Anfang Januar 2011. Der FC Liverpool verliert bei den Blackburn Rovers mit 1:3 und fällt in der englischen Premier League auf Platz elf zurück. Trainer Roy Hodgson hat seinen Kredit endgültig aufgebraucht und muss gehen. Er wird von Kenny Dalglish ersetzt - einer Reds-Legende.
Sämtliche Verdienste von Dalglish für Liverpool aufzuzählen, verbietet sich an dieser Stelle. Zu lang wäre der Text, voll mit Lobhudeleien und außerdem würde man sowieso den ein oder anderen Aspekt vergessen. Kurzum: Der Schotte hat als Spieler, Spieler-Trainer und Trainer wie kein anderer die Geschichte an der Anfield Road über zwei Jahrzehnte geprägt.
Anfangs galt Dalglish nur als Übergangslösung auf dem Trainerstuhl der Reds. Doch Dalglish hatte Erfolg. Mitte Mai wurde sein Vertrag um drei Jahre verlängert.
Mehr Konituität geplant
Nach dem gescheiterten Intermezzo von Hodgson will man an der Merseyside wieder Kontinuität auf der Bank, wie zu Zeiten von Gerard Houllier und Rafael Benitez, die jeweils sechs Jahre in Liverpool blieben und Titel holten (Houllier den UEFA-Cup, Benitez die Champions League).
Dalglish weiß, wie man als Trainer Pokale gewinnt. 1995 durchbrach er die Phalanx von Arsenal, Chelsea und Manchester United und gewann mit Blackburn die Meisterschaft.
Dieses Kunststück soll Dalglish in Liverpool wiederholen. Die Reds warten seit 1990 auf den Meistertitel. Helfen sollen dabei jede Menge Youngster, die Dalglish mit Erfolg peu a peu in die Mannschaft integriert hat.
Die Young Guns der Reds
Martin Kelly (21, Abwehrspieler)
Unter Dalglish gehörte der englische U-21-Nationalspieler in jedem Spiel zur Stammformation und stand jeweils 90 Minuten auf dem Feld, bis er sich am 28. Spieltag gegen West Ham eine schwere Verletzung zuzog, die ihn für den Rest der Saison außer Gefecht setzte.
Das Liverpooler Eigengewächs spielt hauptsächlich auf der rechten Abwehrseite und verdrängte dort zeitweise sogar Nationalspieler Glen Johnson. Auch in der Innenverteidigung machte Kelly keine schlechte Figur.
Zu Kellys Stärken zählen Schnelligkeit, ein gutes Stellungsspiel und gefährliche Flanken. Dalglish sagt über ihn: "Martin macht seine Sache sehr gut, er ist wie ein Neuzugang für den Klub. Das Alter spielt keine Rolle, wenn man gute Leistungen bringt, bekommt man die Chance zu spielen. Er hat sich seine Einsätze auf jeden Fall verdient."
Kellys Nachteil ist seine Verletzungsanfälligkeit, die ihn auch schon eine Nominierung in Englands A-Nationalmannschaft kostete. Trainer Fabio Capello hat den 21-Jährigen jedenfalls auf dem Zettel: "Er ist ein interessanter Spieler für England. "
John Flanagan (18, Abwehr)
Der Shooting-Star der Saison beim FC Liverpool. Dazu genügten ganze sieben Ligaspiele. Seit dem 32. Spieltag gehörte der 18-Jährige zur Stammelf und machte einen Riesensprung in seiner Entwicklung.
Der in Liverpool geborene und aufgewachsene Außenverteidiger profitierte dabei von den Verletzungen von Martin Kelly und Glen Johnson und wurde sowohl als Links- als auch als Rechtsverteidiger eingesetzt.
In dem sehr zweikampfstarken und für seine furchtlosen Tacklings bekannten Spieler sehen Experten und Fans schon den neuen Jamie Carragher. Eine Mammutaufgabe für Flanagan.
Jack Robinson (17, Abwehr)
Der Linksverteidiger sicherte sich durch seine Einwechslung gegen Hull City am letzten Spieltag der Saison 2009/2010 seinen Eintrag in die Annalen des FC Liverpool. Mit 16 Jahren und 250 Tagen wurde er zum jüngsten Liverpool-Spieler aller Zeiten.
