Nicolò Zaniolo macht nächsten unerwarteten Karriereschritt: Fan-Proteste, geplatzte Wechsel, vergeblicher Flirt mit Juventus

Von Falko Blöding
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Nach einem Dutzend Einsätze ist Nicolò Zaniolos Zeit bei Galatasaray in Istanbul vorüber. Zu einem Spitzenklub geht es für das ehemalige Supertalent nicht.

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Es gibt wenige Fußballer, die einen solchen Karrierestart hingelegt haben wie Nicolò Zaniolo. Im Spätsommer 2018 wurde er als Teenager in die italienische Nationalmannschaft berufen, ohne eine Minute in der Serie A absolviert zu haben.

Sein Profidebüt feierte der damals 19-Jährige in der Champions League im Santiago Bernabéu gegen Real Madrid. In der Serie A war es dann etwa eine Woche später so weit. Zügig folgten die ersten Tore, die ersten Rekorde (zum Beispiel schnürte kein Italiener jünger in der Königsklasse einen Doppelpack) und die ersten Auszeichnungen (2018/19 war er bester junger Spieler der Serie A).

Zaniolo war also der ganz große Hoffnungsträger und das in doppelter Hinsicht: Für die Azzurri, die damals die Teilnahme an der WM 2018 verpasst hatten und sportlich am Boden lagen. Und für die Roma, die einen Nachfolger für die 2017 zurückgetretene Vereinsikone Francesco Totti suchte.

Knapp fünf Jahre ist das nun her und es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. In diesen Tagen wird Zaniolo wieder seinen Klub wechseln. Es ist kein Transfer zu einem der größten Vereine der Welt, wie man es 2018 erwartet hätte. Zaniolo wechselt aus der Türkei zu Aston Villa. Kein schlechter Name, kein schlechter Verein. Aber eben auch nicht die absolute Creme de la Creme, für die Zaniolo mit seinem überbordenden Talent eigentlich prädestiniert schien. Schließlich standen 2019 Europas Spitzenklubs Schlange, unter anderem soll ihn auch der FC Bayern damals als Neuzugang auf dem Zettel gehabt haben.

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Nicolò Zaniolo: Unglaubliches Pech und eine krasse Fehlplanung

Die Gründe für Zaniolos unerwarteten und holprigen Karriereweg sind unglaubliches Pech und eine krasse Fehlplanung der eigenen Laufbahn.

Nach dem kometenhaften Aufstieg meinte es das Schicksal am 12. Januar 2020 nicht gut mit Zaniolo. Im Ligaspiel gegen Juventus riss er sich das Kreuzband. Sein Weg an die Spitze war jäh gestoppt, ein halbes Jahr Zwangspause die Folge.

Er kämpfte sich zurück, feierte im Juli 2020 sein Comeback. Nur, um sich im September 2020 beim Nations-League-Spiel mit Italien gegen die Niederlande erneut das Kreuzband zu reißen.

Zwei derart schwere Verletzungen so kurz hintereinander schon in so jungen Jahren - man muss kein Fachmann sein, um zu wissen, dass einer Karriere dadurch der Wind aus den Segeln genommen werden kann. Die Saison 2020/21 verpasste Zaniolo komplett, die für Italien bekanntlich so erfolgreiche EM 2021 auch.

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Nicolò Zaniolo verscherzt es sich mit der AS Rom

Erst zu Beginn der Spielzeit 2021/22 stand er wieder in einem Pflichtspiel auf dem Platz, etablierte sich unter dem gerade angekommenen José Mourinho wieder neu. Und wenngleich die Glanzmomente rar gesät waren, gab es sie doch: Einen Dreierpack im Viertelfinalrückspiel der Conference League gegen Bodö/Glimt zum Beispiel. Und natürlich das 1:0-Siegtor später im Finale gegen Feyenoord, womit er der Roma den ersten Pokal seit 14 Jahren und den zweiten internationalen Titel überhaupt sicherte.

Da war er bei den Giallorossi noch der Held. Wenige Monate später hatte er es sich mit so ziemlich allen im Klub verscherzt. Zaniolo weigerte sich, seinen bis 2024 laufenden Vertrag vorzeitig zu verlängern und drängte stattdessen auf einen Abschied. Ausschlaggebend soll die Weigerung der Roma-Bosse gewesen sein, ihn gehaltsmäßig auf eine Stufe mit Top-Verdiener Paulo Dybala zu hieven.

Der 13-malige Nationalspieler war derweil sauer, weil Roma-Sportchef Tiago Pinto ihn im Sommer mehr oder weniger offen ins Schaufenster gestellt hatte. Das bestätigte sein Berater Claudio Vigorelli im Dezember 2022 in der Gazzetta dello Sport. 50 bis 60 Millionen Euro Ablöse soll die Roma sich erhofft haben.

Und obwohl Vigorelli von einem "exzellenten Verhältnis" zur Roma und Pinto sprach, war das Klima tatsächlich vergiftet. Zur angekündigten Neuaufnahme der Vertragsgespräche kam es nicht. Stattdessen wollte Zaniolo im Januar unbedingt zu Milan. Während der dribbelstarke Edeltechniker mit aller Macht auf einen Abschied drängte, schafften es die Mailänder nicht, die geforderte Ablöse aufzubringen. Dumm gelaufen. Die Roma akzeptierte dagegen eine Offerte in Höhe von 30 Millionen Euro aus Bournemouth, wohin Zaniolo aber partout nicht wechseln wollte.

