Zum Geschäftsmodell von Borussia Dortmund gehört ein gewisses Risiko. Der BVB hat sich im vergangenen Jahrzehnt den Ruf erarbeitet, europäischen Top-Talenten ausreichend Spielzeit zu verschaffen und ihnen somit auf hohem Niveau zum nächsten Entwicklungsschritt zu verhelfen. Um sich das zu verdienen, muss man aber auch Dinge ausprobieren - und einkalkulieren, dass nicht jedes Transfergeschäft nach demselben Muster verläuft.
So gibt es beim BVB neben Paradebeispielen wie Christian Pulisic oder Ousmane Dembele auch zahlreiche Spieler, für die sich der Schritt in die Bundesliga aus unterschiedlichen Gründen als zu groß erwies. Allein 2016 beispielsweise holte die Borussia Mikel Merino aus Osasuna, Alexander Isak von Solna und Emre Mor aus Nordsjaelland - für rund 22 Millionen Euro.
Am Ende sprangen für die drei 41 Pflichtspiele heraus, Isak und Mor erzielten jeweils einen Treffer. Doch es gehört auch zur Stärke des Klubs, mit den Spielern, bei denen es nicht wie erhofft funktionierte, kein Minusgeschäft zu machen. 38 Millionen nahm der BVB durch die Verkäufe von Mor, Isak und Merino ein. Zumindest die beiden Letztgenannten sind auch durch die Erfahrung Dortmund in ihrer Karriere weitergekommen und spielen nun auf einem deutlich höheren Niveau als noch vor fünf Jahren.
Geld verloren haben die Westfalen natürlich auch schon. Bei Leonardo Balerdi, den man Anfang 2019 für 15,5 Millionen Euro aus Argentinien holte und der nur acht Pflichtspiele absolvierte, nahm man nun im Sommer beim Verkauf des Innenverteidigers an Marseille 4,5 Millionen weniger ein. Auch für Sergio Gomez gab es während des vergangenen Transferfensters nicht mehr die drei Millionen, die man einst an den FC Barcelona überwies.
Ex-BVB-Talent Sergio Gomez: Umschulung in Anderlecht
Der Verlust - 750.000 Euro - hielt sich beim Spanier allerdings noch in Grenzen. Gomez schloss sich nach zwei Leihjahren in seinem Heimatland bei SD Huesca dem RSC Anderlecht an. 14 Pflichtspiele haben die Belgier in dieser Saison bislang absolviert und nach derzeitigem Stand der Dinge muss man festhalten: Im Brüsseler Stadtteil erfüllt sich gerade die Hoffnung, die der BVB einst bei Gomez hatte.
Denn: Der mittlerweile 21-Jährige spielt! Und das regelmäßig und gut. Diese Entwicklung wird gewiss auch die Dortmunder freuen, wenngleich man wohl auch dort bestimmt etwas überrascht nach Belgien blickt. Schließlich glänzt der als offensive Flügelspieler bekannte Gomez in Anderlecht als Linksverteidiger.
Auf die Idee zur Umschulung ist RSC-Coach Vincent Kompany gekommen. Der langjährige Nationalspieler Belgiens trainiert den Rekordmeister seines Landes seit 2020 und hat - in Anderlecht alles andere als unüblich - einen Kader beisammen, der vor Talent und Jugendlichkeit nur so strotzt. Auch Bayern-Leihspieler Joshua Zirkzee hat Kompany wieder in die Spur bekommen. Zusammen mit dem ebenfalls sportlich schwer von seiner Schalker Zeit angeschlagenen Benito Raman ist Zirkzee mit vier Treffern Anderlechts bester Torschütze.
Sergio Gomez: "Ich bin als Außenverteidiger sehr glücklich"
"Er hat mir gesagt, dass er mich auf verschiedenen offensiven Positionen sieht, aber dass er meine letzten Spiele bei Huesca gesehen hat und mich als Flügelspieler und als Außenverteidiger mag. Er sagte mir, dass ich ihm in dieser Position sehr gefalle und dass er mich dort ausprobieren wolle", erzählte Gomez der spanischen Marca. "Es ist eine schwierige Umstellung, aber ich bin als Außenverteidiger sehr glücklich. Wir sind eine sehr offensiv ausgerichtete Mannschaft und ich kann von hinten überraschen."
Für sich genommen lesen sich Gomez' bisherige Statistiken bereits sehr ordentlich. Er stand in allen Pflichtspielen in der Startelf, fehlte insgesamt nur 90 Minuten und spielte bis auf eine Ausnahme stets als Linksverteidiger. Anfang August debütierte er in der Conference-League-Qualifikation im Europapokal - damals noch als linker Mittelfeldspieler - und drei Tage später schoss er mit dem wichtigen 2:0 beim Heimsieg gegen Seraing sein erstes Tor für den RSC.
Weitere eigene Treffer stehen zwar noch nicht zu Buche, aber dafür hat Gomez dank seines Offensivdrangs bereits sechs Anderlechter Buden vorbereitet. Das sind doppelt so viele wie der nächstbeste Teamkollege und der Top-Wert in der Jupiler Pro League. Eine zweifelsfrei starke Zwischenbilanz für den Spanier und vor allem deshalb erstaunlich, weil er in der Vorsaison bei Huesca in der Primera Division lediglich auf vier Startelfplätze und insgesamt 768 Spielminuten kam.
Sergio Gomez kehrt in die spanische U21 zurück
"In Huesca war es schwierig", blickte Gomez zurück. "Die Trainer haben mir vertraut, das konnte ich sehen, aber am Ende haben sie jemand anderen eingesetzt." Gomez musste besonders in der vergangenen Spielzeit oft den erfahreneren Huesca-Akteuren den Vortritt lassen, abgestiegen ist der Klub am Ende dennoch.
Eine solche Denke und Notwendigkeit gibt es beim RSC nicht. Gomez hat den Schwung seiner starken Form auch mit in die spanische U21-Nationalelf genommen, für die er im September erstmals seit fast zwei Jahren wieder nominiert wurde. Dort läuft er weiterhin als Linksaußen auf und kam bei seiner Rückkehr in 102 Spielminuten auf ein Tor und zwei Assists.
"Ich habe dank Anderlecht wieder die Möglichkeit, für die U21 zu spielen", sagte Gomez. "Ich muss hart arbeiten, um weiter für Anderlecht zu spielen und weiter zur U21 zu kommen. Wenn man nicht spielt, ist es schwer. Jedes Mal, wenn man das Spielfeld betritt, muss man sich das vor Augen halten."
Was dem 1,71 Meter großen Gomez in psychologischer Hinsicht auch hilft: Er hat nun Planungssicherheit und kann sich als fester Bestandteil einer Mannschaft fühlen. Beim RSC unterschrieb er einen bis 2025 gültigen Vertrag.
Blickt man auf die Transfersumme, war Gomez für das Dortmunder Geschäftsmodell in wirtschaftlicher Hinsicht kein Erfolg. Kann er seinen Entwicklungssprung verstetigen und Konstanz in seine Leistungen bringen, könnte er es aber eines Tages für jenes von Anderlecht werden.
Sergio Gomez und seine Statistiken als Profi
Verein | Pflichtspiele | Tore | Torvorlagen |
Borussia Dortmund | 3 | - | - |
SD Huesca | 68 | 1 | 4 |
RSC Anderlecht | 14 | 1 | 6 |