Dalglish hält große Stücke auf den englischen U-17-Nationalspieler. Robinson ist schnell, offensivstark, hat ein gutes und unbändigen Willen. Zudem gilt er als äußerst lernwillig. Verläuft seine Entwicklung weiter so steil, wird er nicht nur ein Eintrag in den Geschichtsbüchern bleiben, sondern schon bald als Stammkraft in Anfield auflaufen.
Danny Wilson (19, Abwehr)
Anders als die zuvor genannten Spieler kommt Wilson nicht aus der Liverpool-Jugend. Der talentierte Schotte kam im Sommer 2010 von den Glasgow Rangers zu den Reds.
Mit den Rangers gewann Wilson drei Titel gewinnen und wurde zum "Scottish Football Association Young Player of the Year" gewählt. Trotz seiner Jugend hat er auch schon drei A-Länderspiele absolviert.
Der robuste Innenverteidiger wird bereits mit seinem Landsmann Alan Hansen verglichen, der gemeinsam mit Dalglish bei den Reds kickte.
Jay Spearing (22, Mittelfeld)
Auch der nur 1,68 m große Mittelfeldspieler schaffte unter Dalglish den Sprung in die Stammformation. Nach Steven Gerrards Verletzung überzeugte Spearing im defensiven Mittelfeld und sorgte mit seiner Leistung dafür, dass arrivierten Kräften wie Christian Poulsen nur die Bank blieb.
Liverpool-Legende John Aldridge sieht in Spearing einen der Gewinner dieser Spielzeit. "Er hat nach der Verletzung von Steven seine Chance bekommen und sie am Schopf gepackt", sagte Aldridge dem "Liverpool Echo".
Für Aldridge hätte Spearing den Durchbruch schon früher schaffen können - wäre er bloß nicht so vielseitig einsetzbar. "Manchmal kann es schlecht für dich sein, viele Positionen spielen zu können. Jay musste oft geduldig sein, aber jetzt zahlt sich seine harte Arbeit aus", erklärte Aldridge.
Liverpool plant längerfristig mit Spearing. Sein Vertrag wurde im Mai bis 2015 verlängert.
Jonjo Shelvey (19, Mittelfeld/Sturm)
Shelvey war in dieser Premier-League-Saison so etwas wie der Alexander Zickler von Liverpool. Er bestritt 15 Spiele - immer wurde er eingewechselt. 2010 aus Charlton geholt, war der schnelle Offensivmann der ideale Joker für die Dalglish-Elf.
Sein markantes Äußeres mit kahlem Kopf - Shelvey leidet wie Pierluigi Collina an Alopecia universalis, der fortschreitenden Form des kreisrunden Haarausfalls - und seine Späße außerhalb des Platzes haben dem Jungstar schon zahlreiche Schlagzeilen in den Medien beschert.
Zuletzt musste er sich offiziell entschuldigen, nachdem ein Penis-Foto auf seiner Twitter-Seite geposted wurde.
"Kenny kennt alle Jungs"
Die genannten sechs Spieler stehen gemeinsam mit dem ebenfalls erst 22-jährigen 40-Millionen-Neuzugang Andy Carroll für den Generationenwechsel, der schrittweise unter Kenny Dalglish vollzogen werden soll.
Für Frank McParland, Direktor der Liverpool-Jugendakademie, ist der neue Coach ein Segen für den ganzen Verein und insbesondere für die Talente.
"Kenny kennt die Namen all dieser Jungs. Nicht nur von den U-18-Spielern, auch von den jüngeren. Seit er hier der Boss ist, hat er viel Zeit an der Akademie verbracht. Allein zu wissen, dass er ihnen zusieht, ist sehr ermutigend für die Jungs und gibt ihnen eine Extraportion Motivation weiter an sich zu arbeiten", sagt McParland.
Obwohl Liverpool durch zwei Niederlagen am Saisonende die Europa League verpasst hat, blickt der Klub in eine vielversprechende Zukunft. Ein Verdienst von Legende Kenny und seinen Young Reds. Und der nächste ist schon unterwegs. Für 20 Millionen Euro kaufte Liverpool Jordan Henderson aus Sunderland.
Der Kader des FC Liverpool