Rund 50 Millionen Euro Ablösesumme, die der FC Arsenal Real Madrid zu Beginn der Saison 2013/14 überwies, machten Mesut Özil zum teuersten deutschen Spieler aller Zeiten. Die Gunners verpflichteten damit nicht nur einen der begehrtesten offensiven Mittelfeldspieler Europas, sondern auch eine einflussreiche Marke. Die Marke Mesut Özil.
Fernab des Platzes haben Özil und sein Management ein riesiges, finanzstarkes Imperium rund um seinen Namen aufgebaut. Auf der aufwändig entwickelten Homepage des 27-Jährigen findet der Özil-Fan in vier Sprachen alles rund um den Superstar, angefangen bei dessen aktueller Lieblingsplaylist über seinen eigenen Blog und eine Auswahl von Bildschirmhintergründen.
Das Social-Media-Phänomen
Die Özil Marketing GmbH, deren Geschäftsführer Bruder Mutlu ist, operiert weltweit und stellt auf ihrer Homepage ein Team von mittlerweile sechs Mitarbeitern vor. Noch stärker ist Özils Präsenz in den sozialen Medien. Mit fast 30 Millionen Fans gehört Özil zu den zehn beliebtesten Sportlern bei Facebook, hinter ihm rangieren Weltstars wie Andres Iniesta oder Michael Jordan. Dazu gesellen sich 865.000 Google+-Follower, sowie fünf Millionen bei Instagram und zehn Millionen bei Twitter.
Özil ist eine Marketing-Maschine, ein Werbe-Phänomen. Schon in seiner ersten Saison bei Arsenal gehörte sein Trikot zu den fünf meistverkauften der gesamten Liga. Dem Facebook-Auftritt des Vereins folgen fast 820.000 Fans aus der Türkei und über 340.000 aus Deutschland.
Das schlampige Genie
Dem gegenüber standen über Jahre seine inkonstanten Leistungen. Vor allem in wichtigen Spielen und gegen defensivstarke Gegner tauchte Özil oftmals unter und agierte phlegmatisch, egal ob er im Trikot der Gunners oder dem der DFB-Elf auf dem Rasen stand. Die englischen Medien gingen hart ins Gericht mit dem 27-Jährigen. Die Sun etwa nannte Özil einen "Meister des Versteckens", "Özil ist einen Scheißdreck" wert, titelte die Daily Mail. Ähnliches gilt für die deutsche Presse, die auch während der WM harsche Kritik an den durchwachsenen Auftritten des gebürtigen Gelsenkircheners übte.
Die augenscheinliche Lustlosigkeit Özils wurde häufig diskutiert. Mangelnde Defensivarbeit wurde ihm ebenso vorgeworfen, wie der fehlende Wille, sich gegen eine Niederlage zu stemmen und ein Spiel zu drehen. Gleichzeitig hielt man nach starken Spielen Özils auch nicht mit überschwänglichen Lobeshymnen hinter dem Berg. Özil polarisiert. Mit seiner zeitweilig lethargischen Körpersprache, nicht weniger aber auch mit seiner Genialität.
Der beste Özil aller Zeiten
In der aktuellen Spielzeit liefert Özil seinen Kritikern kein Futter - im Gegenteil. Der 27-Jährige spielt seine mit Abstand beste Premier-League-Saison und gehört mit den derzeit auf Platz eins postierten Gunners zu den engsten Titelkandidaten in England, das kurze Straucheln der Konkurrenz aus Manchester und Leicester wurde perfekt abgefangen. Auch in der Champions League rettete sich Arsenal durch einen fulminanten Schlussspurt doch noch in das Achtelfinale.
Wesentlichen Anteil am Erfolg seines Teams hat Özil. In bislang 19 PL-Spielen erzielte er drei Treffer und bereitete 16 weitere Tore vor. Wann der Vorlagen-Rekord (20 Vorlagen) von Arsenal-Legende Thierry Henry aus der Saison 2001/2002 fällt, scheint angesichts der noch verbleibenden 18 Partien und Özils Form nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Dazu kommen zwei Tore in der Königsklasse. In der vergangenen Saison kam Özil auf lediglich zehn Scorerpunkte in der Liga sowie eine Vorlage in der Champions League.
Arsenal-Trainer Arsene Wenger lobt Özil gleichzeitig für seine enorm verbesserten Defensiv-Qualitäten. Früher undenkbar, setzt der Ex-Madrilene inzwischen auch mal zur Grätsche an und beißt sich in die Zweikämpfe. "Du erkennst seine Lust auf Siege. Er ist ein außergewöhnlicher Kämpfer", so Wenger. Schon jetzt, knapp nach der Hälfte der Saison, kann Özil mehr klärende Aktionen, eine bessere Tackling-Quote und mehr Fouls verbuchen als 2014/15.
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Özil der Musiker
Das Lob von Trainer und Mitspielern geht darüber aber weit hinaus. "Er ist ein Musiker, der immer zum richtigen Zeitpunkt die richtige Note spielt", beschreibt Wenger und ergänzt: "Ich genieße das Timing seiner Pässe. Man steht vor der Trainerbank und denkt sich: 'Jetzt muss der Pass kommen.' Aber man hat den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da hat er den Ball schon gespielt." Auch Mannschaftskollege Theo Walcott spricht in höchsten Tönen von der "Assist-Maschine", wie die Sun Özil kürzlich nannte: "Er sieht Dinge, die andere nicht sehen. Er weiß, was du tust, bevor du es tust."
Seine bemerkenswerte Entwicklung in dieser Saison ist aber keinesfalls dem Zufall zu verdanken. "Ich trinke drei Liter Wasser am Tag, dazu reichlich grünen Tee. Ich esse sehr viel Fisch. In den vergangenen drei Monaten habe ich dadurch abgenommen, wiege jetzt statt 74 nur noch 71 Kilogramm", beschreibt er die Umstellung seiner Ernährung gegenüber Sportbild. Auch die Versetzung zurück in das Zentrum, seiner Lieblingsposition, spielt eine große Rolle. Hier fühlt sich Özil wohl, hier hat er das Spiel um sich, kann seine Kreativität voll ausleben. Zusätzlich lässt er sich auch an freien Tagen vom medizinischen Personal des Vereins behandeln, um Verletzungen vorzubeugen.
Unscheinbar ist nicht immer schlecht
In London weiß man nicht erst seit dieser Saison um den Wert Özils, der über die nackten Zahlen hinausgeht. Sein Spiel ist nicht das spektakulärste, oftmals sind es unscheinbare Körpertäuschungen und Verlagerungen, die Räume oder Unordnung in der Grundstruktur des Gegners bringen und so letztlich zum Torerfolg führen - auch wenn diese Szenen in keiner Highlight-Show Platz finden und dem Beobachter oftmals verborgen bleiben.
"Ich brauche die Tore nicht für mein Ego. Wer am besten positioniert ist vor dem Tor, sollte schießen", beschreibt Özil, der Wengers Wunsch, sich öfter im Strafraum zu zeigen, aber durchaus umzusetzen weiß: "Ich verstehe, dass ich hin und wieder einfach selbst den Abschluss suchen muss. Das tue ich jetzt."
Die Times will von einem fürstlichen Angebot für eine Vertragsverlängerung über 2018 hinaus erfahren haben, das Özil mit einen Wochengehalt von über 200.000 Euro zum bestbezahltesten Spieler der Gunners-Historie machen würde. Özil boomt und ist ein Erfolgsgarant. In dieser Saison in gleichem Maße auf, wie neben dem Platz.
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