Vor ein paar Wochen hatte Steven Gerrard einen überraschenden Auftritt in einer Wohltätigkeitsshow. Es war eine nette Geste der Liverpool-Legende. Seine Teilnahme hat zweifellos die Zuschauerzahlen und folglich die Beiträge erhöht. Gerrard forderte die Zuschauer sogar scherzhaft auf, ihm zu helfen, während seiner Sendezeit mehr Geld zu sammeln als der vorherige Gast - und ehemalige Reds-Teamkollege - Jamie Carragher.
Es war jedoch ein weiterer Scherz, der die Anfield-Ikone letztendlich bei den Fans des Vereins, den er derzeit trainiert, Al-Ettifaq in Saudi-Arabien, in Schwierigkeiten brachte.
Als Gerrard gefragt wurde, ob er und der ehemalige Liverpool-Torwarttrainer John Achterberg, der zusammen mit dem 44-Jährigen in Saudi-Arabien arbeitet, den Fortschritt der Mannschaft von Arne Slot in dieser Saison verfolgen, antwortete er: "John und ich haben mehr als ein Auge darauf. Wir haben unseren gesamten Zeitplan um die Liverpool-Spiele herumgelegt! Die Spieler sind nun hinter mir her - wir haben um neun oder zehn Uhr abends trainiert!"
Es war offensichtlich ein Scherz, doch bei den Anhängern seines Klubs kam er nicht so an. Vielmehr war er aus ihrer Sicht nur ein weiterer Beweis dafür, dass Gerrard seine Arbeit nicht ernst genug nimmt - und warum er während der anstehenden Länderspielpause entlassen werden sollte.
Steven Gerrard lebt noch nicht einmal in Saudi-Arabien
Gerrard zu verpflichten war für El-Ettifaq ein Coup. Der Klub gehört nicht zu den Supermächten der Saudi Pro League, die vom Public Invest Fund (PIF) des Landes unterstützt werden. Der in Dammam ansässige Verein hat eine solide Fangemeinde, aber man glaubte, dass die Verpflichtung einer echten Premier-League-Ikone das Profil des Klubs steigern würde. Man erhoffte sich dadurch größere Sponsoreneinnahmen und bessere Spieler. So kam es auch.
Natürlich werden Stars durch die kolossalen Summen angelockt, die in Saudi-Arabien gezahlt werden. Aber es ist klar, dass Gerrard entscheidend für Al-Ettifaq war, um zwei ehemalige Liverpool-Spieler, Jordan Henderson und Gini Wijnaldum, für den Klub zu gewinnen.
Das Problem ist jedoch, dass Gerrard in seinen fast eineinhalb Jahren in Saudi-Arabien nie wirklich zufrieden schien mit der Stärke seines Kaders. Die Fans werfen ihm zudem vor, nicht ganz bei der Sache zu sein und lasten ihm unter anderem an, dass er seinen Wohnsitz lieber im benachbarten Bahrain hat statt in Saudi-Arabien und ständig pendelt. Das wird als Mangel an Respekt gegenüber dem Job, dem Klub und dem Land verstanden.
Fette Vertragsverlängerung trotz sportlich ausbaufähiger Leistungen
Natürlich wäre dies möglicherweise kein so großes Problem geworden, wenn Al-Ettifaq guten Fußball spielen und Spiele gewinnen würde - aber das tut die Mannschaft nicht. Die Ergebnisse waren oft genauso schlecht wie die Leistungen.
Nach einem vielversprechenden Start in Gerrards Amtszeit - fünf Siege aus den ersten sieben Runden der letzten Saison - blieb sein Team vor der Winterpause acht Spiele lang ohne Sieg, was dazu führte, dass es in der Tabelle auf den achten Platz abrutschte. Folglich waren die Anhänger erstaunt, als Al-Ettifaq Gerrards Vertrag im Januar bis 2027 verlängerte.
"Das ist sehr erfreulich für mich und meine Familie und fühlt sich wie eine Anerkennung für viel harte Arbeit und Engagement an," sagte er damals. "Wir mussten eine neue Infrastruktur schaffen, wie den Bau eines neuen Trainingsgeländes und den Bau eines neuen Stadions. Aber es wurde viel erreicht", sagte Gerrard und versprach neue Spieler, um den Anschluss an die Spitze wieder herzustellen.
Es gab jedoch keine bemerkenswerten Neuzugänge im Januar oder während des Sommers und nach einem weiteren guten Start in die aktuelle Saison ist Al-Ettifaqs Form erneut völlig eingebrochen. Nach neun Spieltagen befindet sich das Team auf Platz elf.
