Will Grigg im Interview: "Das Lied gibt es nicht, weil Will Grigg so gut in den Rhythmus passt"

Nino Duit
07. Juni 202111:26
Will Grigg bejubelt seinen Treffer beim letzten Heimspiel der nordirischen Nationalmannschaft vor der EM 2016. Beim Turnier selbst kommt er nicht zum Einsatz.getty
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Will Grigg war bei der EM 2016 "on fire" - aber nur bei den sangesfreudigen Fans und nicht auf dem Platz. Knapp fünf Jahre später erinnert sich der mittlerweile 29-jährige Stürmer aus Nordirland im Interview mit SPOX und Goal an die gleichzeitig aufregendste und enttäuschendste Zeit seiner Karriere.

Grigg erzählt von einem Besuch in der Kabine der deutschen Nationalmannschaft, dem Umgang mit dem Hype um seine Person und warum alle seine Angehörigen das Lied genossen - bis auf seine kleine Tochter. Außerdem berichtet er von seiner Zeit beim AFC Sunderland, die auf die Dreharbeiten der Dokumentation "Sunderland 'Til I Die" fiel.

Herr Grigg, die EM 2016 ist mittlerweile fast fünf Jahre her. Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an das Turnier zurückdenken?

Will Grigg: Das Aufwärmen vor dem dritten Gruppenspiel gegen Deutschland. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass über die Stadionboxen "Will Grigg's On Fire" lief, auf den beiden Videowalls die Lyrics angezeigt wurden und beide Fanlager gemeinsam mitsangen. Jeder kannte das Lied und wusste, wer ich bin. Das war ein sehr spezielles Gefühl für einen Drittligaspieler wie mich.

Hatten Sie im Zuge des Spiels persönlichen Kontakt mit Spielern der deutschen Nationalmannschaft?

Grigg: Mats Hummels erwähnte das Lied in einem Interview vor dem Spiel, deshalb habe ich ihn anschließend nach seinem Trikot gefragt. Er war sehr nett, hat es mir gegeben und mich sogar in die deutsche Kabine eingeladen. Dort haben mich alle sofort erkannt. Mit ein paar Spielern habe ich mich unterhalten und mit Bastian Schweinsteiger sogar ein Foto gemacht.

Welchen Platz hat Ihr Hummels-Trikot heute?

Grigg: Gemeinsam mit ein paar anderen Erinnerungsstücken von der EM habe ich es eingerahmt und aufgehängt. Immer wenn ich daran vorbeigehe und es mir anschaue, freue ich mich darüber.

Dank des Liedes waren Sie bei der EM zwar omnipräsent, kamen aber keine Sekunde zum Einsatz. Wie sind Sie damit umgegangen?

Grigg: Das war sehr frustrierend. Ich habe die Saison meines Lebens gespielt, Wigan mit 25 Toren zum Aufstieg geschossen und auch im letzten Heimspiel Nordirlands vor der EM getroffen. Ich hatte mehr Selbstvertrauen als jemals zuvor in meinem Leben. Eigentlich kam das Turnier für mich also zum perfekten Zeitpunkt. Warum auch immer hat sich der Trainer aber dazu entschieden, mir keine Chance zu geben.

Will Grigg bejubelt seinen Treffer beim letzten Heimspiel der nordirischen Nationalmannschaft vor der EM 2016. Beim Turnier selbst kommt er nicht zum Einsatz.getty

Sie konnten die Entscheidung von Michael O'Neill also nicht nachvollziehen?

Grigg: Nein, ich habe es nicht verstanden. Ich konnte es noch irgendwie nachvollziehen, dass er mich bei den ersten beiden Gruppenspielen gegen Polen (0:1) und die Ukraine (2:0) nicht gebracht hat. Aber gegen Deutschland (0:1) und vor allem im Achtelfinale gegen Wales (0:1) hätte ich meiner Meinung nach eine Chance verdient gehabt. Gegen Wales begannen wir mit einem Stürmer und hatten am Ende drei auf dem Platz. Dass ich keiner davon war, habe ich nicht verstanden. Und so dachten übrigens auch viele andere Menschen.

Haben Sie die EM als schöne oder enttäuschende Erfahrung in Erinnerung?

Grigg: Das ist eine schwierige Frage. Manchmal erinnere ich mich an das Turnier und denke: Wow, was für ein Erlebnis! An anderen Tagen überwiegt aber die Enttäuschung über die fehlende Einsatzzeit. Die EM war sicherlich die größte Enttäuschung meiner bisherigen Karriere und damit werde ich sie auch für den Rest meines Lebens verbinden.

Zurück zum Lied. Erinnern Sie sich an das erste Mal, als Sie es gehört haben?

Grigg: Nein, an das allererste Mal konkret leider nicht. Ich weiß aber noch, dass ein paar Wigan-Fans im Herbst nach meinen ersten Toren damit anfingen. Gegen Ende der Saison stimmten immer mehr mit ein und als wie den Aufstieg fixierten, sang das ganze Stadion mit. Ein paar Videos gingen bei YouTube und in den sozialen Netzwerken viral und kurz vor der EM lief das Lied auf einmal im Radio.

Bei YouTube bekannt wurde es dank eines Videos von Wigan-Fan Sean Kennedy. Haben Sie ihn kennengelernt?

Grigg: Ja, wir haben uns damals am Trainingszentrum unterhalten und waren anschließend immer wieder in Kontakt. Er ist ein super Typ und ein riesiger Wigan-Fan. Unser Präsident hat ihm als Dank ein Trikot und eine Jahreskarte geschenkt.

Empfanden Sie das Lied zu irgendeinem Zeitpunkt als nervend?

