Die Klub-Saison im europäischen Spitzenfußball ist beendet. Es wird aber noch bis zum 23. September dauern, bis feststeht, wer Weltfußballer des Jahres 2019 wird. Bei SPOX diskutieren drei Redakteure ihre Favoriten.
"The Best FIFA Football Awards" werden dieses Jahr im weltberühmten Opernhaus Scala in Mailand vergeben. Die dritte Ausgabe dieser prestigeträchtigen Veranstaltung hatte im vergangenen Herbst in London stattgefunden.
In Englands Hauptstadt waren der kroatische Vizeweltmeister Luka Modric und die Brasilianerin Marta als Beste ihres Fachs ausgezeichnet worden. Doch wer erhält die Trophäe bei den Männern für die Saison 2018/2019?
Die SPOX-Redakteure Martin Volkmar, Jochen Tittmar und Kerry Hau nennen die Gründe für ihren jeweiligen Favoriten.
Von Martin Volkmar (SPOX-Chefredakteur)
Aus meiner Sicht muss ein Weltfußballer nicht nur herausragende individuelle Qualitäten haben, sondern auch mit seiner Mannschaft erfolgreich gewesen sein. Sonst hätte in der letzten Dekade eigentlich immer Lionel Messi gewinnen müssen, aber dazu war der FC Barcelona in dieser Saison nicht gut genug.
Mehr noch: Im Halbfinal-Rückspiel wurde Barca vom FC Liverpool auseinandergenommen und Messi war so schwach, wie ich ihn im Klub fast nie gesehen habe.
Nicht nur wegen dieses Spiels ist Liverpool für mich die Mannschaft des Jahres. Die trotz Platz zwei herausragende Premier-League-Saison und vor allem der Champions-League-Triumph sprechen eine eindeutige Sprache. Deshalb muss der Weltfußballer diesmal aus den Reihen der Reds kommen.
Torhüter Alisson und Abwehrchef Virgil van Dijk hätten es sicher verdient, ich plädiere aber für Mo Salah. Der Ägypter war zum zweiten Mal in Folge bester Torschütze der hochkarätig besetzten Premier League und traf auch in der Königsklasse in den wichtigen Begegnungen, vor allem zur Führung im Finale.
Das letzte Mal, dass Salah abgemeldet wurde, war im Endspiel ein Jahr zuvor - durch eine hinterhältige Aktion von Reals Sergio Ramos, nach der Liverpools Torjäger verletzt ausgewechselt werden musste. Umso mehr schloss sich mit dem Titel dieses Jahr der Kreis.
Zudem wäre es 24 Jahre nach George Weah auch ein wichtiges und richtiges Zeichen, wenn der Weltfußballer zum zweiten Mal aus Afrika käme. Nicht aus symbolischen Gründen, sondern weil er der Beste war.
Von Jochen Tittmar (SPOX-Redakteur)
Weltfußballer = Messi oder Ronaldo. So war's die letzten Jahre fast immer, fast immer auch berechtigt. Dennoch kam es im Vorjahr fast schon einer Genugtuung gleich, als mit Luka Modric mal ein anderer Spieler die Trophäe einheimste - und zwar verdientermaßen.
Bei Modric kam 2018 neben seinen starken Leistungen und dem CL-Gewinn auch der zweite Platz bei der WM erschwerend hinzu. In der abgelaufenen Saison konnten die europäischen Nationalteams keine Titel gewinnen - daher kann auch für mich nur ein Liverpool-Spieler nächster Weltfußballer werden.
Denn dass die Reds mit der historischen Vizemeisterschaft und dem Sieg in der Königsklasse eine herausragende Saison gespielt haben, steht ja außer Frage und belegt in meinen Augen, dass Liverpool die konstanteste und somit beste Mannschaft Europas war.
Mein Favorit ist aber Virgil van Dijk. Auch, weil ich es sehr sympatisch fände, wenn nach Fabio Cannavaro 2006 zum zweiten Mal in der Geschichte ein Abwehrspieler ausgezeichnet würde.
Die Defensive gewinnt die Titel, heißt es ja verkürzt gesagt im Englischen und van Dijk war für mich der personifizierte Garant dafür, dass der LFC diese immense Stabilität aufwies, um eine solche Konstanz über die gesamte Spielzeit hinzukriegen. Untermalt wird dies vom irren Fakt, dass er in der kompletten Saison wettbewerbsübergreifend kein einziges Mal (!) ausgedribbelt wurde.
Natürlich hätte auch die Wahl eines LFC-Offensivspielers wie der Liga-Torschützenkönige Salah oder Sadio Mane seine Berechtigung. Der große Schritt, den die Reds im Vergleich zum Vorjahr gingen, hatte allerdings weniger mit einer verbesserten Offensivleistung, als mit der fast unüberwindbaren Defensivabteilung zu tun.
Von Kerry Hau (SPOX-Redakteur)
Vorab: Ich sehe von Liverpool nur van Dijk als echten Anwärter, weil er der konstanteste Leistungsträger des LFC war. Aber ist er wirklich der beste Fußballer der Welt? Der, der am meisten den Unterschied ausmacht? Der, der das Spiel am beeindruckendsten praktiziert?
Nein. Das ist für mich nach dieser Saison Lionel Messi. Es gibt niemanden, der besser spielt als er. Wenn wir die wahnsinnigen Zahlen von 51 Toren und 22 Vorlagen in 50 Spielen mal ausklammern und uns nur die Frage stellen, wer das Spiel mehr an sich reißt und prägt als Messi, dann gibt es keine andere Antwort.
Der Argentinier trägt seine Mannschaft fast allein, während van Dijk eine von vielen Liverpooler Säulen ist. Deshalb thronen die Reds ja auch an der Spitze Europas. Weil sie eine starke Einheit bilden, weil sie weitere Ausnahmespieler wie Alisson, Mane oder Salah in ihren Reihen wissen und nebenbei noch eiskalte Joker wie Divock Origi haben, auf die Verlass ist.
Barca aber hat mit wenigen Ausnahmen nur einen konstant starken Feldspieler: Messi. Die Katalanen sind noch mehr als von den Paraden Marc-Andre ter Stegens von den Toren des 31-Jährigen abhängig. Und der hätte sie ja auch fast im Alleingang ins Finale der Königsklasse geschossen, wäre dieses irre Rückspiel in Anfield nicht gewesen.
Ihm wegen dieser Partie die Tauglichkeit für den Weltfußballer-Titel abzusprechen, wird seiner herausragenden Saison mit all den Gala-Auftritten und Traumtoren nicht gerecht.