Im Interview mit SPOX und Goal erklärt Jung, warum er die Corona-Pandemie als Chance für alle sieht, wie es zum Abschied von Ralf Rangnick in Leipzig kam und warum er im Sommer zurück nach Deutschland wechseln will.
Herr Jung, wie lebt es sich in Zeiten der Corona-Pandemie in unserem Nachbarland Dänemark?
Anthony Jung: Eigentlich sehr gut. Natürlich merkt man in Kopenhagen die Einschränkungen schon ein bisschen. Wir leben in einem Viertel mit vielen Bars, Cafes und Restaurants. Viele stellen gerade aufs Take-Away-Prinzip um, aber ansonsten sind alle noch sehr gelassen. In meinem Umfeld hat sich zum Glück noch keiner infiziert. Und meine Frau und ich kaufen das Toilettenpapier auch noch in normalen Mengen. (lacht)
Können Sie die Panik einiger Menschen verstehen?
Jung: Klar, sogar sehr gut. Vor allem, wenn man zu einer Risikogruppe gehört. Aber warum werden alle Regale leergekauft? Einer meiner Mitspieler musste fünf Supermärkte anfahren, bis er endlich Windeln für sein Baby bekommen hat. Wenn ich dann noch von Corona-Partys lese ... Da hoffe ich einfach bei allen auf einen gesunden Menschenverstand und die nötige Zurückhaltung, um diese Situation einigermaßen erträglich zu meistern.
Haben Sie Angst vor dem Virus?
Jung: Nein, denn wir können uns so richtig auch nicht wehren. Wir werden die Ausbreitung zwar eindämmen, aber viele Menschen werden den Virus kriegen. Da helfen dann auch keine Masken.
Sie glauben also, man muss sich letztlich damit abfinden?
Jung: Ja. Vor allem haben wir jetzt Zeit, uns über viele Dinge Gedanken zu machen. Die Situation zeigt uns deutlich, dass es um viel mehr geht, als um irgendeinen Sport. Jetzt sind andere Sachen wichtiger, wie die Berufszweige, die bisher nicht so im Fokus standen. Es ist einfach ein anderer Druck, als Fußballer im Pokalfinale in der 90. Minute einen Elfmeter schießen zu müssen oder als Arzt über Leben und Tod zu entscheiden. Diese Art Druck ist viel höher. Und die Personen, die das aushalten, sind für mich gerade die wahren Helden.
Die ersten Fußball-Teams und - Spieler zeigen sich solidarisch und spenden Teile Ihrer Gehälter oder Prämien. Wird das bei Ihnen in der Mannschaft auch diskutiert?
Jung: Bei uns im WhatsApp-Chat ist es momentan eigentlich relativ ruhig. Vereinzelt liest man da ein paar Hinweise oder Infos. Ich muss auch sagen, dass Bröndby IF, obwohl wir ein Traditionsklub mit der größten Anhängerschaft im Land sind, keine Millionengehälter zahlt und das Geld so locker sitzt. Ich finde es aber richtig gut und wichtig, dass alle jetzt zusammenstehen und sich gegenseitig unterstützen.
Wie haben Sie die Ankündigung über die Aussetzung der dänischen Superligaen erlebt?
Jung: Wir wurden erst zwei Stunden vor unserem Heimspiel gegen Sönderjyske darüber informiert. Ich war schon ziemlich verärgert, denn wir hätten gern weitergespielt, auch wenn vorher schon Spiele abgesagt worden sind. Das war aber die richtige Entscheidung, wenn man sieht, was gerade los und wie ernst die Lage ist.
Findet bei Ihnen noch geregeltes Mannschaftstraining statt?
Jung: Nein, mit der Spielabsage wurden wir alle auch umgehend nach Hause beordert. Wir waren am nächsten Tag noch auf dem Trainingsgelände, dort wurde das komplette Fitnesscenter ausgeräumt. Das sah schon lustig aus, wie die Hanteln, Stangen und Kettlebells verteilt wurden. Ich habe noch ein Fitnessrad ergattert, das ich zusammen mit einem unserer Physiotherapeuten in meinen Kofferraum geladen habe. Ich habe zuhause zwar viele Materialien wie zum Beispiel Terrabänder, um Stabilisationsübungen durchzuführen, aber einen vollausgestatteten Fitnessraum habe ich nicht.
Und wie trainieren Sie jetzt?
Jung: Wir haben Trainingspläne vom Athletiktrainer bekommen, die hauptsächlich Laufeinheiten beinhalten. Das ist so eine Art Vorbereitungsprogramm auf die Vorbereitung der Restsaison. Dann fahre ich zuhause viel Fahrrad und mache Kraft- und Dehnübungen. Und mit den Hunden sind wir auch täglich häufig draußen, das ist auch eine kleine Einheit. (lacht) Mit dem Ball bin ich aber weniger unterwegs, das fehlt schon.
Nun bleibt viel Zeit für andere Sachen, oder?
Jung: Ja, ich kann endlich mal wieder ein bisschen länger an der Playstation spielen. Das entspannt mich. Momentan treffe ich mich dazu online oft mit Mathew Leckie (Hertha BSC, Anm. d. Red.) und Matthias Morys (SG Sonnenhof Großaspach, Anm. d. Red.). So vertiefen wir wieder den Kontakt und zocken dabei noch ein bisschen.
Haben Sie nicht überlegt, die Zeit bis es wieder losgeht, in Deutschland zu verbringen?
Jung: Nein, überhaupt nicht. Das dürfte ich auch nicht, da wir Spieler auf Abruf bereitstehen müssen, weil es ja jederzeit wieder mit dem Training losgehen könnte. Ich wüsste auch gar nicht genau, ob ich als Pendler gelte und in dieser Zeit einfach so ein- und wieder ausreisen dürfte.
Beunruhigt Sie die Lage in Deutschland?
Jung: Natürlich macht man sich Gedanken. Zum Glück ist auch bei meiner Familie und im Umfeld keiner betroffen. Ich telefoniere fast täglich mit meiner Mutter in Wiesbaden. Das habe ich aber vorher auch schon getan, deshalb bin ich schon beruhigt. Aber wenn wir da so drüber reden, ist das schon ein komisches Gefühl.
Könnten Sie sich denn sportlich eine Rückkehr nach Deutschland vorstellen?
Jung: Ja, das ist das Ziel. Wir fühlen uns bei Bröndby und in der wundervollen Stadt Kopenhagen richtig wohl. Meine Frau und ich sind aber extreme Familienmenschen und wollen gern wieder näher an unserer Heimat und unseren Verwandten sein.
Warum sind Sie im Winter dann nicht zum VfL Bochum gewechselt?
Jung: Das wollte ich schon, aber Bröndby hatte davor schon meinen Freund Dominik Kaiser nach Hannover und den Top-Scorer Kamil Wilczek in die Türkei abgegeben. Deshalb wurde meinem Wechsel ein Riegel vorgeschoben. Da konnte ich den Verein auch verstehen.
Gibt es jetzt schon neue Angebote?
Jung: Nein, dafür ist es in dieser Situation noch zu früh, um darüber zu sprechen. Ich habe noch ein Jahr Vertrag und höre mir alles genau an. Noch einmal Bundesliga zu spielen wäre ein Traum. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, bei einem ambitionierten Klub in der 2. Bundesliga zu unterschreiben. Das ist, glaube ich, auch ein realistisches Ziel.
Hätten Sie sich mit der Erfahrung aus den drei Jahren bei Bröndby damals bei RB Leipzig durchgesetzt?
Jung: Ich habe definitiv sehr viel gelernt und bin mindestens einen Schritt weiter. Mir hätte die eine oder andere Erfahrung, vor allem in meinem Spiel, das wesentlich variabler geworden ist, sicherlich geholfen. Ob das jedoch gereicht hätte, einen Stammplatz zu ergattern, das kann ich nicht beurteilen. Ich freue mich einfach, dass ich bei Bröndby nicht nur als Spieler, sondern auch als Persönlichkeit gereift bin.
Warum haben RB Leipzig und Ralf Rangnick nicht mehr mit Ihnen geplant?
Jung: Ralf Rangnick hätte mich gern behalten, er wollte mir aber keine Steine in den Weg legen. Denn auf dem Abstellgleis stand ich nicht, ich wurde aber meist nur eingewechselt und war mehr so die sichere Nummer 12. Ingolstadt hatte aber großes Interesse gezeigt und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich mehr Spielzeit brauche. Es wurde dann ein sehr turbulentes Jahr und mit der Leihe war für mich der Zug in Leipzig irgendwie abgefahren. Vielleicht wäre es besser gewesen, nach dem Bundesliga-Aufstieg in Leipzig zu bleiben. Aber ich schaue da nicht im Groll zurück.