Der FC Arsenal reagierte auf die Verletzungsmisere und den damit verbundenen Engpass im Mittelfeld. Arsene Wenger überraschte mal wieder mit seiner Wahl auf dem Transfermarkt und holte Mohamed Elneny vom FC Basel. Doch es ist mehr als ein Experiment. Der 23-Jährige kann langfristig das fehlende Glied im System sein.
Arsene Wenger ist nicht gerade bekannt für seine Aktivität auf dem Transfermarkt, wofür der Gunners-Coach nicht immer Lob einsackt.
Gerade im Winter macht sich der Franzose auf dem Schachfeld der Vereine im Kampf um Neuzugänge rar. Seit seinem Amtsantritt 1996 wurde der mittlerweile 66-Jährige lediglich neun Mal zum Jahreswechsel ernsthaft tätig.
Berücksichtigt werden bei "ernsthaft" nur die Transfers ab einer Ablösesumme von fünf Millionen, was bei den heutigen Summen in der Premier League eine sehr niedrige Grenze darstellt. Bestes Beispiel: Timm Klose geht für elf Millionen Euro zu Norwich City.
Wenger ist ein Shopping-Muffel, der so den Vorwurf von Geiz provoziert. Der Begriff Sorgfalt ist allerdings nicht weit. Umso spannender ist der Wechsel von Mohamed Elneny an die Themse - ganz nach dem Motto "die werden sich schon was dabei gedacht haben".
Wenger bleibt sich treu
Gut, eine Reaktion der Gunners auf die Verletzungsmisere im zentralen Mittelfeld war schon wahrscheinlich. Die Ausfälle von Santi Cazorla, Jack Wilshere, Mikel Arteta und Francis Coquelin lassen sich angesichts der Belastung auf der Insel kurzfristig nicht einfach so kompensieren.
Dass die Gunners aber gerade auf Elneny aufmerksam wurden, kam zugegebenermaßen etwas unerwartet. Unerwartet früh. Der 23-Jährige entwickelte sich nämlich erst im vergangenen Jahr zu einer festen Größe im Kader des FC Basel. Klar, Potenzial ist erkennbar, dennoch folgt jetzt Schlag auf Schlag.
"Ich habe immer gedacht, dass Elneny unterschätzt wird", sagte auch FCB-Sportdirektor Georg Heitz. Wenger bleibt also mal wieder seiner Linie treu und holt nicht etwa einen gestandenen Namen der Szene, sondern einen jungen Perspektivspieler, was angesichts der akuten Notlage im Mittelfeld der Gunners mutig ist.
"Dabei ist er Äthiopier"
Dem gebürtigen Ägypter wird somit eine gemütliche Anlaufzeit verwehrt. Das Experiment wäre zum Scheitern verurteilt, wäre Elneny nicht wie geschaffen für diese Herausforderung. Das schnelle Box-to-Box-Spiel auf der Insel dürfte dem physisch hervorragenden Sechser tatsächlich wenige Probleme bereiten.
"Ich glaubte, wir hätten einen Ägypter verpflichtet - dabei ist Elneny Äthiopier", beschrieb Heitz einst scherzhaft das außergewöhnliche Laufpensum des Ex-Baslers.
Auch die englische Härte liegt dem Rechtsfuß. Arsenal hat mit dem Transfer sowohl kurzfristig als auch langfristig die optimale Lösung gefunden.
Unspektakulär, aber effizient
Was auf den ersten Blick lediglich wie eine Kurzschlussreaktion auf die lichte Besetzung im Mittelfeld wirkt, könnte auf lange Zeit die Lücke im Wenger-System füllen. Leichtgewichtige Schönspielerei - eine Umschreibung mit negativer Konnotation, die sich der FC Arsenal nicht selten gefallen lassen muss.
Das Gegenteil davon ist Elneny: mannschaftsdienlich, passsicher, schnörkellos, arbeitsintensiv. Er soll als Bindeglied zwischen der kreativen, teils verspielten Offensive und der großgewachsenen, kantigen Innenverteidigung integriert werden.
Hinzu kommt die spielerische Stärke des Neuzugangs. Er sei "technisch stark und kann das Spiel lesen", beschrieb Basel-Coach Urs Fischer seinen Ex-Schützling. Zuletzt entwickelte der 40-fache Nationalspieler sogar echte Torgefahr, vor allem aus der Distanz.
"Wissen nicht wirklich, wer ich bin"
Elneny vereint Attribute, die ihm die Herzen der erwartungsvollen Fans nicht von Beginn an zufliegen lassen werden. Doch die unspektakuläre Spielweise des Arbeitstiers spiegelt nur zu gut seine Persönlichkeit wider.
Auf Lobpreisungen aus Ägypten reagierte Elneny im Gespräch mit der Basler Tageswoche: "Es ist nicht so, dass ich etwas dagegen habe, aber ich fühle mich im Gegensatz zu anderen nicht wie etwas Großes. Tief in mir drin fühle ich, dass die Leute nicht wirklich wissen, wer ich bin."
Womöglich wird sich das beim Medienaufkommen auf der Insel aber noch ändern. Elneny ist immerhin kein Mann der Stagnation. "Jetzt bin ich verheiratet, habe einen Sohn und damit eine große Verantwortung. Das ist eine sehr große Veränderung", sagte er der Tageswoche.
Sollten sich die Anzeichen bestätigen, schnappte sich Wenger sowohl sportlich als auch charakterlich den Jackpot für die Gunners-Familie.
Sei der Ball
Mit dem Gang in die Premier League erfüllt sich Elneny seinen Kindheitstraum. Die beiden Spiele gegen Liverpool in der Gruppenphase der Königsklasse vor zwei Jahren seien ein absolutes Highlight seiner jungen Karriere gewesen.
"Nach dem Sieg gegen Liverpool hatte mein Vater Tränen in den Augen, das hat mich sehr gerührt", erzählte Elneny der Nordwestschweiz: "Er ist Fußballtrainer und hat begonnen mich zu trainieren, als ich drei Jahre alt war. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass ich Profi werde."
Noch heute ist sein Vater die wichtigste Bezugsperson des 23-Jährigen - vor allem nach dem Tod seiner Mutter vor sieben Jahren. Nach jedem Spiel telefonieren die beiden. Schließlich habe er ihm seine Liebe zum Spiel zu verdanken: "Ich erinnere mich, wie er mir als Kind befohlen hat, den Ball mit ins Bett zu nehmen. Er hat gesagt: 'Du musst mit dem Ball verschmelzen'."
Nur ein Zwischenstopp in London?
Das zahlte sich aus. Traumspiele wie das gegen die Reds wird der Premier-League-Neuling in Zukunft öfter im Kalender vermerken.
Trotz des Eintritts in seine ganz persönliche Traumwelt Premier League bleibt der gläubige Muslim nicht nur während seiner täglichen Gebete auf dem Teppich.
"Ich wünsche mir im Fußball mehr Demut und Dankbarkeit", sagte Elneny der Nordwestschweiz. Wünsche und Ziele hat der frischgebackene Gunner dennoch: "Mein Traum ist der FC Barcelona. Ich traue mir zu, dort zu spielen. Aber ich muss hart dafür arbeiten."
Mohamed Elneny im Steckbrief