Der kuriose Kleinkrieg zwischen zwei belgischen Klub-Präsidenten: Ha! Jurgen Ekkelenkamp weggeschnappt!

Nino Duit
12. Oktober 202210:10
Bart Verhaeghe (l.) machte Club Brügge zum besten Klub Belgiens: Seit seiner Amtsübernahme 2011 gelangen fünf Meistertitel.imago images
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Mit drei Siegen aus drei Spielen ist Club Brügge die Überraschung der bisherigen Champions-League-Saison. Der Präsident des belgischen Klubs befindet sich unterdessen in einem Kleinkrieg mit seinem Pendant des Liga-Rivalen Royal Antwerpen. Es geht um Stadien, Transfers, das Ajax-Vermächtnis - und natürlich den Meistertitel.

Dieser Artikel erschien erstmals am 29. August.

Ha! Jurgen Ekkelenkamp im allerletzten Moment weggeschnappt! Da hat er ihm mal wieder so richtig einen ausgewischt! Für den neutralen Beobachter war es die Verpflichtung eines eher unbekannten Mittelfeldspielers von Hertha BSC, für Paul Gheysens (68) dagegen ein Prestigeerfolg im Duell mit Bart Verhaeghe (58).

Eigentlich hatte sich Ekkelenkamp Anfang August schon auf den Weg zum Vereinsgelände von Club Brügge gemacht. Der Medizincheck war Berichten zufolge bereits organisiert, der unterschriftsreife Vertrag lag vor. Doch im Laufe des Tages änderte sich seine Route plötzlich: Statt nach Brügge reiste Ekkelenkamp ins rund 90 Kilometer östlich gelegene Antwerpen.

Wie das kam? Royal-Antwerpen-Präsident Gheysens soll Brügges Angebot kurzerhand überboten, Trainer Mark van Bommel und Sportdirektor Marc Overmars ihren niederländischen Landsmann gleichzeitig von einem Meinungsumschwung überzeugt haben. Der Coup klappte, Ekkelenkamp wechselte letztlich für fünf Millionen Euro von der Hertha nach Antwerpen.

Diesmal hatte Gheysens seinen Rivalen Verhaeghe besiegt, doch nach dem Duell ist bei den beiden vor dem Duell. Der nächste Schlagabtausch kommt bestimmt. Abwechselnd jubeln und einstecken, so geht es zwischen den rivalisierenden Immobilien-Mogulen und Klub-Präsidenten seit Jahren.

Stadion-Duell, Teil 1: Punkt Verhaeghe

Gheysens und Verhaeghe wurden in der Immobilien- und Baubranche reich, ehe sie sich dem Fußball widmeten. Den Anfang machte Verhaeghe: Er stieg 2011 bei Club Brügge ein, überflügelte bald den vorherigen Liga-Dominator RSC Anderlecht und machte sein Spielzeug zum erfolgreichsten Klub Belgiens. Fünf Meistertitel, zuletzt drei hintereinander, sechs Champions-League-Teilnahmen und auch in dieser Saison ist Brügge wieder dabei.

Nebenher engagierte sich Verhaeghe beim belgischen Fußball-Verband KBVB, 2016 wurde er zum Vizepräsidenten gewählt. Vorherrschendes Thema damals: der Bau eines neuen Nationalstadions in Brüssel. Das einstige Heysel-Stadion trägt zwar mittlerweile den royalen Namen Stade Roi-Baudouin, befindet sich aber in keinem allzu royalen Zustand.

Eigentlich waren die Neubaupläne schon abgeschlossen: Eurostadion sollte die neue Arena heißen, rund 63.000 Zuschauer fassen und als Austragungsort der paneuropäischen Europameisterschaft 2020 dienen. Den Zuschlag zum Bau hatte 2015 Gheysens Ghelamco Group bekommen. Durch die Errichtung der Ghelamco Arena von KAA Gent war entsprechende Vorerfahrung vorhanden.

