Vor der Saison wechselte Uwe Hünemeier vom SC Paderborn zu Brighton & Hove Albion in die englische Championship und belegt mit seinem neuen Team nach einer erfolgreichen Saison den dritten Rang. Mit einem Sieg am letzten Spieltag im Topspiel gegen den Tabellenzweiten FC Middlesbrough (Sa., 13.30 Uhr im LIVESTREAM) würde Brighton & Hove Albion den Aufstieg in die Premier League perfekt machen. Vor dem wichtigsten Match der Saison sprach Hünemeier über die Aufstiegschancen, seinen Ex-Coach Jürgen Klopp, die Fankultur in England und Pub-Besuche.
SPOX: Sie spielen mittlerweile seit neun Monaten bei Brighton & Hove Albion. Wie lebt es sich auf der Insel?
Uwe Hünemeier: Ich fühle mich hier sehr wohl und meine Erwartungen wurden übertroffen - besonders sportlich. Die Saison ist deutlich besser gelaufen als angenommen. Das erste halbe Jahr ist für mich persönlich sehr gut gelaufen, weil ich viel auf dem Platz stand und einen großen Anteil an der Entwicklung hatte. Leider habe ich mich im Hinspiel gegen den FC Middlesbrough an den Adduktoren verletzt.
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SPOX: Seitdem haben Sie kein Spiel mehr bestritten. Wie bitter ist es, dem Team in dieser entscheidenden Phase nur von der Tribüne aus helfen zu können?
Hünemeier: Kein Fußballer sitzt gerne auf der Bank und ich bin Fußballer durch und durch. Jetzt darf ich aber nicht an mich denken, sondern fiebere wie jeder Fan dem Aufstieg entgegen. Ich habe den Jungs auch gesagt: 'Seht zu, dass ihr in die Premier League kommt, in der Liga spiele ich auch wieder mit.' (lacht)
SPOX: Sie peilen Ihr Comeback also erst zur neuen Saison an?
Hünemeier: Mit Prognosen bin ich vorsichtig. Ich befinde mich im Aufbautraining, aber vermutlich werde ich erst in der nächsten Saison zurückkehren. Das hängt natürlich auch vom Samstag ab; wenn wir in die Playoffs müssen, besteht eine kleine Chance - aber diese Chance möchte ich nicht wahrnehmen.
SPOX: Am Wochenende geht es im Aufstiegsduell gegen den FC Middlesbrough, wobei Ihrem Team nur ein Sieg zum Aufstieg reicht. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Hünemeier: Der Aufstieg ist völlig offen, weil beide Teams auf Augenhöhe sind. Aber der Druck liegt bei Middlesbrough, weil sie den Aufstieg früh zum Ziel erklärt haben. Wir wollten zwar von Anfang an um die Playoffs mitspielen, aber dieses Ziel hatten zehn bis 15 Teams.
SPOX: Das Hinspiel wurde mit 3:0 verloren. Warum klappt es diesmal?
Hünemeier: Das Hinspiel war unsere erste Niederlage der Saison und danach hatten wir unsere einzige Schwächephase. Seit Januar haben wir uns aber in einen Rausch gespielt und aktuell sind wir seit 13 Spielen ungeschlagen. Insgesamt sind wir unberechenbar und spielen keinen kick and rush, sondern haben ein sehr gutes Aufbauspiel. Das zeichnet uns aus.
SPOX: Was würde der Aufstieg für den Verein und die Stadt bedeuten?
Hünemeier: Brighton ist bereit: Wir haben hervorragende Trainingsbedingungen und ein Stadion auf allerhöchstem Niveau. Die Stadt steht hinter dem Verein und jeder Einwohner träumt vom ersten Aufstieg in die Premier League.
SPOX: Entstand ein ähnlicher Hype wie bei der überraschenden Meisterschaft von Leicester?
Hünemeier: Ja, der Hype ist förmlich greifbar: Wir haben durchschnittlich 25.000 Zuschauer, die uns 90 Minuten nach vorne peitschen. Wir erleben die Fans hauptsächlich bei den Spielen und da ist die Stimmung von Woche zu Woche euphorischer geworden.
SPOX: Sie haben bereits mit dem SC Paderborn einen Aufstieg gefeiert. Wäre Brightons Aufstieg eine ähnliche Sensation?
Hünemeier: In Paderborn hat uns kaum jemand den Aufstieg zugetraut. Das war hier auch so. Aufstiege mit solchen Vereinen sind etwas Besonderes und wenn ich das nochmal erleben dürfte, wäre das eine Riesensache. Hätte mir jemand vor zwei Jahren erzählt, dass ich vielleicht bald Premier League spiele, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Die Stadien in Sheffield und Fulham haben beispielsweise schon Kultstatus, aber in der Premier League ist die unfassbare Fußball-Tradition Englands in jedem Stadion spürbar.
