Australiens anhaltende Fußball-Krise: FFA vs. A-League - Verband und Liga im Machtkampf

Fans der Gruppierung "The Red and Black Bloc" zünden Feuerwerkskörper im Protest gegen die FFA.
© getty

Australiens Fußball steckt knietief in der Krise. Der nationale Verband, die Football Federation Australia, stemmt sich gegen die zur Odyssee gewordene Revolution der Profi-Klubs und Fans. Mit Hilfe der FIFA soll der nächste Super-Gau nach 2004 vermieden werden. Ausgerechnet Pyro-Technik könnte eine erste Brücke schlagen.

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Die Fan-Proteste eskalierten im Sydney-Derby zwischen den Wanderers und dem FC. Die Wanderers-Gruppierung "The Red and Black Bloc" machten im bestbesuchten Spiel der aktuellen A-League-Saison Welle gegen den australischen Verband. Mit Feuerwerkskörpern und "FCK FFA"-Shirts brachten die Anhänger ihren Unmut gegenüber der FFA zum Ausdruck.

Es war der bisherige Höhepunkt der Fan-Aktivitäten gegen den Verband. Viel länger schon bekriegen sich die Profi-Klubs und die FFA. Rund ein Jahr dauert die Revolution der A-League-Teams nun schon an. Die Forderungen nach strukturellen Änderungen sind gerechtfertigt, verkommen jedoch zur Farce, weil die Entscheidungsträger nicht von ihrer Machtstellung abrücken.

FFA gegen Profi-Klubs: Die Ursachen für den Machtkampf

Die A-League wurde 2005 als erste durch und durch professionalisierte Fußballliga in Australien gegründet. Dem Sport widerfuhr seitdem ein steter Interessen-Zuwachs. Die Liga wurde von der FFA gegründet und agiert dementsprechend heteronom. Trotz des gewaltigen Einflusses der Liga auf den australischen Fußball verfügen die Klubs über nahezu kein Mitspracherecht im Verbandskongress.

Dieser besteht aus neun regionalen Fußballverbänden und lediglich einem Vertreter der A-League. Zehn Kongress-Mitglieder bedeuten gleichzeitig das kleinste Entscheidungsgremium aller FIFA-Verbände. Ein veraltetes System, das keine demokratische Verteilung aufweist und den Klubs schon längst ein Dorn im Auge ist.

Erst durch den Weltverband kam Bewegung in die Struktur Fußball-Australiens, die zwar Stabilität verspricht, jedoch Stagnation bewirkt. Die Forderung nach Resolution dieser Machtaufteilung fand im Sommer 2017 schließlich Gehör bei der FIFA. Der FFA wurde eine Deadline gesetzt. Bis zum 30. November musste der australische Verband auf Drängen des Weltverbands über eine Strukturreform abstimmen lassen.

FFA-Antrag abgelehnt - "Lowy hat das Vertrauen verloren"

Die FFA schlug nach Beratungsgesprächen mit Vertretern der FIFA ein 9-4-1-2-Konzept vor. Die neun Föderationsmitglieder sollten bleiben. Den A-League-Klubs sollten vier, der Spielervereinigung PFA eine und dem Frauen-Fußball zwei Stimmen zugesprochen werden (für Amateur- und Profi-Bereich). Der Profi-Fußball hätte also 37,5 Prozent der Mitglieder gestellt - zu wenig für die PFA und die Klubs.

Der Antrag der FFA wurde auf einer außerordentlichen Generalversammlung am 30. September abgelehnt. Sieben der zehn Mitglieder stimmten zwar dafür, die FFA-Statuten verlangen jedoch eine Mehrheit von 75 Prozent für Verfassungsänderungen. Neben dem Vertreter der A-League lehnten die Föderationen von New South Wales und Victoria die Reform ab.

"Die Profis stimmten dagegen. Die zwei größten Regionalverbände stimmten dagegen. Es zeigt, dass Steven Lowy das Vertrauen verloren hat", sagte Greg Griffin, Klub-Boss von Adelaide United.

Gegenwind beeindruckt Lowy nicht

Lowy, der Vorsitzende der FFA, steht gemeinsam mit Geschäftsführer David Gallop für die Stagnation des Verbands. Der Sohn von Präsident Frank Lowy, der bei der Gründung der A-League entscheidend mitwirkte, beharrt auf der Unabhängigkeit des Dachverbands von Vereinen oder Spielern.

"70 Prozent der Interessensvertreter haben sich für die Resolution entschieden. Sie und das FFA-Gremium werden den Fußball nicht zurück in die schlechten, alten Zeiten driften lassen. Das Ergebnis beirrt mich kein bisschen. Wir agieren weiterhin als unabhängige Verwaltung des australischen Fußballs", sagte Lowy nach dem Entscheid im November.

Der 55 Jahre alte Unternehmer und Co-Geschäftsführer der Supermarkt-Kette Westfield Corporation warnt vor ähnlichen Verhältnissen wie vor der Gründung der A-League. In Zeiten der damaligen National Soccer League existierte kein Entscheidungsgremium. Vielmehr teilten mehrere zerstrittene Parteien die Leitung des australischen Fußballs unter sich auf. Lowy befürchtet im Falle eines deutlichen Machtzuwachses auf Seiten der Klubs und Spieler, denen er "Eigeninteresse" vorwirft, eine Zeitreise ins vergangene Jahrhundert.

FFA abhängig vom Gewinn der A-League

Dieses gewisse Maß an Eigeninteresse steht der A-League allerdings zu. Immerhin generiert Australiens Top-Liga rund 73 Prozent der FFA-Einnahmen, die Nationalmannschaften der Socceroos steuern etwa zwölf Prozent bei. Die FFA ist also auf ihre Klubs und Spieler angewiesen.

