Ex-Barca-Talent Cristian Hidalgo im Interview: "Ronaldinho hat mich ständig veräppelt"

Cristian Hidalgo spielte unter anderem mit Ronaldinho beim FC Barcelona zusammen.
© SPOX
Cookie-Einstellungen

Sie wechselten nach Zypern. Bei Ihrem neuen Verein Alki Larnaka blieben Sie aber nur ein halbes Jahr.

Hidalgo: Es war eine Erfahrung zum Vergessen. Nach einem Monat wurden ein paar ausländische Teamkollegen und ich nicht mehr bezahlt. Unter ihnen befanden sich noch weitere Spanier wie Jonathan Aspas, der ältere Bruder von Iago Aspas. Wir kehrten daraufhin nach Spanien zurück und reichten eine Klage bei der FIFA ein, doch die konnte uns erst einmal nicht helfen, weil sich der Verein plötzlich umbenannt hatte. Erst ein paar Jahre später wurde der Verein bestraft. Heute existiert er nicht mehr.

Ihr Weg wurde daraufhin immer unübersichtlicher: Sie gingen nach Bulgarien, Israel, Indien, Marokko und Rumänien, blieben fast nie länger als ein Jahr in einem Land. Warum?

Hidalgo: Mir war natürlich klar, dass ich als Fußballer nicht mehr groß rauskommen würde, aber ich wollte damit weiter mein Geld verdienen und hatte keine Angst vor neuen Abenteuern. Dass ich gemeinsam mit meiner Familie neue Kulturen kennenlernte, war ein positiver Nebeneffekt. In Israel hatten wir unsere beste Zeit. Landschaftlich und kulturell hat das Land unheimlich viel zu bieten, außerdem haben die Menschen uns sehr freundlich behandelt.

Wie gingen Sie mit der politisch angespannten Lage in Israel um?

Hidalgo: Davon bekamen wir wenig mit. Außer an unserem letzten Tag auf dem Weg zum Flughafen, als wir in der Bahn saßen und irgendwo ein paar Kilometer weiter plötzlich eine Rakete in der Nähe eines Strands einschlug. Man sagte uns zwar relativ schnell, dass wir nichts zu befürchten hätten, trotzdem war es ein beängstigendes Gefühl.

Hidalgo: "Nicht sicher, ob sie nur schliefen oder tot waren"

In welchem Land machten Sie Ihre schlechteste Erfahrung?

Hidalgo: In Rumänien, wo ich vor meiner Rückkehr nach Spanien kurze Zeit für einen Zweitligisten spielte. Dort bezahlten sie mich wieder nicht richtig. Als meine damals hochschwangere Frau nach Spanien musste, um das Kind zu gebären, bat ich den Verein darum, sie begleiten zu dürfen. Der Vorstand ließ mich aber nicht, weil er der Meinung war, mich bezahlt zu haben, was schlichtweg gelogen war. Es war ein riesiges Theater. In Indien lief es mir aber auch hin und wieder kalt den Rücken herunter.

Inwiefern?

Hidalgo: Mehr als zwei Drittel der Menschen in Indien leben in Armut. Das ist viel schlimmer, als man sich das vorstellen kann. Ich hielt mich meistens im Hotel auf, aber wenn ich mal auf der Straße unterwegs war, sah ich viele schreckliche Dinge. Dort lagen mit Planen abgedeckte Menschen in Ecken, bei denen ich mir nicht sicher war, ob sie nur schliefen oder tot waren. Kinder, die wenig oder überhaupt nichts zum Anziehen hatten und auf Müllhalden nach Essbarem suchten oder mit dem Müll spielten, weil sie nichts anderes hatten. Wenn man ihnen eine Rupie, umgerechnet etwas mehr als zehn Cent, oder ein paar Süßigkeiten gab, flippten sie vor Freude aus. Diese Bilder werden mir nie aus dem Kopf gehen.

Welche Lehren zogen Sie aus diesen Erlebnissen?

