Der Zug fährt nur einmal

Hector Bellerin hat sich in der ersten Mannschaft des FC Arsenal festgespielt
© getty

Hector Bellerin hat sich in kurzer Zeit einen Stammplatz beim FC Arsenal erkämpft. Für viele gilt er schon jetzt als bester Rechtsverteidiger der Welt, ohne eine von Arsene Wenger angeordnete Umschulung wäre es aber nie so weit gekommen.

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Hector Bellerin hat es gerne schnell. Egal ob es der glänzende Mercedes S63 AMG Coupe in der Garage oder die Shooter auf seiner Playstation sind, Bellerin kennt nur Vollgas. Der 20-Jährige macht da keinen Unterschied, ob es um sportliche oder private Belange geht.

Als Mathieu Debuchy gegen Stoke City nach weniger als einer Viertelstunde vom Platz musste, schlug die Stunde von Bellerin. Vollgas, jetzt oder nie. Beim letzten Duell mit den Potters hatte er für 45 Minuten mitmischen dürfen, als es zur Pause 0:3 stand, nahm ihn Arsene Wenger vom Platz.

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Nicht ganz einen Monat später gab es also die zweite Chance. Die zweite Chance, allen zu zeigen, dass doch ein Rechtsverteidiger mit Premier-League-Niveau im jungen Katalanen steckt. Bellerin gab Vollgas - und überzeugte. Mit der Verletzung von Debuchy, der auch für die nächsten Spiele ausfiel, gelang der Durchbruch.

Von null auf Stammspieler

90 Minuten gegen Manchester City, 90 Minuten gegen Aston Villa, 90 Minuten gegen Tottenham, 90 Minuten gegen Leicester City. Von null auf Stammspieler. Bellerin hat es eben gerne schnell. Er wurde gemeinsam mit Francis Coquelin zum Gesicht des Aufschwungs in der Rückrunde und fand schnell neben dem Platz in der ersten Elf auch den Weg in die Herzen der Gooners.

Der katalanische Akzent seines sonst tadellosen Englisch, das große Grinsen auf jedem Foto, die öffentlichen Liebesbekundungen zu Arsenal - Bellerin sammelte Sympathien wie kein anderer Spieler. Mit seinen 20 Jahren ist er selbstbewusst, spricht gerne ungewohnt offen und liefert zudem Spiel für Spiel konstant gute Leistungen ab.

Seit dem 2. Spieltag der aktuellen Saison hat der U-Nationalspieler Spaniens keine einzige Liga-Minute verpasst, die Konkurrenz aus Mathieu Debuchy und Calum Chambers muss auf andere Positionen oder die Bank ausweichen. The hype is real: Rund 80 Prozent der Metro-Leser wählten den Gunner in einer Umfrage zum besten Rechtsverteidiger der Welt, noch vor Phillip Lahm, Dani Alves oder Dani Carvajal.

Schneller als Usain Bolt

Zu beeindrucken weiß Bellerin immer wieder mit seiner - wie sollte es anders sein - unglaublichen Schnelligkeit. Auf den ersten 40 Metern ist Bellerin schneller als Usain Bolt bei seinem Rekord über 100 Meter. 4,42 Sekunden brauchte der Katalane im Arsenal-Geschwindigkeitstest für die Kurzstrecke, damit wäre er rund zwei Schritte vor dem Jamaikaner gewesen. Den Vereinsrekord von Theo Walcott egalisierte er damit schon im ersten Anlauf. Als das nicht alle Anwesenden glauben wollten, tat er es umgehend ein weiteres Mal.

Als ehemaliger offensiver Flügelspieler, der die hohe Schule aus La Masia genoss, bringt Bellerin allerdings nicht nur eine enorme Antrittsschnelligkeit mit. Er hat ein gutes Timing für Vorstöße, ohne seine Seite offenzulegen. Er weiß, wann er hinterlaufen muss und wann er sich lieber breit für einen Pass anbieten sollte. Eine Freude für Arsene Wenger, der einst selbst anordnete, seinen neuesten Schützling zum Rechtsverteidiger umzuschulen.

