Auf Thierry Henrys Spuren

Von Tim Schöfer
Anthony Martial wechselte im Sommer aus Monaco zu den Red Devils
© getty

Die französische Nationalmannschaft steht vor einer goldenen Generation, die Erinnerungen an die Erfolge vor der Jahrhundertwende weckt. Vor allem auf Manchester Uniteds 50-Millionen-Euro-Mann Anthony Martial ruhen große Hoffnungen. Der 20-Jährige will in England durchstarten und tritt in große Fußstapfen. Trifft der frisch gekürte Golden Boy am Boxing Day (Sa., 13.45 Uhr im LIVETICKER) gegen Stoke City erneut?

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85 Millionen Euro soll der FC Barcelona im Sommer für Paul Pogba geboten haben. "Es reichte nicht", erklärte sein Berater Mino Raiola trocken und schiebt dem Transferirrsinn hinterher: "Juventus Turin verlangt 100 Millionen Euro." Dieselbe irrsinnige Summe will Atletico Madrid im Vertrag von Antoine Griezmann verankern.

Verglichen damit sind die 50 Millionen Euro, die Manchester United im Sommer für Anthony Martial zahlte, beinahe Peanuts. Allerdings könnten für den teuersten Teenager aller Zeiten noch Bonus-Zahlungen fällig werden. Diese Summen verdeutlichen: Die L'Equipe Tricolore steht vor einer goldenen Zukunft.

Denn Griezmann (24), Pogba (22) und Martial (19) sind nur drei Les-Bleus-Youngsters, die derzeit viel Aufsehen erregen - bei absoluten Top-Klubs wohlgemerkt. Dazu kommen noch Bayerns Kingsley Coman (19), Bilbaos Aymeric Laporte (21), den ganz Europa jagt, Reals Raphael Varane (22) und Lucas Digne (22), von Paris St. Germain nach Rom verliehen.

In den Fußstapfen Thierry Henrys

Das Potenzial Frankreichs ist riesig und damit gehen große Hoffnungen einher. Nach Martials Wechsel zu den Red Devils und seinem ersten Treffer wurde der 20-Jährige als "henryesque" gefeiert - in Anlehnung an Thierry Henry, den Rekordtorschützen der L'Equipe Tricolore. Der Vergleich mit dem ehemaligen Arsenal-Star war vorprogrammiert, zahlreich sind die Parallelen der beiden, die ihre familiären Wurzeln auf den französischen Antillen in Guadeloupe haben.

Noch sind die Fußstapfen von Frankreichs fünffachem Fußballer des Jahres natürlich zu groß für Martial. "Vielleicht werde ich mit harter Arbeit Henrys Level erreichen. Aber im Moment bin ich weit davon entfernt", weiß der 20-Jährige selbst.

Dennoch: Henry wird die Messlatte für Martials Karriere sein und der junge Franzose folgt in riesigen Schritten dem Weg, den Henry vorgezeichnet hat: Beide begannen ihre Karriere im Alter von sechs Jahren in der Talentschmiede von CO Les Ulis. Nach mehreren Stationen landete Henry beim AS Monaco. Martial brauchte nur eine Station, ehe auch er im Fürstentum ankam.

Erste Station auf dem Weg zum Erfolg

Genau wie Henry gelang auch Martial dort der Durchbruch: Nach seinem Wechsel von Lyon zu Monaco überzeugte Martial in der B-Mannschaft und erzielte in den ersten vier Einsätzen drei Tore. Es folgte die Beförderung in die erste Mannschaft. Die Ligue-A-Bilanz im Vergleich: Martial erzielte in 49 Spielen elf Treffer, Henry bringt es in 44 Einsätzen nur auf sechs.

Henrys erster Schritt raus aus Frankreich führte nach Italien zu Juventus Turin. Dort kam der Franzose jedoch nicht zurecht, wechselte nur acht Monate später in die Premier League zum FC Arsenal, wo er seinerzeit einer der besten Stürmer der Welt wurde. Martial ging den direkten Weg nach England, wechselte nach zwei Jahren in Monaco für 50 Millionen Euro zu Manchester United.

Der nächste Schritt

Mit hochgezogenen Augenbrauen verfolgte die Fußball-Welt die ersten Einsätze des jungen Mannes, der mit 19 Jahren (zum Zeitpunkt des Transfers) schon so viel Geld wert sein sollte. Skepsis machte sich breit, "Panikkauf" schallte es durch die Medien, nachdem der Deal bekannt wurde.

