Gennaro Gattuso war ziemlich sauer. So weit, so gewöhnlich. Diesmal aber hatte den Heißsporn kein nickliger oder Zeit schindender Spieler des Gegners auf 180 gebracht, sondern einer seiner eigenen Schützlinge.
Giorgi Mamardashvili war am 15. Oktober 2022 Ziel des Zorns des damaligen Valencia-Trainers. Und das nicht etwa wegen seines verschuldeten Strafstoßes beim 2:2 gegen den FC Elche. Sondern wegen seiner Reaktion darauf. Mamardashvili hatte sich für sein ungestümes Einsteigen gegen Elche-Verteidiger Pedro Bigas nach einer Standardsituation und dem daraus resultierenden Elfmeter entschuldigt.
Gattuso fand anschließend deutliche Worte für den jungen Torwart: "Mamardashvili kam zu mir und hat sich entschuldigt. Da habe ich ihn zusammengefaltet. Er hat uns schon in vielen Spielen gerettet. Ich brauche das nicht von ihm. Er genießt das maximale Vertrauen seines Trainers und seiner Mannschaft. Ich habe ihm klar gesagt, dass er das Wort "sorry" aus seinem Wortschatz streichen kann."
Ob Mamardashvili auf seinen ehemaligen Trainer gehört hat, können Fans der Bundesliga womöglich demnächst selbst prüfen. Der 22 Jahre alte Georgier soll ein heißer Kandidat beim FC Bayern sein. Entsprechende Berichte tauchten am Dienstag ohne große Vorwarnung auf. Die Torhütersituation beim FCB ist gelinde gesagt delikat. Ein Interesse an Mamardashvili wäre nach dessen raketenhaftem Aufstieg nur logisch.
Giorgi Mamardashvili beeindruckt in der Europa League
Der Schlussmann stammt aus Tiflis und ist Teil jener georgischen Generation, die aktuell europaweit für Furore sorgt. Stichwort Kvicha Kvaratskhelia. Obwohl Mamardashvili bereits A-Nationalspieler ist (neun Einsätze) drängte er darauf, die laufende U21-EM mit Georgien zu bestreiten. Trotz einiger sich daraus ergebender Terminstrapazen war Mamardashvili bei der Endrunde im eigenen Land maßgeblich daran beteiligt, dass die Georgier ins Viertelfinale einzogen und frenetisch bejubelt wurden.
Die Leistungen bei der U21-EM und das Interesse des FC Bayern sind Folge einer Entwicklung, die beim lokalen Klub FC Graga, wo sein Vater als Torwarttrainer arbeitete, begann und 2012 bei Rekordmeister Dinamo Tiflis fortgesetzt wurde.
Mamardashvili erwarb sich in der Jugend schnell den Ruf, ein außergewöhnliches Talent zu sein. Vor allem seine Fähigkeiten bei Strafstößen waren damals herausragend. Der Sprung in den Profifußball gelang ihm bei zwei Ausleihgeschäften zum FC Rustavi und Locomotive Tiflis.
Für Locomotive spielte er unter anderem auch 2020 in der Europa-League-Qualifikation gegen den FC Granada. Zwar verlor Mamardashvilis Truppe mit 0:2, der damals 19-Jährige lieferte aber derart ab, dass er laut Marca das Interesse mehrerer spanischer Klubs weckte.
Giorgi Mamardashvili wird unverhofft die Nummer 1 in Valencia
Das konkretisierte sich knapp ein Jahr später: Valencia lieh den aufstrebenden Keeper zunächst aus Tiflis aus, sicherte sich aber auch eine Kaufoption. Mamardashvili war für die zweite Mannschaft des LaLiga-Traditionsvereins vorgesehen und sollte dort Erfahrung sammeln. Pustekuchen! Mamardashvili spielte eine tolle Saisonvorbereitung und der damalige Trainer José Bordalas machte ihn vor dem ehemaligen Oranje- und Barcelona-Keeper Jasper Cillessen zur neuen Nummer eins.
Artig sagte Mamardashvili später über seinen Förderer: "Ein toller Profi, ich verehre ihn. Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, dass er in mich gesetzt hat. Ich liebe es, mit ihm zu arbeiten."
Zwar verlief die erste Saison als Nummer eins in einer europäischen Spitzenliga für den Jungspund durchaus holprig, aber Valencia hatte unter anderem wegen einer Serie von 560 Minuten ohne Gegentreffer genug gesehen. Vorzeitig zog der Klub Ende 2021 die Kaufoption in Höhe von heute lächerlich erscheinenden 850.000 Euro. Mamardashvili wurde in dem Zuge bis 2024 fest gebunden.
Im Sommer 2022 klopfte der niederländische Rekordmeister Ajax beim Torwartjuwel an und war angeblich bereit, dessen damalige fixe Ablösesumme von 25 Millionen Euro zu bezahlen. Ein Transfer aber kam nicht zustande. Stattdessen gelang es Valencia, vorzeitig mit Mamardashvili zu verlängern. So läuft dessen Vertrag nun bis 2027, inklusive einer Ausstiegsklausel, die bei 100 Millionen Euro Ablöse liegt.
