, als starke Mannschaft aufzutreten, gehören sie mit zu den WM-Favoriten."
Der Auftritt von Englands U17-Team war auf jeden Fall vom Feinsten. Im Konfettiregen schossen Steve Cooper die Tränen in die Augen. "Ich bin einfach nur stolz", sagte der Coach der englischen Nachwuchsauswahl nach dem WM-Erfolg in Asien, der ein schier unfassbares Jahr für den englischen Nachwuchsfußball krönte. Wenige Sekunden später endete das Live-Interview abrupt - die hinter der Kamera lauernden "Young Lions" fielen mit Gebrüll über ihren Chef her.
Vor 80.000 Zuschauern in Kolkata hatte England zuvor das WM-Finale gegen Spanien nach einem 0:2-Rückstand mit 5:2 (1:2) gewonnen. Erst im Juni hatte auch die U20 in Südkorea erstmals den WM-Titel geholt. "Wir sind Weltmeister - zum zweiten Mal in fünf Monaten", twitterte der englische Verband FA nach Schlusspfiff. Der früherer Nationalspieler Gary Lineker war sich sicher: "Wir haben eine neue goldene Generation."
Lineker dürfte recht behalten, denn die WM-Titel sind längst nicht alles. Auch bei der U19-EM Mitte Juli in Georgien hieß der Sieger England. Bei der U17-EM erreichte das Mutterland des Fußballs zudem das Finale, bei der U21-EM das Halbfinale. In beiden Fällen verlor England erst im Elfmeterschießen. Manche Dinge ändern sich eben nie.
Kommt der Erfolg in der A-Mannschaft?
Zumindest die chronische Erfolgslosigkeit soll sich dagegen bald ändern. "Es mag 21 Jahre her sein, dass letztmals eine englische A-Nationalmannschaft das Halbfinale eines großen Turniers erreicht hat, aber auf allen anderen Ebenen stehen die Zeichen sehr gut", schrieb die BBC: "Ganz ohne Zweifel: Im Jugendfußball gibt es große Fortschritte."
Das Finale in Indien bewies noch einmal die ganze Klasse der englischen Auswahl. Nach einem Doppelpack von Barca-Talent Sergio Gomez (10./31.) lag Spanien bereits mit 2:0 in Führung, doch England steckte nicht auf. Liverpool-Angreifer Rhian Brewster (43.) mit seinem achten (!) Turniertor, Morgan Gibbs White (58.), Phil Foden (70./87.) und Marc Guehi (84.) sorgten für die Wende.
Brewster holte sich auch die Torjägerkanone, zum besten Spieler des Turniers wurde der bei Manchester City unter Vertrag stehende Foden gekürt. Beide hoffen nun wie der Rest der Mannschaft auf Einsätze in der Premier League, denn genau hier liegt das Problem des englischen Fußballs. Chancen erhalten nur die wenigsten Toptalente, Jadon Sancho wechselte daher zuletzt zu Borussia Dortmund. Der 17-Jährige glänzte in der WM-Vorrunde mit drei Toren und zwei Assists, ehe er vorzeitig nach Deutschland zurückkehrte.
Denn zumindest das hat Deutschland den Engländern noch voraus: In der Bundesliga setzten die Trainer besonders gerne auf Teenager. Jann-Fiete Arp etwa, der bis zum Viertelfinal-Aus des DFB-Team in Indien immerhin fünf Tore erzielte, lief am Samstag für den HSV auf - und traf, mit 17 Jahren, neun Monaten und 22 Tagen als siebtjüngster Spieler der Bundesliga-Geschichte. Zumindest das hat Deutschland den Engländern noch voraus.