Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2022 veröffentlicht
Mo Johnston wurde in eine katholische Familie in Glasgow geboren, selbstverständlich unterstützte er als Kind den Celtic FC. Die Klubzugehörigkeit hängt in Schottland schließlich von der Konfession ab. 1984 unterschrieb der junge Nationalstürmer bei seinem Lieblingsklub, aus einem Fan wurde ein Spieler. Lebenstraum!
Bei Celtic traf Johnston im Schnitt in jedem zweiten Spiel. Er wurde Meister und Pokalsieger, aber nicht nur das: Er wurde zum Helden. Nachdem Johnston bei einem Old Firm gegen den protestantischen Rangers FC die Rote Karte gesehen hatte, bekreuzigte er sich auf dem Weg in die Kabine vor dem gegnerischen Fanblock. Diese so provokante Aktion löste bei den einen noch mehr Liebe aus, bei den anderen vergrößerte sie den Hass dagegen weiter.
Nach drei Jahren bei Celtic wagte Johnston den Schritt ins Ausland zum französischen FC Nantes, aber schon 1989 wollte er in die Heimat zurückkehren: Standesgemäß unterschrieb er zunächst erneut bei Celtic, ehe er nach einem erstaunlichen Meinungsumschwung völlig überraschend doch zum großen Rivalen wechselte. Tatsächlich verpflichteten die Rangers einen Katholiken und brachen somit ihr jahrzehntelang gültiges ungeschriebenes Gesetz. Aber nicht irgendeinen Katholiken: ein Celtic-Idol mit einschlägiger Vergangenheit.
"In Glasgow war dieser Transfer eine größere Geschichte als der Fall der Berliner Mauer im gleichen Jahr", sagt Danny Grant vom Rangers-Blog Ibrox Noise zu SPOX und GOAL, damals war er zehn Jahre alt. Zum 30-jährigen Jubiläum des Transfers schrieb die schottische Zeitung Daily Record: "Es war nicht nur ein Transfer, der den schottischen Fußball in seinen Grundfesten erschüttert hat. Es war auch einer der bedeutendsten Momente in der Geschichte dieses Landes."
Die Entstehung des Religions-Konflikts in Schottland
Um die Tragweite des Transfers zu verstehen, muss man das Land verstehen, seine beiden wichtigsten Fußball-Klubs und ihren Bezug zu Religion. Schottland war zunächst katholisch, ehe es im Zuge der Reformation im 16. Jahrhundert zum Protestantismus umschwenkte. Anders als die Nachbarinsel Irland. Als dort Mitte des 19. Jahrhunderts eine Hungersnot ausbrach, strömten abertausende Katholiken nach Schottland, wo sie sich fortan mit den ansässigen Protestanten um Arbeit und Wohnraum duellierten.
Getrennt waren die beiden Volksgruppen aber nicht nur in ihren religiösen Ansichten, sondern auch in den politischen: Während die einen für eine unabhängige Republik Irland eintreten, schwören die anderen auf die Monarchie und das Vereinigte Königreich. Zusammengemischt mit etlichen weiteren Zutaten sorgten diese Umstände für ein beachtliches Ausmaß an gegenseitigem Hass.
Ausgelebt wurde die Rivalität der Konfessionen bald auch auf dem Fußballplatz: Hier Celtic, entstanden aus der katholischen Kirche St. Mary's. Dort die Rangers, gegründet von protestantischen Studenten. Auf welcher Seite die Klubs stehen, sieht man bei jedem Spiel in den Fanblocks: Hier wehen irische Flaggen, dort Union Jacks.
Rangers FC und das ungeschriebene Gesetz
Bei ihrem Umgang mit der Religion unterschieden sich die beiden Klubs aber bald. Das katholische Celtic stand seit jeher prinzipiell allen offen, einige der größten Klublegenden sind sogar protestantisch. Trainer Jock Stein etwa, der Celtic 1967 sensationell zum Gewinn des Europapokals der Landesmeister führte. Gefragt, ob er bei zwei gleich guten Spielern den Katholiken oder den Protestanten verpflichten würde, sagte Stein: "Den Protestanten, weil ich weiß, dass die Rangers den Katholiken sowieso nicht nehmen werden."
Bei den Rangers etablierte sich im Laufe der 1920er Jahre das ungeschriebene Gesetz, keine katholischen Spieler zu verpflichten. Zurückzuführen ist die Vorgabe auf Funktionäre und Spieler, die zu jener Zeit gleichzeitig dem Oranier-Orden angehörten. Diese radikal-protestantische Vereinigung ist benannt nach Wilhelm III. von Oranien, der in Irland einst das Heer des katholischen Königs Jakob II. besiegte.
Trotz des ungeschriebenen Gesetzes spielten zwar vereinzelt Katholiken für die Rangers, mussten ihre Konfession dabei aber geheim halten. Der südafrikanische Stürmer Don Kitchenbrand etwa bekannte seinen Katholizismus erst Jahre nach seinem Abschied: "Ich konnte es damals nicht zugeben. Ich hätte mein wunderbares Leben zerstört."
Ab den 1970er Jahren wuchs der politische und mediale Druck auf die Rangers, ihre Vorgabe zu lockern. Gemunkelt wurde auch über FIFA-Untersuchungen wegen angeblicher Diskriminierungen. Immer wieder kündigten Rangers-Verantwortliche die Verpflichtungen katholischer Spielern an, für die Umsetzung wählten sie letztlich die größtmögliche Sensation.