Bart Verhaeghe (l.) machte Club Brügge zum besten Klub Belgiens: Seit seiner Amtsübernahme 2011 gelangen fünf Meistertitel.imago images

Aufgrund politischer Querelen und offenen Fragen in Sachen Finanzierung und Umweltverträglichkeit verzögerte sich der Baubeginn des Eurostadions aber immer weiter. Dem neuen Verbands-Vize Verhaeghe dürften diese Entwicklungen durchaus gelegen gekommen zu sein. Brügges Präsident trat schließlich als entschiedener Gegner des Projekts auf. Unter anderem störte ihn, dass nicht nur die belgische Nationalmannschaft, sondern auch Anderlecht im neuen Stadion spielen sollte, was dem Ligarivalen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen würde.

Weil sich kein Ende der Verzögerungen abzeichnete, entzog die UEFA Brüssel die EM-Spiele. 2018 wurde das Projekt komplett abgesagt, wodurch Ghelamco-Boss Gheysens seinen prestigeträchtigen Millionen-Auftrag verlor. Statt des Neubaus ist nun eine Renovierung des Stade Roi-Baudouin geplant, die eine andere Firma umsetzen soll.

Stadion-Duell, Teil 2: Punkt Gheysens

Sowas lässt ein Paul Gheysens, der dem Vernehmen nach Verhaeghe als Hauptverantwortlichen für das Scheitern des Projekts ausmachte, selbstverständlich nicht auf sich sitzen - also verhinderte er wenige Monate später dessen Stadionpläne. Brügges Jan-Breydel-Stadion ist ähnlich veraltet wie das Stade Roi-Baudouin in Brüssel. Praktisch seit seiner Übernahme sucht Verhaeghe nach einem passenden Baugrund für eine neue Arena. Als er im Norden der Stadt endlich einen fand, intervenierte ausgerechnet Gheysens.

Er hatte kurz zuvor einen Bauernhof mit 4,6 Hektar Land in direkter Nachbarschaft des geplanten Stadions erworben, um Lagerdepots für seine Firma zu errichten. Teile dieser Fläche wären aber unter anderem für Parkplätze neben Brügges neuem Stadion gebraucht worden, was Gheysens verweigerte. Seine Rache gelang, auch Verhaeghes Projekt scheiterte. Ausgleich in Sachen vereitelte Stadionpläne.

In der Zwischenzeit fand Brügge einen anderen Baugrund, wo demnächst eine 40.000 Zuschauer fassende Arena entstehen soll. "Die Genehmigung für das neue Stadion ist ein Meilenstein für Club Brügge", jubilierte Verhaeghe vor rund einem Jahr. Die wohl heißesten Spiele werden dort künftig gegen Royal Antwerpen steigen, das sich von Gheysens alimentiert zum gefährlichsten Herausforderer Brügges aufgeschwungen hat.

Royal Antwerpen: Gheysens erweckt "The Great Old"

2017 übernahm Gheysens das Kommando bei Royal Antwerpen, dem ältesten Fußballklub Belgiens. Ehrfürchtig "The Great Old" genannt, wobei die Betonung damals auf "old" lag. Der letzte Meistertitel datiert von 1957, zum Zeitpunkt der Übernahme war Royal nach Jahren in der Versenkung gerade in die Erstklassigkeit zurückgekehrt. Gheysens beschloss, Antwerpen wieder "great" zu machen und Brügge herauszufordern. Brügge, und vor allem: Verhaeghe.

Dank der Investitionen des neuen Eigentümers etablierte sich Antwerpen schnell in der Liga-Spitzengruppe, landete zuletzt dreimal hintereinander auf europäischen Startplätzen und gewann 2020 den Pokal. Während sich die Mannschaften von Brügge und Antwerpen sportlich duellieren, tun es ihre Präsidenten auf allen Ebenen - sogar verbal: 2019 soll es bei einem direkten Duell ihrer Klubs in der Halbzeit zu einem Wortgefecht zwischen den beiden gekommen sein.

