Christian Träsch im Interview: "Viele verstehen nicht, dass nicht alle vom Fußball leben können"

Von Michael Reis
Christian Träsch spielte in Deutschland zuletzt für den FC Ingolstadt.
© twitter.com/AlWaslSC

Weltweit hat die Corona-Pandemie den Fußball lahmgelegt. SPOX und Goal haben mit deutschen Profis rund um den Globus über die eigene und die Situation im jeweiligen Land gesprochen. Diesmal: Christian Träsch.

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Ex-Nationalspieler Christian Träsch (32), der 207 Bundesliga-Spiele für den VfL Wolfsburg und den VfB Stuttgart absolviert hat, wechselte Anfang Februar zum arabischen Traditionsklub Al-Wasl in die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Interview erklärt er, wie er in Dubai von der Coronakrise betroffen ist, warum er mit seiner Familie den Schritt in die Emirate gewählt hat und welche Probleme er im Profifußball generell sieht.

Herr Träsch, wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?

Christian Träsch: Uns geht es zum Glück gut. Wir sind alle wohlauf. Wir genießen es gerade, dass wir jeden Tag mit Sonne und Meer aufwachen dürfen. Und zum Glück dürfen wir das Haus noch verlassen. Es ist aber wirklich unfassbar, wie schnell sich die Situation gerade in der Welt dramatisiert.

Wie macht sich die Coronakrise in den Emiraten bemerkbar?

Träsch: Seit zwei Wochen sind die Schulen geschlossen. Auch einige öffentliche Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten. Die Einreise ist ebenfalls erschwert. Ansonsten läuft das Leben bei uns in Dubai eigentlich relativ normal weiter. Auch wenn man schon merkt, dass die Bevölkerung ein wenig angespannter ist.

Spielen Sie noch Fußball?

Träsch: Ja, zum Glück findet das Training bei uns weiter wie geplant statt. Wir versuchen, den Rhythmus zu halten, auch wenn die Liga vorläufig ausgesetzt ist.

Trauen Sie sich denn noch wie sonst in die Öffentlichkeit?

Träsch: Im Großen und Ganzen schon. Aber wir tragen mittlerweile einfache Schutzmasken, wenn wir Einkaufen gehen. Wir beschränken die Wege auf das Nötigste.

Christian Träsch: "Was haben diese Menschen denn bitte nicht verstanden?"

Gibt es auch bei Ihnen Hamsterkäufe?

Träsch: (lacht) Nein, soweit ist es noch nicht, aber man kauft schon bewusster ein. Wir bewegen uns auch weniger in den Tourismus-Hotspots. Ich habe von meinen Mitspielern Tipps bekommen, wo man günstiger einkauft. Da bezahlen die Einheimischen nur die Hälfte.

Was unternehmen Sie sonst in der Freizeit?

Träsch: Die Kinder haben ein Homeschooling-Programm und absolvieren so ihre Hausaufgaben und bleiben auf dem Laufenden. Wir haben ansonsten das große Glück, dass wir in einem Appartementkomplex wohnen, der einen eigenen Strandabschnitt hat. Einen Pool haben wir auch, aber der wurde mittlerweile ebenfalls geschlossen. Mein Frau und ich versuchen derweil, unser Arabisch zu verbessern.

Durch die Coronakrise steht die gesamte Welt mehr oder weniger still. Welche Gedanken gehen Ihnen dabei durch den Kopf?

Träsch: Man überlegt, worauf es im Leben eigentlich ankommt. Klar, wir Fußballer sind Stars, denen man zujubelt. Aber die wahren Helden sind andere. Das sind die Menschen, die jetzt in den Krankhäusern, Pflegeheimen, Supermärkten und Apotheken dafür sorgen, dass die Kranken genesen und wir alle versorgt werden. Wenn ich dann höre, dass in Deutschland Corona-Partys gefeiert wurden, dann fasse ich mir nur noch an den Kopf. Was haben diese Menschen denn bitte nicht verstanden? Ich hoffe sehr, dass uns diese Situation zum Umdenken bewegt.

Sind in Ihrer Familie in Deutschland alle wohlauf?

Träsch: Zum Glück ja. Eigentlich wollten uns unsere Eltern und viele Freunde besuchen, aber das ist momentan leider nicht mehr möglich. Mal schauen, ob wir das noch hinbekommen.

Christian Träsch: "Ich wurde brutal an der Mittellinie umgetreten"

Ihr Vertrag läuft ja nur bis zum Juni?