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Nicolò Zaniolo: Roma-Ultras protestieren vor dem Haus

Der Zoff ging so weit, dass Roma-Ultras vor dem Haus des Angreifers protestierten und Banner mit Parolen gegen ihren einstigen Liebling am Trainingsgelände aufhängten. Zaniolo trat in Streik, kam weiter nicht zum Training und verweigerte Einsätze. Mal fehlte er wegen einer Grippe im Aufgebot, Anfang Februar stand er gegen Empoli wegen Burnouts nicht im Kader.

Trainer Mourinho stellte seinen Star öffentlich an den Pranger: "Er hat mir, dem Verein und seinen Mannschaftskameraden gesagt, dass er nicht mehr für die Roma spielen will. (...) Nach dem Spiel gegen Spezia habe ich gesagt, dass ich dachte, er würde bleiben, und jetzt sage ich, dass es leider so aussieht, als würde das wirklich passieren. Wenn Sie die Einzelheiten wissen wollen, werde ich sie nicht verraten. Der Fokus liegt jetzt auf dem nächsten Spiel und bei mir als Trainer darauf, wer mit mir für diesen Verein und diese Fans kämpfen will."

Kurze Zeit später bekam Zaniolo seinen Willen, jedenfalls halbwegs. Er durfte die Roma für 15 Millionen Euro Ablöse verlassen. Es ging allerdings nicht zu Milan. Auch nicht zu Tottenham, Newcastle United, RB Leipzig oder dem BVB, die allesamt zwischenzeitlich als neue Arbeitgeber im Gespräch waren.

Stattdessen holte ihn Galatasaray in die Süper Lig. Ein klasse Transfer für die Türken, den viele Tifosi aber als Rückschritt wahrnahmen. Ob Zaniolo das Theater bei der Roma zuvor in dem Wissen angezettelt hätte, dass es für ihn am Ende nicht in eine absolute Spitzenliga geht? Sei's drum, der Schritt wird nun mit einigen Monaten Verspätung vollzogen.

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Nicolò Zaniolo flirtet mit Juventus Turin

Bei Galatasaray lieferte der vielseitige Offensivspieler ordentlich ab: In zehn Süper-Lig-Einsätzen erzielte Zaniolo fünf Tore und hatte damit seinen Anteil am Gewinn des ersten Meistertitels seit vier Jahren.

Trotz des Erfolgs und eines bis 2027 gültigen Vertrags ließ Zaniolo unter anderem in einem Interview mit der Gazzetta durchblicken, dass er Galatasaray als Durchgangsstation sieht. Ihm gehe es bei Gala zwar "großartig", er sei aber für "alles offen", was seine Zukunft angeht. Dann flirtete er offen mit Italiens Rekordmeister Juventus: "Bei Juve zu spielen, würde mich glücklich machen. Wir sprechen hier von einem großen Verein. Ich wiederhole: Wenn es eine Möglichkeit gibt, die alle drei Parteien zufrieden stellt - Galatasaray, mich und Juve - dann passt es."

Berater Vigorelli schaltete sich derweil ein und befand bei TV Play, es sei "schade", dass Zaniolo nicht mehr in der Serie A spiele. Auf Nachfrage meinte er noch, dass Milan die Mannschaft habe, die "taktisch perfekt" zu seinem Schützling passe. Angesichts dieser Aussagen und Gerüchten, auch Meister Napoli und die Fiorentina seien interessiert, sprach vieles für eine Rückkehr nach Italien.

Dazu wird es aber zunächst nicht kommen. Laut übereinstimmender Medienberichte soll Zaniolo noch in dieser Woche wechseln. Allerdings nicht zu Juventus oder Milan, sondern zu Aston Villa. Für Mittwoch war der Medizincheck geplant, die Modalitäten zwischen den Vereinen sollen bereits festgezurrt worden sein.

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Nicolò Zaniolo vor Wechsel zu Aston Villa

Galatasaray macht demnach ein richtig gutes Geschäft: Zaniolo soll zunächst für eine Leihgebühr von zwei Millionen Euro nach Birmingham wechseln, anschließend greift eine Kaufpflicht, die weitere 27 Millionen Euro in die Klubkassen der Istanbuler spült. Das wäre ein Rekord, nie verkaufte ein türkischer Verein einen Spieler teurer.

20 Prozent der Ablöse gehen dank einer entsprechenden Klausel zwar noch an die Roma, jedoch bietet es dem Rekordmeister der Süper Lig die Möglichkeit, den Kader breiter aufzustellen, was mit den Transfers von Tetê (Schachtjor Donezk), Wilfried Zaha (Crystal Palace), Kerem Demirbay (Bayer Leverkusen) und Angeliño (RB Leipzig) eindrucksvoll begonnen wurde.

Zaniolo kommt zu einem Traditionsklub, der gerade zum Auftakt der neuen Premier-League-Saison von Newcastle United mit 5:1 verhauen wurde. In der Champions League wird er auch bei Aston Villa nicht randürfen. Trotzdem spielt der 24-Jährige in einer Mannschaft mit großem Potenzial. Im Vorjahr beendete Villa die Saison trotz miserablen Starts auf Rang sieben und mit Moussa Diaby (Bayer Leverkusen), Pau Torres (Villarreal) und Youri Tielemans (Leicester) kamen durchaus namhafte Neuzugänge.

Zaniolo bekommt also die Gelegenheit, sich auf einer größeren Bühne zu präsentieren. Liefert er dort ab, wartet beim nächsten Transfer wohl wirklich einer der ganz großen Vereine.

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