Erkut Sögüt: "Es ist lukrativer, einen Verein zu beraten"
In der öffentlichen Wahrnehmung werden Spielerberater generell eher negativ gesehen. Macht Sie das traurig?
Sögüt: Es gibt in der Branche viele Menschen, die hart arbeiten, ihren Beruf aus Leidenschaft ausüben und dabei nicht viel Geld verdienen. Deren Ruf wird kaputtgemacht von einigen wenigen Leuten, die nur schnelles Geld machen wollen. Ihr Vorgehen strahlt auf die ganze Branche aus. In Sachen öffentliche Wahrnehmung ist aber noch eine andere Sache wichtig.
Und zwar?
Sögüt: Es gibt im Fußball-Business zwei Arten von Beratern: Die, die Spieler beraten, und die, die Vereine beraten. Die zweite Art ist in der Öffentlichkeit völlig unscheinbar, obwohl dort mehr Geld fließt. Es ist lukrativer, einen Verein als einen Spieler zu beraten.
Wozu brauchen Vereine mit etlichen Angestellten externe Berater?
Sögüt: Manchmal macht es Sinn: Zum Beispiel, wenn man als Verein einen Spieler loswerden will und selbst keinen Abnehmer findet; oder wenn man einen Spieler aus einem Markt verpflichten will, in den man keine Kontakte hat. Oft ist aber weder das eine noch das andere der Fall und das ist nicht gut.
Inwiefern?
Sögüt: Ein Beispiel: Ich berate einen Spieler eines englischen Vereins, den ein Verein aus Deutschland verpflichten will. Der deutsche Verein tritt an mich heran, ich reise für Verhandlungen hin und auf einmal tauchen dort neben den Vereinsverantwortlichen zwei Berater auf, die die Interessen des deutschen Vereins vertreten. Wenn der Transfer funktioniert, bekomme ich als Provision die standardmäßigen zehn Prozent des Spielergehalts. Für Berater von Vereinen gibt es aber keine regulierte Standardverrechnung. Denen kann der Verein so viel zahlen, wie er will.
Was haben die Vereine davon?
Sögüt: Das ist eine interessante Frage, die ich mit einer Gegenfrage beantworten möchte: Angenommen, Sie sind der entsprechende Vereinsverantwortliche oder -besitzer und haben einen Sportdirektor und 50 Scouts: Warum würden Sie trotzdem zulassen, dass einfach so ohne Not Geld aus Ihrer Kasse in einen unregulierten Bereich wandert?
Vielleicht, weil Teile des Geldes über andere Wege zu mir persönlich zurückfließen?
Sögüt: Das haben Sie jetzt gesagt. (lacht)
Es gibt auch Berater, die sowohl für Spieler als auch Vereine arbeiten. Die Verbindungen von Jorge Mendes' Berater-Agentur Gestifute zu den Wolverhampton Wanderers, wo etliche seiner Klienten unter Vertrag stehen, sind beispielsweise bekannt. Ist das Ihrer Meinung nach verwerflich?
Sögüt: Nicht wirklich. In England sind "dual representation agreements", bei denen man den Spieler und den aufnehmenden Verein gleichzeitig vertritt, im Vergleich zu den meisten anderen Ländern weit verbreitet und auch durch nationales Gesetz erlaubt. Hier geht es um die Phase nach dem Vertragsabschluss. Darum, dass der Berater für eine gute Zusammenarbeit zwischen Spieler und Verein sorgt. Kritischer wird es nur, wenn ein Berater bei einer Transaktion alle drei Seiten berät: den Spieler, den abgebenden und den aufnehmenden Verein. Das ist eher ein Interessenskonflikt und ich glaube, dass die FIFA das zurecht wahrscheinlich ab 2021 verbieten wird.
Wie Erkut Sögüts zu Mesut Özils Berater wurde
Was sind die fünf wichtigsten Fähigkeiten, über die ein Spielerberater Ihrer Meinung nach verfügen sollte?