Eine gute Entscheidung des sportlich und finanziell weiter stark kriselnden Vereins. Mamardashvili war mit Abstand bester Spieler seiner Mannschaft 2022/23 und rettete diese vor dem Abstieg in die zweite Liga. Von den Fans wurde er zum Spieler des Jahres gekürt, dreimal schaffte er es in das LaLiga-Team des Spieltags. Nun weckt er europaweit Begehrlichkeiten und dürfte eine Menge Geld in die Klubkassen spülen.
Giorgi Mamardashvili: Seine Stärken und Schwächen
Mamardashvili ist ein Hüne von einem Torwart. Mit seinen 86 Kilogramm, die sich auf 1,97 Meter verteilen, ist er eine beeindruckende Erscheinung und physisch eine absolute Kapazität in seinem Strafraum.
Sein größter Vorzug sind seine außergewöhnlichen Reflexe. Regelmäßig bringt er gegnerische Angreifer mit Paraden aus kurzer Distanz zur Verzweiflung. Auch flache Abschlüsse sind für ihn in der Regel kein Problem: Trotz imposanter Körpergröße taucht Mamardashvili blitzschnell ab.
Eine weitere Stärke Mamardashvilis, und da erinnert er an Manuel Neuer, ist das ständige Bestreben, das Spiel schnell zu machen. Nach Ballgewinnen scannt er das Feld und ist immer bestrebt, eigene Angriffe mit langen, punktgenauen Abwürfen einzuleiten.
Ein "Sweeper Keeper" wie Neuer ist der Linksfuß allerdings nicht. Die Rolle des mitspielenden Torhüters nimmt er in der Regel nicht ein. Hier kann er sich sich steigern und das Geschehen vor sich noch besser lesen.
Wie könnte Giorgi Mamardashvili beim FC Bayern reinpassen?
Transferexperte Fabrizio Romano berichtete in dieser Woche zuerst über das Interesse des FC Bayern an Valencias Schlussmann. Auch Sky und die Bild meldeten anschließend, Mamardashvili sei für die langfristige Neuer-Nachfolge ein Kandidat an der Säbener Straße. Laut des georgischen Journalisten Dachi Tsutsurmia soll der Spieler mit seinem Berater am Dienstag gar in der bayerischen Landeshauptstadt gewesen sein. Gemäß Bild habe es bereits Kontakt zwischen Mamardashvilis Entourage und Bayerns Technischem Direktor Marco Neppe gegeben.
Bei der Suche nach einem neuen Torjäger (Harry Kane) und einem neuem Abräumer für das defensive Mittelfeld (nicht Declan Rice) ist auch die Torhütersituation beim FCB durchaus interessant. Manuel Neuer soll nach seiner schweren Schienbeinverletzung aus dem Winter 2023/24 wieder die Nummer eins sein. Für den Fall soll Yann Sommer den Klub dank einer Klausel für jene neun Millionen Euro wieder verlassen können, für die er im Januar kam. Ein Abschied wäre wahrscheinlich, schließlich will der Schweizer als Stammtorwart zur EM 2024.
Alexander Nübel kehrte zwar aus Monaco zurück, will laut seines Beraters jedoch dauerhaft wechseln und nicht erstmal die Ersatzbank drücken.
Bleiben also Sven Ulreich als Vertreter und die Frage, wie stark sich der 37 Jahre alte Neuer zurückmeldet. Perspektivisch müssen sich die Transferverantwortlichen um den alten, neuen starken Mann Karl-Heinz Rummenigge also Gedanken machen, wie sie langfristig die Position zwischen den Pfosten besetzen möchten.
Mamardashvili wäre hier ein hochinteressanter Kandidat, zumal er laut Romano gerne nach München käme. Mit seinen 22 Jahren ist er für einen Torhüter blutjung und absolute Mondpreise dürfte Valencia nicht aufrufen. Er wäre stark genug, sofort für einen eventuell schwächelnden Neuer zu übernehmen. Die große Frage ist aber, ob Mamardashvili bereit wäre, sich kurzfristig mit der Rolle der Nummer zwei zufrieden zu geben und geduldig auf seine Chancen zu warten, bis Neuer beerbt werden soll.
So oder so, einen Transfer dürfte es in den kommenden Wochen geben. Auch englische Vereine sollen großes Interesse zeigen, besonders Manchester United und Tottenham Hotspur werden hier genannt. Inter Mailand und der FC Porto sollen ebenfalls ihre Fühler nach Mamardashvili ausgestreckt haben.
FC Bayern München: Die wichtigsten Termine der Vorbereitung des FCB
Datum | Ereignis |
15. - 20. Juli 2023 | Trainingslager am Tegernsee |
24. Juli - 3. August 2023 | "Audi Summer Tour" in Japan und Singapur |
26. Juli 2023 | Testspiel gegen Manchester City in Tokio, Japan |
29. Juli 2023 | Testspiel gegen Kawasaki Frontale in Tokio, Japan |
2. August 2023 | Testspiel gegen den FC Liverpool in Singapur |
18.-20. August 2023 | Start der Bundesliga-Saison 2023/24 |