Grigg: Das Lied an sich hat mich nie genervt. Gestört hat mich aber, dass mich manche Leute nur damit und nicht mit meinen Toren verbunden haben. Das Lied gibt es nicht, weil "Will Grigg" so gut in den Rhythmus passt, sondern weil ich 25 Tore für Wigan geschossen habe. In England und Nordirland wussten das alle, bei der EM aber nicht.

Haben Sie sich jemals dabei ertappt, selbst mitzusingen oder wenigstens mitzusummen?

Grigg: Nein. Vielleicht ist es mir aber mal unbewusst passiert. (lacht)

Wie ist Ihr persönliches Umfeld mit dem Hype umgegangen?

Grigg: Alle meine Bekannten und Verwandten haben das genossen - bis auf meine kleine Tochter. Immer wenn sie auf den Spielplatz gegangen ist, haben ihre Freunde das Lied gesungen. Am Anfang fand sie es lustig, aber irgendwann hat es sie genervt.

Profitierten Sie von dem Lied finanziell?

Grigg: Ein paar Firmen sind an mich herangetreten und wollten wegen des Liedes Werbung mit mir machen, aber das fand ich falsch. Alles Geld, das Sean Kennedy und ich über unterschiedliche Wege eingenommen haben, ging an gemeinnützige Zwecke.

Nach der EM blieben Sie zunächst bei Wigan. Hatten Sie Angebote von ausländischen Klubs?

Grigg: Ja. Ich glaube, die sind durch das Lied auf mich aufmerksam geworden und haben sich dann Videos von mir angeschaut, bei denen ich sie auch sportlich überzeugt habe. Damals war ich aber sehr glücklich in Wigan und wollte unbedingt bleiben.

Im Januar 2019 verließen Sie den Klub schließlich doch noch und wechselten zum AFC Sunderland.

Grigg: Das war die schwierigste Entscheidung meines Lebens. Ich habe den Wechsel nicht angestrebt, aber als Wigan das Angebot von Sunderland angenommen hat, habe ich zugestimmt. Wigan wird für immer mein Herzensklub bleiben. Vielleicht kehre ich irgendwann zurück.

Zum Zeitpunkt Ihres Wechsels war die erste Staffel der Dokumentation "Sunderland 'Til I Die" bereits veröffentlicht und die zweite wurde gerade gedreht. Haben Sie sie sich angeschaut?

Grigg: Die erste Staffel schon, weil ich mit dem Klub damals noch nichts zu tun hatte. Die zweite nicht, weil ich selbst zu sehen bin. Das interessiert mich nicht.

In einer Folge wird Ihr überhasteter Wechsel am Deadline Day ausführlich thematisiert. Wie haben Sie den Tag erlebt?

Grigg: Das war völlig surreal. Sunderland hatte schon länger um mich gebuhlt und insgesamt vier Angebote abgegeben, die Wigan alle abgelehnt hat. Am Deadline Day hieß es mittags, dass der Transfer final gescheitert sei. Deshalb habe ich mit dem Thema abgeschlossen und bin ich nach Hause gefahren. Gegen 21.30 Uhr war ich schon im Pyjama und wollte eigentlich gerade schlafen gehen, als das Telefon klingelte. Mir wurde gesagt, dass sich die Klubs doch noch geeinigt hätten und ich so schnell wie möglich zum Trainingsgelände kommen sollte, um die Formalitäten zu klären. Also habe ich mich umgezogen, bin hingefahren und habe circa zwei Minuten vor dem Schließen des Transferfensters um 23 Uhr den Vertrag unterschrieben. Sowas hatte ich davor noch nie erlebt und will es auch nicht nochmal erleben.

Aktuell spielt Will Grigg per Leihe vom AFC Sunderland bei den Milton Keynes Dons in der dritten englischen Liga.getty

Wie allgegenwärtig waren die Kameras des Filmteams im Alltag?

Grigg: Sie waren schon präsent, aber niemand wurde ohne sein Einverständnis gefilmt. Wer Lust auf einen Auftritt oder ein Interview hatte, durfte das machen. Es war aber auch kein Problem, sich an der Dokumentation nicht zu beteiligen.

Haben die Dreharbeiten die Leistung der Mannschaft beeinflusst?

Grigg: Das glaube ich nicht. Der Trainer hat dafür gesorgt, dass die Kameras in entscheidenden Momenten wie etwa wichtigen Besprechungen vor Spielen keinen Zugang hatten.

Sie haben Teile der Dokumentation als Externer gesehen und in anderen selbst mitgespielt. Wie nahe an der Realität ist sie?

Grigg: Der Klub wird so dargestellt, wie er sich darstellen will, und manche Personen werden für bestimmte Rolle inszeniert. Letztlich ist es eine Mischung aus Realität und Show, man bekommt schon ein paar ganz gute und ehrliche Einblicke.

Sie spielten zwei Jahre für Sunderland, ehe Sie diesen Winter per Leihe zum Ligarivalen Milton Keynes Dons wechselten. Wie geht es im Sommer weiter? Könnten Sie sich auch einen Wechsel nach Deutschland vorstellen?

Grigg: Wie es im Sommer weitergeht, weiß ich noch nicht. Aber klar: Falls sich die Möglichkeit für einen Wechsel nach Deutschland ergibt, würde mich das auf jeden Fall interessieren.

Willl Griggs Karrierestationen

ZeitraumKlubLigaPflichtspieleTore
2008 bis 2013FC Wallsall3.10928
2013 bis 2014FC Brentford3.365
2014 bis 2015Milton Keynes Dons3.5022
2015 bis 2019Wigan Athletic2. und 3.15065
2019 bis 2021AFC Sunderland3.618
seit 2021Milton Keynes Dons3.188