Steven Gerrard als "englischer Klempner" verunglimpft
Es wurde nicht erwartet, dass Gerrards Mannschaft in dieser Saison um die Meisterschaft kämpfen oder unter den ersten Vier landen könnte. Aber Platz elf ist dann doch auch erstaunlich schlecht.
Al-Ettifaq hat vier der letzten sechs Ligaspiele verloren und wurde außerdem im Achtelfinale des Königspokals von Al-Jabalain aus der zweiten Liga ausgeschaltet. Das führte dazu, dass einige Fans Gerrard abfällig als "den englischen Klempner" und einen "Komiker" bezeichneten, der den Verein zu einem "Gesprächsthema" gemacht habe.
In diesem Kontext war es nicht im Geringsten überraschend, dass das Timing seines Scherzes über das Planen von Trainingseinheiten rund um die Spiele von Liverpool bei den Fans von Al-Ettifaq überhaupt nicht gut ankam. Immerhin gehört die Liverpool-Legende zu den bestbezahlten Trainern der Welt.
Als die Seinen das Derby gegen Al-Qadsiah mit 0:2 verloren, wurde Gerrard heftig ausgepfiffen. Da half es auch nichts, dass er am Vortag wieder darauf hingewiesen hatte, dass er es nicht böse gemeint hatte.
Steven Gerrard boykottiert die Medien
Trotz wütender Rufe, den Verein zu verlassen, zeigte sich Gerrard in seiner Pressekonferenz nach dem Spiel trotzig und argumentierte, dass seine Mannschaft mehr vom Spiel gehabt hätte.
"Ich habe mit den Spielern gesprochen. Wenn wir zuvor so gespielt hätten, würden wir uns nicht in dieser peinlichen Situation befinden", behauptete er. "Aber ich trage die Verantwortung. Angesichts der jüngsten Ergebnisse in meiner Position ist man sich immer der Enttäuschung der Fans bewusst, ich muss diese Verantwortung auf meinen Schultern tragen. Das werde ich tun und weiterhin kämpfen und arbeiten, um die jüngsten Ergebnisse zu verbessern."
Gerrard fand jedoch, dass einige der an ihn gerichteten Kritiken völlig ungerechtfertigt waren, und reagierte auf die zunehmende Kritik, indem er sich weigerte, seinen Medienpflichten vor dem Spiel der Gulf Club Champions League gegen Al-Qadsia nachzukommen.
Zum Glück für Gerrard gewann Al-Ettifaq am Dienstag das Spiel in Kuwait dank des Treffers von Moussa Dembélé. Er hat sich etwas Zeit erkauft - aber wahrscheinlich nicht viel.
Tatsächlich würde eine fast unvermeidlich scheinende Niederlage beim ungeschlagenen Pro-League-Spitzenreiter Al-Hilal am Freitag Gerrard in eine gefährliche Position vor der Länderspielpause bringen. Ist das doch die ideale Zeit für einen Trainerwechsel.
Verliert Steven Gerrard seinen Job und seine Glaubwürdigkeit?
Gerrard kann sich sicherlich nicht beschweren, sollte er entlassen werden. Sein Legendenstatus hat ihm weit mehr Zeit verschafft, als einer weniger berühmten Person bei Al-Ettifaq gewährt worden wäre. Und er hat nicht allzu viel getan, um den Vertrauensbonus zu rechtfertigen oder den Ruf wiederherzustellen, den er einst bei den Glasgow Rangers als vielversprechender junger Trainer hatte, der sogar als potenzieller Nachfolger von Jürgen Klopp in Anfield gehandelt wurde.
Folglich war Gerrard in diesem Sommer nicht einmal im Rennen, um den Deutschen in Liverpool zu ersetzen - oder um von Gareth Southgate die englische Nationalmannschaft zu übernehmen. Schließlich hat Unai Emery Gerrards Zeit bei Aston Villa ins Lächerliche gezogen, indem er den Verein zurück in die Champions League geführt hat, während sein Aufenthalt in Saudi-Arabien längst zur Farce geworden ist.
Gerrard dürfte sich bald keine Sorgen mehr machen müssen, wie er das Training seiner Mannschaft um die Zeiten des FC Liverpool herumlegen kann. Natürlich ist dies für Gerrard kein Scherz, schließlich läuft er nun nicht nur Gefahr, seinen Job zu verlieren, sondern auch den Rest seiner Glaubwürdigkeit als Trainer.