Lemmy mit Lippenstift

Von SPOX
Kommt Xherdan Shaqiri bei Stoke City wieder auf die Beine?
© getty

Stoke City stand jahrelang für typisch englischen Fußball. Hart, aggressiv und ehrlich. In dieser Saison aber darf man im Britannia Stadium einen neuen Fußball erwarten. Der Grund? Die Potters haben eine richtig gute Mannschaft, nicht erst seit der Verpflichtung von Xherdan Shaqiri. Das League-Cup-Duell mit dem Viertligisten Luton Town sollte da nur eine Pflichtübung sein.

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Die englischen Midlands stehen für Kohle und Industrie. Dass es in dieser Region nicht um Glanz und Glamour geht, versteht sich von selbst. In Stoke-on-Trent leben Menschen, die sich als harte und ehrliche Arbeiter verstehen - und der örtliche Fußballklub passte dazu wie die Faust aufs Auge.

Vor einigen Jahren beispielsweise, da bezeichnete Arsenals Trainer Arsene Wenger den Spielstil des Stoke City FC abfällig gar als "Rugby"-Taktik.

In der Tat war die Spielweise der Potters lange Zeit eher an der Grenze des Erlaubten als im Dunstkreis des Tiki-Taka anzusiedeln. Kultangreifer Peter Crouch stand dann beispielsweise im Angriff und wartete auf die Hufschläge aus den eigenen Reihen. Hart, hoch, weit - aber keinesfalls schön war der Stoke-Fußball.

Ein Titelchen in 150 Jahren

Stoke City, gegründet 1863 unter dem klangvollen namen Stoke Ramblers, gehört zu den ältesten Vereinen Englands. Und zu den erfolglosesten. Zwar war mit Sir Stanley Matthews einer der größten Kicker des Königreichs jahrelang dort aktiv, die Pokale jedoch wanderten in die Vitrinen der anderen Klubs.

Einzig 1972 schlug man den hochfavorisierten FC Chelsea im Ligacup mit 2:1 im Wembley. Es sollte bis heute der einzige Titel in 152 Jahren Vereinshistorie bleiben.

Doch bei den Potters wird die Hoffnung gehegt, dass sich das bald ändern könnte. Auch dank der Millionen des neuen Fernseh-Vertrages hat Stoke eine ganze Reihe interessanter Spieler in die Arbeiterstadt locken können. Und Namen wie Ibrahim Affelay, Xherdan Shaqiri, Marc Muniesa, Marco van Ginkel oder Joselu klingen definitiv nicht nach englischer Mittelklasse oder einer Neigung zur Klopperei.

Auffällig ist dabei, dass alle Neuverpflichtungen eins eint: Sie gelten als ewige Talente.

Hackebeil vs. feine Klinge

Ryan Shawcross, Robert Huth oder Phil Bardsley. Das sind die Spieler, mit denen man Stoke verbindet. Die zünftigen Vertreter ihres Fachs. Übrig im Kader sind heute lediglich Shawcross und Bardsley, doch sie verkörpern nicht mehr das Spiel der Potters. Wo früher die Axt herrschte, wird nun die feine Klinge geschwungen - zumindest auf dem Papier. Stoke also als Wiederauffangbecken hoch veranlagter, aber gescheiterter Talente?

Bereits im vergangenen Jahr verpflichtete man mit Bojan Krkic ein ehemals in den Himmel gelobtes Talent, das den Durchbruch in Barcelona, Rom und Amsterdam nicht geschafft hat. Auch Philipp Wollscheid entschied sich im Januar 2015 für einen Wechsel zu Stoke, nachdem es für ihn in Leverkusen und Mainz nicht mehr lief. Über Marko Arnatovic gibt es genug Geschichten. Auch er stand vor seinem Wechsel nach England am Scheideweg.

In diesem Sommer erwählte Coach Mark Hughes ähnliche Kandidaten. Marco van Ginkel, ein 22-jähriges niederländisches Spielmachertalent, konnte sich beim FC Chelsea nicht durchsetzen. Oder Ibrahim Affelay. Dem inzwischen 29-Jährigen wurde eine sagenhafte Karriere prognostiziert. Diverse Vereine und unzählige Verletzungen später trägt auch er das rotweiße Jersey.

"Nur weil die mit dem Geld wedeln?"

Der Königstransfer dieses Sommers kam aus Mailand in die Midlands. Xherdan Shaqiri wollte mit seinem Wechsel vom FC Bayern zu Inter im vergangenen Januar den internationalen Durchbruch schaffen. Daraus wurde nichts. Der Schweizer fühlte sich in der Serie A nie wirklich wohl und wurde - zunächst als Heilsbringer gefeiert - nach wenigen Monaten wieder abgeschoben.

Shaqiri passt ins Portfolio bei Stoke City. Und Stoke City dürfte auch monetär die richtigen Argumente zur Hand gehabt haben.

"Ich verstehe den Wechsel nicht. Du musst dich als Sportler doch fragen: Wo kann ich meine sportlichen Ziele erreichen? Das ist doch die Herausfor­derung. Scheiß auf eine oder zwei Millionen", schimpfte Stefan Effenberg im Schweizer Blick über den Wechsel. "Ich finde es schade und traurig. Nur weil die mit dem Geld wedeln?"

Doch sehen die Prophezeiungen der Experten auf der Insel ganz anders aus. Die Entwicklung und Personalpolitik des Klubs werden mit viel Optimismus verfolgt. Weg vom typisch englischen Kick-And-Rush, hin zu technisch versierten Offensivfußball - in England trauen Stoke viele mehr zu als Platz neun, wie in der letzten Saison.

Auch im Team sind die Ambitionen ob der kultigen wie hochbegabten Truppe riesig. "Wir wollen nach Europa", stellte Mittelfeldspieler Charlie Adam im Zuge des Shaqiri-Wechsels klar.

Lemmy mit Lippenstift

Es sind ungewohnte Worte für die Anhänger des Arbeiterklubs, der seit dem Aufstieg 2008 im Niemandsland der Tabelle herumkrebste. Selten in Gefahr abzusteigen, nie in Gefahr, wirklich Erfolg zu haben. Der Guardian bemühte das Bild von Motörhead-Sänger Lemmy mit Lippenstift, um den Wandel der Potters greifbar zu machen.

Sportlich läuft es jedoch noch verhalten. Zwei Punkte lautet die Ausbeute aus den ersten drei Ligaspielen. Im Capitol One Cup gegen den Viertligisten Luton Town soll jetzt das erste Erfolgserlebnis her. Ein Grundstein für den Angriff der vermeintlich Gescheiterten auf Europa. Und noch mehr Makeup für Lemmy.

Stoke City in der Übersicht