Weniger als ein Viertel der Gesamteinnahmen der FFA erhalten eben jene Protagonisten, weshalb die Rufe nach Autonomie immer lauter werden. Möglicherweise fürchtet der Dachverband insbesondere aufgrund der monetären Abhängigkeit der Profi-Ligen einen Machtverlust.

Lowy argumentiert, dass der Erfolg der A-League der vergangenen Jahre auf die Kontinuität der FFA zurückzuführen sei. Beim global wachsenden Interesse am Fußball wäre das ein Trugschluss, zumal die A-League den Nationalsportarten wie Rugby, Australian Football oder Pferdesport noch immer weit hinterherhinkt. Ein Blick auf die besten TV-Einschaltquoten des Jahres 2017 verrät: Sport regiert in Australien, der Fußball jedoch nicht.

Rang

Begegnung

Event

Sportart

TV-Zuschauer

1

Queensland - New South Wales

State of Origin, Spiel 3

Rugby

3,705 Millionen

2

Federer - Nadal

Australian Open, Finale

Tennis

3,636 Millionen

3

Adelaide -Richmond

AFL Grand Final

Australian Football

3,562 Millionen

4

Queensland - New South Wales

State of Origin, Spiel 1

Rugby

3,562 Millionen

5

- (Medaillenvergabe)

AFL Grand Final

Australian Football

3,558 Millionen

6

- (Reality-Serie)

-

-

3,553 Millionen

7

Queensland - New South Wales

State of Origin, Spiel 2

Australian Football

3,513 Millionen

8

Melbourne Storm - North Queensland Cowboys

NRL Grand Final

Rugby

3,378 Millionen

Zuschauer-Rücklauf in Australiens Fußball-Stadien

Von einer erfolgreichen Entwicklung kann nicht die Rede sein. Stattdessen stand die FFA immer wieder für ihre Kultur-ferne, Profit-orientierte Politik in der Kritik.

Die Stadien werden leerer. Der Zuschauer-Rücklauf lässt sich auf mehrere Ursachen zurückführen. Zum einen kann die Liga aufgrund der ungerechten Finanzverteilung im internationalen Vergleich nicht mit den liquideren Ligen mithalten. Zudem hält eine Gehaltsobergrenze Investoren und Spieler fern. Spektakuläre Transfers europäischer Top-Stars bleiben aus. Bezeichnend dafür: Der Rekordneuzugang der A-League-Historie ist Shane Smeltz, der 2011 für 900.000 Euro von Gold Coast Uniteds zu Perth Glory wechselte.

Darüber hinaus fordern Fans strukturelle Änderungen wie familienfreundlichere Spielansetzungen oder eine Annäherung an Fan-Bedürfnisse durch eine erhöhte Integration von Stehplätzen. "Ich predige seit Jahren, dass die Entscheidungsträger im australischen Fußball die Leidenschaft und Kultur der Fußball-Fans annehmen müssen. Kehrt der Kultur nicht den Rücken. Entwickelt Lösungen und verhängt nicht Verbote gegen Spieler oder Klubs", schrieb Shannon Cole, ehemals Verteidiger der Western Sydney Wanderers, bei Facebook.

So verwundert es nicht, dass "Australiens größter Klub-Wettbewerb", wie Lowy immer wieder betont, einen Zuschauer-Rückfluss verzeichnet.

Durchschnittliche Zuschauerzahlen der A-League (Rekord liegt bei 14610)

Saison (Regular Season)

Durchschnittliche Zuschauerzahl

2013/14

13041

2014/15

12511

2015/16

12326

2016/17

12294

2017/18 (Stand: 22 von 27 Spieltagen)

11010

Die FFA flüchtet sich in Ausreden. Der Erfolg eines Klubs sei mitentscheidend für die Besucherzahl. Sydney FC-Boss Danny Townsend wirkt dem entgegen: "Es ist ein Irrglaube, dass Siege und Erfolg im Sport Zuschauer anziehen. Wir sind der lebende Beweis. Wir können nicht mehr Trophäen gewinnen oder noch besseren Fußball spielen. Das demonstriert, dass wir härter daran arbeiten müssen, die Leute ins Stadion zu bringen. Es geht um Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Fan-Erfahrung."

Erste Annäherungsversuche: FFA reicht Fans die Hand

Hoffnung auf baldige Veränderungen gibt es wenig. Erst im Februar tagte eine Delegation der FIFA mit den wichtigsten Interessensvertretern, um Lösungen für den gescheiterten Reformversuch zu erarbeiten. Der Zwiespalt soll schließlich nicht in einer Auflösung der Liga enden (wie 2004). Dafür sind jedoch Kompromisse unumgänglich. Immerhin 13 Forderungen stellten PFA und A-League am Tag der Abstimmung im vergangenen November.

Nicht anwesend bei der womöglich richtungsweisendsten Sitzung des australischen Fußballs in den vergangenen 13 Jahren: Steven Lowy. Der FFA-Vorsitzende ließ sich aufgrund von "Geschäftsverpflichtungen" seines Supermarkt-Unternehmens entschuldigen.

Immerhin scheint der Dachverband die Fan-Proteste langsam zu registrieren. Die FFA unterstützt offenbar die kontrollierte Legalisierung von Feuerwerkskörpern in Stadien. Ein bahnbrechender Schritt eines eingerosteten Verbands? Zumindest reicht die FFA den Fans die Hand, findet Liga-Chef Greg O'Rourke: "Sicherer Rauch ist kein Allheilmittel, aber es ist ein Teil der Fan-Kultur. Es ist klar, dass wir etwas für die Beziehung zwischen Klubs, Fans und FFA tun müssen."

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