SPOX: Sie gehören in Norwegen zu den Top-Trainern und retteten zuletzt Molde in beeindruckender Weise vor dem Abstieg. Warum haben Sie die Stelle dennoch freiwillig abgegeben und sind nach Manchester gezogen, obwohl Sie dort keinen Job haben?
Uwe Rösler: Ich weiß, dass mein Schritt ungewöhnlich ist. Aber mir war immer klar, dass ich Norwegen verlassen wollte - und auch musste, um nicht für immer als der Deutsche abgestempelt zu werden, der irgendwo in Skandinavien verschwunden ist. Dass ich vergangenes Jahr in Molde eingesprungen bin, hatte ich nicht geplant. Wir steckten im August mitten im Umzug nach Manchester und dann kam plötzlich der Anruf. Ich habe zugesagt, aber nur unter der Prämisse, dass ich nach der Saison aufhöre, egal wie erfolgreich wir sein würden.
SPOX: Ist Ihnen Norwegen zu klein geworden?
Rösler: Nach sechs Jahren Norwegen war es an der Zeit für den nächsten Karriereschritt, und dafür bieten sich England oder Deutschland an. Ich bin für alles offen, egal ob in Südengland, Schottland, Hamburg oder Paderborn.
SPOX: Wie verbringt ein arbeitsloser Trainer seinen Tag?
Rösler: Ich habe fast mehr zu tun als früher. Ich trainiere in der Jugendakademie von Manchester City die Nachwuchsstürmer, ich arbeite für das norwegische Fernsehen als England-Experte und ich schaue mir zusätzlich extrem viele Spiele an. Nicht nur in der Premier League, sondern bis runter in die vierte Liga. Solange man nicht Mourinho, Capello oder Wenger heißt, interessiert es die englischen Klubs nicht, was man im Ausland erreicht hat. Entsprechend stelle ich mich hinten an und will mich auch in den unteren Klassen auskennen, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein.
SPOX: Sie würden also bis runter in die 4. Liga gehen?
Rösler: Absolut. Ich setze alles auf eine Karte und bin bereit, von Null anzufangen. Aber in England ist die Konkurrenz riesig, selbst in der 4. Liga bekommt ein Verein, der einen neuen Trainer sucht, 40 bis 50 Bewerbungen. Wenn man zu einem Gespräch eingeladen wird, muss man sich entsprechend super präsentieren, deswegen betreibe ich den großen Aufwand.
SPOX: Ihr englischer Akzent ist unüberhörbar. Sehen Sie Ihre Zukunft ausschließlich in England?
Rösler: Deutschland ist auch attraktiv. Wir haben uns nur für Manchester als Familiensitz entschieden, weil wir hier seit meiner Zeit bei City verwurzelt sind und ich sehr viel mit Manchester verbinde. Hier habe ich meine Frau kennen gelernt, hier ist mein erster Sohn geboren worden, hier hatte ich meine erfolgreichste Zeit. Dennoch wäre eine Rückkehr nach Deutschland sehr reizvoll.
SPOX: Sie sind in Manchester noch immer äußerst beliebt und wurden 2009 in die Hall of Fame von City aufgenommen. Stimmt es, dass bei Heimspielen heute noch Ihr Name zu hören ist?
Rösler: Das stimmt, mein älterer Sohn war letztens bei einem City-Heimspiel und plötzlich wurde aus dem Nichts mein Namen besungen. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass man etwas hinterlassen hat, an das sich die Leute gerne zurückerinnern.
SPOX: Sie sind 1994 überraschend aus Dresden zu City gewechselt. Wie kam der Transfer zustande?
Rösler: Es war immer ein Wunsch, in England zu spielen. Damals in der DDR haben wir uns in der Sportschule Kassetten mit englischen Schlachtgesängen besorgt, die wir hoch und runter hörten. Ich war vernarrt in den englischen Fußball. Dann kamen einige Zufälle zusammen: Nach einem miserablen Jahr in Nürnberg bin ich nach Dresden zurückgegangen, wo ich mich schwer verletzt habe, weswegen ich den Verein verlassen durfte. Ich wurde zufällig zu einem Probespiel von City eingeladen, bei dem mir zwei Tore gelangen, obwohl ich gar nicht fit war. Daraufhin bekam ich einen Drei-Monate-Vertrag bis zum Saisonende, ich half mit fünf Toren beim Klassenerhalt mit und bekam eine Verlängerung um drei Jahre.
SPOX: Mit wettbewerbsübergreifend 22 Toren in der folgenden Saison wurden Sie beinahe aus dem Nichts zu einem Star in England.
Rösler: Manchmal passt einfach alles. Meine Art zu spielen - mit Herz, nie aufgebend -, kam bei den Fans sehr gut an. Außerdem passte mein Stil besser zum englischen als zum deutschen Fußball, weil dort mehr raumbezogen in der Viererkette und nicht in Manndeckung verteidigt wurde. So entstand eine Eigendynamik.
SPOX: Die dazu führte, dass bei City Mitte der 90er Jahre plötzlich eine Handvoll deutscher Spieler unterschrieben.
Rösler: Den Anfang hatte Steffen Karl gemacht, dann kamen noch Maurizio Gaudino, Michael Frontzeck und Eike Immel. Es war damals schon so, dass innerhalb von England die Ablösesummen sehr hoch waren, deswegen bot es sich an, sich auch in Deutschland umzuschauen. Aber es hat sich herausgestellt, dass für einige der Tempofußball in England zu schnell war. Maurizio war sehr gut, aber leider hat er Citys Verlängerungsangebot nicht angenommen und ist nach Mexiko weiter gezogen.
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