Kurios: Selbst United-Kapitän Wayne Rooney war verwirrt. "Er ist zu mir gekommen und hat gefragt: 'Wer ist Martial?'", amüsierte sich Teamkollege und Landsmann Morgan Schneiderlin.

Martial antwortete selbst: Ein Tor beim Debüt gegen Liverpool, eine Woche später folgte der erste Startelfeinsatz und ein Doppelpack beim 3:2-Sieg in Southampton. Mittlerweile hat Martial in der Liga doppelt so viele Saisontore wie Rooney.

Eilt Martial weiterhin so konsequent auf den Spuren von Henry, ist der Erfolg absehbar: Je zweimal wurde Henry mit Arsenal Meister und zu Englands Fußballer des Jahres gewählt. Viermal wurde der Franzose Torschützenkönig der Premier League. Bis heute ist er Rekordtorschütze der Gunners. Die Messlatte hängt gewaltig hoch.

Erste Krise

Vielleicht zu hoch, denn nach dem furiosen Start in Manchester befand sich Martial dort zuletzt in seiner ersten kleinen Krise. Zwar spielte der Franzose wenn er fit war, ein Tor gelang ihm aber zwischenzeitlich neun Spiele in Folge nicht, oft agierte er unglücklich.

Nur beim 1:1 gegen ZSKA Moskau in der Champions League traf der Franzose. Zuvor verschuldete er allerdings durch ein Handspiel im Strafraum den Rückstand. "Das war eine dumme Aktion", rügte Trainer Louis van Gaal seinen Youngster. Im Rückspiel wurde der 20-Jährige beim Stand von 0:0 nach 66 Minuten ausgewechselt.

Im letzten Premier-League-Spiel platzte der Knoten nun wieder: Gegen Norwich City erzielte Martial den einzigen Treffer der Red Devils - zu wenig allerdings, um den überraschenden 2:1-Sieg des abstiegsbedrohten Aufsteigers im Old Trafford zu verhindern.

Der komplette Stürmer

"Unser bester Stürmer fällt aus. Wenn sich das Verfahren in die Länge zieht, sind wir für die EM schon jetzt im Nachteil", befürchtet Ex-Bayern-Star Bixente Lizarazu, der auf den Erpressungs-Skandal um Karim Benzema anspielt.

Umso mehr Hoffnungen ruhen auf Martial. Dass er mit diesem Druck im Nationaldress umgehen kann, sah man im Freundschaftsspiel in Paris, als er den Führungstreffer gegen Deutschland glänzend vorbereitete.

Dabei bewies er, dass er alle Anlagen mitbringt, die einen kompletten Stürmer ausmachen: Martial verfügt über einen starken Antritt, ist schnell und technisch bereits auf einem hohem Niveau. Dazu ist er stark im Abschluss und bringt auch physisch alles mit: Trotz seiner Jugend ist Martial robust und weiß seinen Körper einzusetzen, gleichermaßen ist er auch beweglich, was ihm im Sprint und Dribbling hilft. Thierry Henry, is that you?

Umgesetzt sah das so aus: Der Youngster setzte seinen robusten Körper perfekt ein und verwies Antonio Rüdiger auf den Hosenboden. Dann zeigte er seine Athletik und feine Ballbehandlung, als er Weltmeister Matthias Ginter auf engstem Raum düpierte, bevor er Olivier Giroud mustergültig bediente.

Frankreichs nächster Golden Boy

Dass der 20-Jährige zu den größten Talenten Europas zählt, ist kein Geheimnis mehr. Deshalb verwundert es nicht, dass Martial mit dem Golden Boy Titel ausgezeichnet wurde. Laut dem französischen Sender RMC wurde damit auch die erste Bonuszahlung in Höhe von 5 Millionen Euro fällig.

Nach Paul Pogba (2013) ist Martial der zweite Franzose, dem diese Ehre zuteilwird. Ebenso wenig überraschend: Auch den zweiten Platz belegt ein Franzose, Coman wurde zum zweitbesten Youngster gekürt.

Mit Martial, Pogba, Coman und Co. wächst in Frankreich eine goldene Generation heran, welche die L'Equipe Tricolore wieder an die Weltspitze führen soll. Der EM-Titel im eigenen Land wäre ein erster großer Triumph, mit dem sich Geschichte wiederholen würde: Bereits 1984 gewannen die Les Bleus eine Heim-EM.

Mit Martial ist eine solche Wiederholung nicht undenkbar: Thierry Henry führte Frankreich 1998 bei der WM im eigenen Land und zwei Jahre später bei der EM in Belgien und den Niederlanden mit jeweils drei Toren zum Titel...

Anthony Martial im Steckbrief