SPOX: Auf welchen Gegner würden Sie sich besonders freuen?
Hünemeier: Es wäre Wahnsinn, gegen Jürgen Klopp und den FC Liverpool zu spielen. Mir hätte man meinen Weg sicherlich nicht unbedingt so zugetraut und deshalb wäre es eine tolle Geschichte, sich auf dem höchsten Niveau wieder zu treffen.
SPOX: Sie haben in Dortmund einst den Trainer Klopp als Spieler erlebt. Was zeichnet ihn aus?
Hünemeier: Man hat bereits in diesem halben Jahr gesehen, dass seine Emotionalität in England extrem viel bewegt. Selten sind englische Trainer so emotional wie Klopp und transportieren ihre spezielle Verbundenheit zu den Spielern so offensiv in die Öffentlichkeit.
SPOX: Können Sie das genauer erklären?
Hünemeier: Unser Coach ist beispielsweise auch ein super Trainer, aber er ist viel nüchterner als Jürgen Klopp. Klopps Emotionalität wird in England überragend aufgenommen und prägt den Fußball hier nachhaltig. Gerade in Liverpool hat er einen Hype entfacht und der Triumph im Viertelfinale gegen Dortmund hat das auf eine neue Stufe gehievt. Die Engländer haben einen großen Respekt davor, wenn er zur neuen Saison Neuzugänge nach seinen Wünschen verpflichten kann.
SPOX: Hat Klopp mit dem traditionsreichen Klub Liverpool genau den richtigen Verein ausgewählt?
Hünemeier: Liverpool ist wie Dortmund eine Arbeiterstadt und deshalb mit Sicherheit der passende Verein für ihn. Er könnte aber auch mit anderen Vereinen Erfolge feiern, weil er mit seiner Emotionalität auch die Fans von Arsenal oder Manchester United mitreißen würde.
SPOX: Abgesehen von der Tradition: Was ist in England anders als in Deutschland?
Hünemeier: Der Hauptunterschied liegt in der Physis: In England darf man viel intensiver und härter spielen. Im Vergleich zur 2. Liga in Deutschland ist das Tempo in der Football Championship schneller. Außerdem hegen die Vereine in England enorm hohe Ansprüche und fast jeder Klub hatte bereits einen Trainerwechsel. Das würde es in Deutschland in diesem Ausmaß nicht geben. Aber auch die Stimmung ist anders: In England gibt es keine Fantribüne mit den Ultras. Wenn gesungen wird, macht jeder mit. Die Fans machen manchmal aus weniger mehr und feiern Ecken und leidenschaftliche Grätschen - das sind Emotionen pur. Dafür werden nicht wie in Deutschland über 90 Minuten verschiedenste Gesänge angestimmt.
SPOX: Auch wirtschaftlich gibt es große Unterschiede. Wie entscheidend war der finanzielle Aspekt bei Ihrem Wechsel?
Hünemeier: Dass ich auch wirtschaftlich gesehen einen guten Vertrag unterschrieben habe, steht außer Frage. Mir ist die Entscheidung aus privaten Gründen aber nicht leicht gefallen, denn es war von Anfang an klar, dass meine Familie in Paderborn bleibt. Ich habe einen Sohn, der in den Kindergarten geht und meine Tochter wird im Sommer eingeschult - ich wollte meine Kinder nicht aus ihrem Umfeld herausreißen. Nach vielen schlaflosen Nächten habe ich mich aber dazu entschieden, dass ich mir die Chance, in England Fußball zu spielen, nicht entgehen lassen will. Es war die richtige Entscheidung - auch, weil ich hier als Fußballer mehr Freiheiten genieße.
SPOX: Inwiefern?
Hünemeier: Hier gehen Spieler an den freien Tagen auch mal in Pubs und trinken ein Bier mit den Fans. Das ist für die Fans absolut normal und keiner schaut dich schräg an oder zückt sein Handy, um die Fotos in den sozialen Medien zu verbreiten. Wenn du dich auf dem Platz zerreißt honorieren die Fans das und wissen, dass ein Fußballer ein Leben neben dem Platz hat. Insgesamt herrscht hier nicht so eine Neidgesellschaft um die Einkommen der Spieler. Deshalb ist die Presse nicht so sehr auf Paparazzi-Fotos aus und horcht die Spieler nicht im Privatleben aus. Während man in Deutschland das Gefühl hat, dass nur auf Fehltritte gewartet wird, genießen die Spieler hier absolute Freiheiten. Das ist eine andere Lebensqualität.
Uwe Hünemeier im Steckbrief