"Er war schon als Kind ein großartiger Stürmer, aber seine Defensivqualitäten wurden immer angezweifelt. Er hat sich in diesem Punkt stark verbessert, ohne dabei seinen Drang nach vorne zu verlieren. Einstellung und Verlässlichkeit haben sich gewaltig gesteigert", schwärmte der Franzose im September. Bisher setzte er ihn oft zusammen mit Santi Cazorla auf einer Seite ein. Während der Mittelfeldspieler sich nach innen orientierte, hielt Bellerin die Seite, stieß bei Gelegenheit bis in den gegnerischen Strafraum hinein und war doch immer zur Stelle, wenn Arsenal den Ball verlor.

"Hätte es nie geschafft"

Dass er nicht die gleichen Qualitäten wie Debuchy im defensiven Eins gegen Eins und schon gar nicht in der Luft mitbringt, konnte die Mannschaft bisher gut auffangen. Dass der Franzose aber in manchen Spielen den Vorzug erhalten wird, ist nicht unwahrscheinlich. Ohnehin weiß Wenger, wann er seinem Rechtsverteidiger eine Pause gönnen muss, so blieb Bellerin unter anderem im North-London-Derby gegen die Spurs im Capital One Cup komplett auf der Bank.

Dabei haben gerade die Pokal-Wettbewerbe es dem 20-Jährigen angetan: "Wir haben den FA Cup gewonnen, das war sehr wichtig. Ich habe gemerkt, wie es sich anfühlt, Titel zu gewinnen. Wenn man auf den Geschmack gekommen ist, will man mehr davon." Die Titel hätte er vielleicht auch in Barcelona gewinnen können, trauert ihm inzwischen mancher Katalane nach. Doch Bellerin ist anderer Meinung: "Wenn ich in Barcelona geblieben wäre, hätte ich es wahrscheinlich nie in die erste Mannschaft geschafft."

Spricht man ihn an auf die Situation in Barcelona an, hört man die immer gleichen Worte: "Dieser Zug fährt nur einmal im Leben." Im Juli 2011 entschied er sich für rund eine halbe Million Euro Ablöse für den Sprung auf die Insel, als Vorbild gab der damals 16-Jährige Cesc Fabregas an. "Es war nicht irgendein Wechsel, es ging um Arsenal. Ein Team, das so spielt wie Barca. Cesc hat es dort geschafft, seine Erfolgsgeschichte war ein wichtiger Faktor für mich."

"In England musst du kämpfen"

Tatsächlich bleibt festzuhalten: Dieser eine Sprung auf den Zug war der richtige. Man kann noch so viele Was-wäre-wenn-Geschichten schmieden, letzten Endes hätte es kaum besser laufen können als in London. Bellerin ist ein Teil der englischen Hauptstadt geworden: "Die Leute merken nicht einmal, dass ich Spanier bin, bis ich es ihnen sage."

Eine Rückkehr nach Barcelona kann er damit eigentlich ausschließen. Ganz im Gegenteil zu Fabregas, der nie einen Hehl daraus machte, gerne wieder in Spanien zu spielen, hat Bellerin sich in seiner neuen Heimat nicht nur akklimatisiert, sondern voll und ganz eingelebt.

Er redet, spricht und denkt wie ein Engländer: "Hier muss man auch hart arbeiten, wenn man gegen den Tabellenletzten spielt. In England musst du kämpfen, du musst schnell auf deinen Füßen sein. Manchmal läuft es gegen dich, aber hey, das ist der Fußball in der Premier League. Nicht wie Barcelona, die für die Hälfte ihrer Spiele nur ein bisschen herumfahren."

Das wäre schließlich auch nichts für Bellerin. Ein bisschen herumfahren. Dabei gibt es kein Vollgas, keine Geschwindigkeitsrekorde, keine Action. Das gibt es vor allem in der Premier League und dort hat sich Bellerin in dieser Form auf Jahre hinweg eine große Rolle erarbeitet.

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