Sögüt: Er sollte sich immer weiterbilden und somit entwickeln. Er sollte eine gute Menschenkenntnis haben, verschiedene Kulturen kennen und verstehen. Er sollte ehrlich und transparent arbeiten. Er sollte sich nicht von Vereinen oder deren Beratern vereinnahmen lassen. Er sollte die Interessen seines Spielers immer über seine eigenen stellen und den Spieler nicht an den Verein vermitteln, der ihm die höchste Provision zahlt, sondern an den, bei dem der Spieler die besten Aussichten hat. Diese fünf Eigenschaften muss ein guter Spielerberater haben.
Viele ehemalige Spieler arbeiten nach ihrem Karriereende als Spielerberater. Wie finden Sie das?
Sögüt: Ich habe in der Hinsicht schon gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Generell ist es von Vorteil, wenn man die Spielerseite kennt und somit aus eigener Erfahrung weiß, was Spielern wichtig ist. Der Erfolg hängt aber letztlich ausschließlich davon ab, ob sich der Ex-Spieler auch tatsächlich zum Spielerberater ausbilden lassen will. Viele Berater-Agenturen halten sich Ex-Spieler nur als Maskottchen, um junge Talente zu ködern.
Welcher aktuelle Spieler würde Ihrer Meinung nach später einen guten Spielerberater geben?
Sögüt: Mathieu Flamini. Er ist einer der schlausten Spieler, die ich kenne, kommunikativ stark, ehrlich, einfühlsam, kann gut mit Menschen umgehen, spricht viele Sprachen, erkennt Risiken früh und reagiert schnell darauf. Außerdem ist er ein Workaholic.
Wie sind Sie eigentlich einst zu dem Job gekommen?
Sögüt: Ich bin promovierter Jurist und habe drei Master-Abschlüsse, zwei davon in Sport-Management und -Recht und einen in internationalem Recht. Vor 15 Jahren habe ich die Spielerberater-Lizenz gemacht und damit begonnen, Agenturen bei Vertragsfragen als Hausjurist zu helfen. Dabei bin ich mit etlichen Eltern und Spielern in Kontakt gekommen. Manche davon haben mich irgendwann direkt gefragt, ob ich ihnen helfen kann. So bin ich in die Branche hereingerutscht und habe letztlich meine eigene Agentur gegründet. Ich wurde von einem Juristen zu einem Spielerberater, aber das ist auch nur ein Zwischenstopp. Mein Traum ist es, Professor in Harvard zu werden und dort Sport-Management und -Recht zu unterrichten.
Was passiert mit Ihrer Agentur, wenn Sie diesen Schritt gehen?
Sögüt: Ich habe jeden meiner Mitarbeiter mindestens zwei Jahre lang persönlich ausgebildet. Ich habe nicht das größte, aber sicher eines der besten Berater-Teams der Fußball-Welt. Wenn ich irgendwann in die USA ziehe, um dort Professor zu werden, würde meine Agentur von selbst weiterlaufen.
Ihr bekanntester Klient ist Mesut Özil. Wie kamen Sie einst mit ihm in Kontakt?
Sögüt: Als er bei Real Madrid spielte, hat sich seine Familie bei mir gemeldet und gefragt, ob ich die Mitarbeiter seiner Firma in Deutschland ausbilden könne. So wurde ich erst sein Anwalt und dann nach und nach zusammen mit seinem Bruder Mutlu Özil zu seinem Berater. Zur Anfangszeit habe ich gerade promoviert: Die eine Hälfte der Woche habe ich in der Uni-Bibliothek für meine Doktorarbeit gelernt, die andere habe ich mich um Mesut gekümmert. Ich habe ihm aber auch gleich am Anfang offen gesagt: "Ich finde es schön, für dich zu arbeiten. Aber mein Lebensziel ist es, Professor in Harvard zu werden."