Träsch: Genau. Und wie es danach weitergeht, weiß noch keiner. Das hängt sicherlich auch von der Entwicklung der Pandemie ab. Wir fühlen uns auf jeden Fall richtig wohl hier und lassen alles auf uns zukommen.

Sie haben erst zwei Spiele absolviert. Wie ist Ihr Eindruck vom Fußball in den Emiraten?

Träsch: Man darf das Niveau nicht unterschätzen. Die können hier alle schon richtig gut kicken. Der einzige Unterschied ist, dass bei einem Ballverlust nicht sofort wieder ins Gegenpressing gegangen wird. Da stellt man sich eher erst einmal hinten rein und wartet ab. Die Intensität ist also ein wenig geringer. Leider wurde ich im Ligaspiel brutal an der Mittellinie umgetreten und musste die nächsten Partien aussetzen. Meine Schulter hat einen kleinen Knacks bekommen. Von daher kommt mir die Pause eigentlich ganz recht.

Wie ist der Kontakt zu Al-Wasl eigentlich zustande gekommen?

Träsch: Mein ehemaliger Ingolstädter Teamkollege Lucas Galvao war im Sommer hierher gewechselt. Der Verein suchte einen Spieler wie mich und Lucas gab den Tipp. Trainer Laurentiu Reghecampf rief mich dann an und wir haben uns geeinigt. Zum Glück war meine Familie auch einverstanden, sonst hätte ich diesen Schritt nicht gewagt.

Sie waren seit Sommer ohne Verein. Böse Zungen behaupten, Sie wären wegen des Geldes zu einem Scheichklub gewechselt.

Träsch: Nein, wenn es ums Geld gegangen wäre, dann hätte ich schon im Sommer woanders unterschreiben können. Und Al-Wasl ist zwar auch ein Scheichklub, aber der Etat ist nicht so hoch. Ich wollte nicht mehr bei irgendeinem Klub unterschreiben, nur um Fußball zu spielen. Ich hatte ein Angebot aus Australien, von Melbourne Victory mit dem damaligen Trainer Marco Kurz. Aber da wäre die Reisezeit in die Heimat und zu den Auswärtsspielen viel zu lang gewesen. Bei Dinamo Zagreb hätte ich einmal im Monat Champions League spielen können. Und in Deutschland gab es auch Angebote. Zu pendeln kam für mich aber nicht infrage. Am Ende ist mir die Zeit fürs Leben mit der Familie wichtiger. Das Paket bei Al-Wasl stimmt einfach. Wenn wir im Juni wieder gehen müssten, hätten wir als Familie enorm viel Erfahrungen gesammelt. Und die Kinder hätten als größtes Geschenk eine Fremdsprache dazu gewonnen.

Christian Träsch: "Die Vereine lassen die Aufsichtspflicht vermissen"

Kommt eine Rückkehr nach Deutschland für Sie noch in Frage?

Träsch: Ja, aber da müssten die Rahmenbedingungen für mich und meine Familie und die Perspektive des Vereins schon stimmen. Aber momentan könnten wir uns eher vorstellen, in Dubai zu bleiben. Ansonsten würde ich dem Fußball nach meiner aktiven Karriere gern in einer anderen Funktion erhalten bleiben.

Als Trainer?

Träsch: Das gerade nicht. Ich habe damals beim VfL Wolfsburg zusammen mit Marcel Schäfer ein Fernstudium im Sportmanagement erfolgreich absolviert. Der Bereich interessiert mich. Und man sieht bei Marcel, welchen positiven Weg er gerade geht.

Das Thema Geld wird im Fußball immer wichtiger. Es gibt hohe Ablösesummen. Und mit 18 Jahren verdienen die Spieler schon Millionen. Finden Sie das richtig?

Träsch: So ist der Markt. Aber die jungen Spieler werden nicht richtig darauf vorbereitet. Die Vereine lassen die Aufsichtspflicht vermissen. Aber es ist auch nicht so einfach: Auf der einen Seite möchte man seine Spieler erziehen. Auf der anderen sie aber auch halten und mit ihnen vielleicht auch Gewinn erwirtschaften. Es sind ja auch nicht viele, die so gut verdienen.

Was passiert mit den Spielern, die nicht so viel Geld einstreichen?

Träsch: Das kommt darauf an, ob sie nebenbei etwas gelernt haben. Wer das nicht gemacht hat, der steht am Ende der Karriere ohne etwas da. Der hat nur den Fußball. Viele verstehen nicht, dass nicht jeder vom Fußball leben kann und viele hoffnungsvolle Talente noch nicht einmal den Sprung zu den Profis schaffen.

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