Antwerpen machte seit der Übernahme durch Gheysens für belgische Verhältnisse ein beachtliches Transfer-Minus von 53,29 Millionen Euro. Zum Vergleich: Brügge erwirtschaftete gleichzeitig 63 Millionen Euro. "Sie bauen nichts auf, indem Sie einen Sportdirektor kaufen oder einige Transfers tätigen", tönte Verhaeghe. "Dafür muss man jahrelang hart arbeiten"

Gheysens ist die Kritik selbstverständlich egal. Vergangenen Sommer lotste er den langjährigen belgischen Nationalspieler Radja Nainggolan von Inter Mailand nach Antwerpen. Gefragt nach dessen Gehalt, spottete er in Richtung Brügge, das dem deutlich unbekannteren Hans Vanaken angeblich mehr zahlt: "Wen hätten Sie lieber: Nainggolan für etwas unter zwei Millionen Euro oder Vanaken für drei?" Nun ja: Nainggolan gelangen in der darauffolgenden Saison vier Scorerpunkte in neun Pflichtspielen, Vanaken 27 in 50.

An Stürmer Michel-Ange Balikwisha waren vergangenes Jahr beide Klubs interessiert, den Zuschlag erhielt wie nun bei Ekkelenkamp auch damals Antwerpen. Im Sommer lieferten sich die Präsidenten dem Vernehmen nach ein Wettbieten um den 20-jährigen Mittelfeldspieler Lazaro von Flamengo Rio de Janeiro, der letztlich aber bei UD Almeria landete. Es ist wie bei Spielzeugen von kleinen Kindern: Willst du ihn? Dann will ich ihn auch!

Paul Gheysens übernahm 2017 das Kommando bei Royal Antwerpen - und greift Verhaeghes Brügge seitdem mit großen Investitionen an.imago images

Duell um das Ajax-Vermächtnis

Das funktioniert übrigens nicht nur bei Stadien und Spielern, sondern ganz hervorragend auch bei Berufungen auf niederländische Traditionsklubs. Verhaeghe eifert bei der Entwicklung seines Spielzeugs seit jeher Ajax Amsterdam nach. Nicht umsonst holte er als Trainer Alfred Schreuder, der in diesem Sommer aber zu Ajax zurückkehrte. Nicht umsonst holte er als neuen Star den ehemaligen Ajax-Jugendspieler Noa Lang. "Eigentlich war Club Brügge in den letzten Jahren ein bisschen wie das Ajax von Belgien", sagte Lang bei seiner Präsentation. Musik in Verhaeghes Ohren.

Und was macht Gheysens in Antwerpen? Natürlich verpflichtet er mit Marc Overmars den langjährigen Sportdirektor von Ajax. Overmars war entscheidend mitverantwortlich für den Aufbau des modernen Ajax, der wohl spannendsten Mannschaft seit Louis van Gaals Champions-League-Siegern von 1995. Als er Ajax wegen unangemessenem Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen Anfang dieses Jahres verlassen musste, schlug Gheysens sofort zu.

"Die Familie Gheysens hat mich von dem Projekt überzeugt", sagte Overmars. "Die Ambitionen sind riesig." Tatsächlich verstärkte sich Antwerpen auch in diesem Sommer prominent: Als Trainer kam Mark van Bommel, als Kapitän Belgiens Nationalverteidiger Toby Alderweireld und aus Deutschland neben Prestigeobjekt Ekkelenkamp auch noch Christopher Scott, der zuletzt für die Reserve des FC Bayern München spielte.

Brügge verlor mit dem 21-jährigen Charles de Ketelare unterdessen zwar seinen talentiertesten Spieler für 32 Millionen Euro an den AC Milan, dürfte insgesamt aber immer noch über die bessere Mannschaft verfügen. Beide Klubs starteten gut in die Saison, das erste direkte Aufeinandertreffen steht im November an.