Hidalgo: Vor allem die Zeit in Indien hat mir gezeigt, wie dankbar man sich schätzen kann, ein Dach über dem Kopf und einen vollen Kühlschrank zu haben. Es gab ja tatsächlich Leute, die dort glücklich mit den wenigen Dingen waren, die sie hatten. Und dann gehst du zurück nach Europa und merkst, dass sich die Leute dort ständig über Probleme beschweren, die eigentlich gar keine sind.

Die Stationen von Cristian Hidalgo

VereinLandZeitraum
FC BarcelonaSpanien2003 - 2006
Deportivo La CorunaSpanien2006 - 2009
Hercules AlicanteSpanien2009 - 2011
FC ElcheSpanien2012
Alki LarnacaZypern2012
Cherno MoreBulgarien2013
Bnei SakhninIsrael2013 - 2014
FC ChennaiyinIndien2014 - 2015
Mogreb Atletico TetuanMarokko2015 - 2016
FC CeahlaulRumänien2016
Esport Club GranollersSpanien2016 -2017
UE La JonqueraSpanien2017 - 2018
FC MartinencSpanien2018
FC OrdinoAndorra2018 - heute

Hidalgo: "In Casablanca flogen uns Steine entgegen"

Welche sportlichen Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit in Indien? Sie hatten beim FC Chennaiyin in Marco Materazzi einen Weltmeister von 2006 als Vorgesetzten.

Hidalgo:. Er war Spielertrainer und ging in so mancher Trainingseinheit mit offener Sohle in den Zweikampf, um den Chef zu markieren. Ein verrückter Kerl, aber total lustig. Wir saßen abends häufiger mit ihm und Alessandro Nesta zusammen, der ja kurz nach mir auch noch zu Chennaiyin kam.

Wie oft kam dabei der Kopfstoß von Zinedine Zidane zur Sprache?

Hidalgo: Ein paar Mal. (lacht) Generell wurde sehr viel gelacht. Manchmal dachte ich mir: Jetzt sitzt du hier mit zwei Weltmeistern aus Italien an einem Esstisch, die einen Witz nach dem anderen reißen. In Indien. Das ist doch irgendwie verrückt. Andererseits war die Liga damals sehr beliebt bei ehemaligen Top-Stars aus Europa. Robert Pires, Nicolas Anelka, Alessandro del Piero, Joan Capdevila und ein paar andere waren auch dort.

Wie war die Atmosphäre in den Stadien?

Hidalgo: Sehr gut, obwohl Fußball in Indien nicht einmal die Sportart Nummer eins ist. Wenn wir über die Stimmung in den Stadien sprechen, muss ich aber Marokko nennen. So etwas habe ich nirgendwo sonst erlebt. Die Stadien sind fast aus allen Nähten geplatzt, die Fans unheimlich leidenschaftlich und heißblütig, teilweise wurde es sogar zu extrem. Bei einem Auswärtsspiel in Casablanca flogen uns einmal Steine von den Rängen entgegen. Da war man froh, wenn man heil nach Hause kam.

Cristian Hidalgo (l.) zu seiner Zeit in Indien mit Spielertrainer Marco Materazzi.
© Privat
Cristian Hidalgo (l.) zu seiner Zeit in Indien mit Spielertrainer Marco Materazzi.

Hidalgo: Barca? "Es langweilt mich"

Heute spielen Sie in Andorra, knapp drei Autostunden von ihrem Heimatort Badalona entfernt. Wie lange stehen Sie noch auf dem Rasen?

Hidalgo: Mal sehen. Aufgrund der Coronakrise steht der Fußball aktuell ohnehin im Hintergrund. Mich kitzelt es aber in den Füßen. Geht es nach mir, spiele ich noch ein bisschen weiter.

Fiebern Sie eigentlich noch mit dem FC Barcelona mit?

Hidalgo: Ehrlich gesagt nicht. Ich liebe es, selbst zu spielen. Aber zuschauen? Wenn es nicht gerade ein besonderes Spiel wie der Clasico ist, schaue ich keine 90 Minuten am Stück. Es langweilt mich. Der Fußball in Europas Top-Ligen ist heutzutage leider nur noch eine große Show, bei der wirtschaftliche und kommerzielle Interessen im Vordergrund stehen. Da beschäftige ich mich lieber mit meiner Frau und meinen Kindern.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema