PSV unter Schmidt: Das Gegenstück zu Ajax
PSV ist gewissermaßen das Gegenstück zu Ajax. Das fängt schon bei den Herkunftsstädten an: Hier das historische Zentrum Amsterdam mit seinen Gässchen und Grachten, dort die moderne Technologiehochburg Eindhoven ganz im Süden des Landes. Während Ajax klassischen Ballbesitzfußball nach Gusto des 2016 verstorbenen Fußballlandesheiligen Johan Cruyff spielt, setzt PSV unter dem deutschen Trainer Roger Schmidt auf rasanten Umschaltfußball.
"In der ersten Saison hat das Gegenpressing seine Mannschaft körperlich noch nicht hinbekommen, mittlerweile klappt es besser", sagt Wormuth. Auch, weil Schmidt seine Prinzipien etwas gelockert hat und nun vereinzelt erholsame Elemente des Ballbesitzfußballs einfließen lässt. Musste PSV den Rivalen Ajax in der vergangenen Saison noch deutlich enteilen lassen, deutet sich nun ein enger Titelkampf an.
Eine ähnliche Spielweise wie PSV praktiziert Vitesse Arnheim unter Trainer Thomas Letsch. Kein Wunder, fungierte er doch einst als Schmidts Assistent bei RB Salzburg. Letschs Mannschaft liegt in der Eredivisie auf Platz vier und steht in die K.o.-Runde der Conference League. "Zu Beginn gab es durchaus eine gewisse Skepsis. Mittlerweile bekomme ich aber sehr viel positives Feedback. Die Leute sehen, dass es funktioniert und unser Fußball nicht nur erfolgreich, sondern auch attraktiv ist", sagte Letsch im Sommer im Interview mit SPOX und GOAL.
Die Niederlande und das 4-3-3-System
Just zu dieser Zeit entbrannte in den Niederlanden eine große Systemdebatte. Bondscoach Frank de Boer hatte es tatsächlich gewagt, Cruyffs "Vermächtnis", das berühmte 4-3-3, zu verraten und die Elftal bei der Europameisterschaft in einem 3-5-2-System zu formieren. "Das war eine kleine Revolution, da das klassische holländische 4-3-3 als unantastbar galt", sagte Letsch, der in Arnheim ebenfalls auf eine Dreierkette setzt.
Während Letsch lediglich lokalen Gegenwind in Arnheim spürte, blies er de Boer landesweit entgegen. Fans und Medien kritisierten ihn für die Umstellung harsch, das Achtelfinal-Aus gegen Tschechien wurde entsprechend mit einem gewissen Hauch Genugtuung aufgenommen: Wir haben es ja gesagt!
Anschließend übernahm Louis van Gaal zum dritten Mal das Amt des Bondscoachs. Umgehend kehrte er, der während seiner zweiten Amtszeit bei der WM 2014 noch mit Dreierkette spielen ließ, zum 4-3-3 zurück - und siehe da: In sieben Spielen blieben die Niederlande seitdem ungeschlagen und qualifizierten sich für die WM in Katar. Trotz gänzlich unterschiedlichen Spielideen setzen Ajax und PSV aktuell auf ein 4-3-3, genau wie übrigens auch der dritte Topklub Feyenoord Rotterdam.
"Feyenoord spielt eine Mischform aus Ajax und PSV. Die können alles: kontern, den Ball kombinieren, hoch pressen, tief stehen", sagt Wormuth. Etabliert hat dieses variable System Trainer Arne Slot, der in der vergangenen Saison noch beim diesjährigen fünften Europapokal-Starter AZ Alkmaar tätig gewesen war. Diese Spitzenklubs könnten laut Wormuth allesamt "in jeder Liga mitspielen. Danach gibt es aber ein größeres Leistungsgefälle, sprich eher Zweitliganiveau".
Mario Götze in den Niederlanden? "Passt perfekt"
Auch deshalb tummeln sich in der Eredivisie vor allem bei den Hinterbänklern etliche deutsche Profis, für die es in der Heimat eher nicht für die Erstklassigkeit reichen würde. In den Niederlanden dürfen sie dagegen in einer Liga spielen, die den wunderbar erhaben klingenden Namen Eredivisie trägt. Mit 24 Spielern stellt Deutschland die größte Gruppe an Legionären.
Einige dieser Legionäre überzeugen auch bei Klubs aus oberen Tabellenregionen: Maximilian Wittek von Vitesse und Keeper Lars Unnerstall von Twente Enschede schafften es beispielsweise bei diversen Abstimmungen in Mannschaften der Hinrunde. Der berühmteste Deutsche in den Niederlanden steht aber bei PSV unter Vertrag, ist Weltmeister und heißt Mario Götze.
Hatte Götze in seiner Premierensaison noch mit Verletzungen zu kämpfen, ist er mittlerweile meist fit und unumstrittener Stammspieler. Zwölf Torbeteiligungen gelangen ihm in 28 Pflichtspielen schon - vielleicht aber noch wichtiger: Ausgerechnet der Deutsche verleiht Schmidts ansonsten eher "un-niederländisch" spielenden PSV einen Hauch Heimat. "Mit seiner quirligen Spielweise passt er perfekt in den niederländischen Fußball", sagt Wormuth: "Wenn er nicht Mario Götze heißen würde, würde er wahrscheinlich Mario van Götze heißen."