Frage: Herr Ranieri, vor etwas mehr als einem Jahr haben Sie Leicester City übernommen. Konnten Sie es sich jemals vorstellen, hier als englischer Meister zu sitzen?
Claudio Ranieri: Nein, natürlich nicht. Unser großes Ziel war immer der Klassenerhalt. Doch nach und nach wurde der Abstieg immer unwahrscheinlicher und spätestens nach den Weihnachtstagen glaubten wir zum ersten Mal an etwas Größeres. Wir wurden immer besser, weil unser Selbstvertrauen gestiegen ist und wir bis zum Ende gekämpft haben. Ich denke aber, dass das nicht zu wiederholen ist. Es war fantastisch.
Frage: Wie lauten die größten Herausforderungen für Ihr Team in der nächsten Saison?
Ranieri: Die größte Aufgabe wird sein, solch eine Saison zu wiederholen. Es ist aber schwer und vielleicht sogar unmöglich. Wichtig ist es nun, in der Vorbereitung alles zu geben. Wir haben keinen Druck, der liegt bei den großen Teams, die letztes Jahr keine Titel gewonnen haben oder die Champions League nicht erreichen konnten. Mit Mourinho, Guardiola und Conte sind große Trainer in der Liga und die haben den Druck, etwas zu erreichen. Wir versuchen einfach, eine gute Saison zu spielen.
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Frage: Es ist Ihr zweites Jahr in Leicester und Sie kennen die Premier League gut. Was macht für Sie die Faszination der Liga aus?
Ranieri: Einfach alles. Die Fans, die Stadien und die Atmosphäre sind unglaublich. Aber auch das ganze Medieninteresse an der Liga ist Wahnsinn. In Thailand, China, Japan oder Kolumbien, einfach überall ist das Interesse riesig. Die Premier League ist ein fantastisches Produkt.
Frage: Guardiola und Conte haben beide ihre eigene Art, Fußball zu spielen, und sind beides keine Trainer, die englischen Fußball spielen lassen. Glauben Sie, dass viele ausländische Coaches in der Premier League ihre Spielweise dem englischen Fußball anpassen?
Ranieri: Nein, Antonio Conte wird immer Antonio Conte sein. Egal, ob in Italien, Spanien oder hier in England. Jeder Trainer hat seine eigene Philosophie, die er den Spielern beibringen will. Dasselbe gilt auch für Guardiola. Vielleicht wird er kleine Änderungen vornehmen, aber seine Grundidee ist viel Ballbesitz und die wird er auch weiterhin verfolgen.
Frage: Aber glauben Sie, die neuen Trainer können den typisch englischen Stil grundlegend verändern?
Ranieri: Trainer sind schlaue Leute. Ich bin auch nicht mehr derselbe wie am Anfang. Ich war in Italien, Spanien, England, Frankreich und Griechenland und durch all diese verschiedenen Einflüsse verändert sich dein Denken. Natürlich war Bayern München unter Guardiola nicht das zweite Barcelona, vor allem, weil die Spieler unterschiedliche Mentalitäten haben, aber die Grundidee des Fußballs war bei beiden Teams die gleiche.
Frage: Ron-Robert Zieler kam im Sommer aus Hannover. Warum haben Sie ihn verpflichtet?
Ranieri: Wir haben einige Torhüter während der letzten Saison verfolgt. Wir haben uns für ihn entschieden, weil er ein sehr starker, reaktionsschneller und zuverlässiger Keeper ist. Ich brauche immer gute Spieler und habe meinem Boss gesagt: 'Es wird eine harte Saison und wir haben fast jeden dritten Tag ein Spiel und ich muss rotieren können, um meine Spieler fit zu halten, vor allem mental.' Ich versuche, das Level der Spieler so gut es geht gleichzuhalten, so kann ich beliebig ohne großen Qualitätsverlust wechseln. Aus diesem Grund haben wir auch Musa, Mendy oder Hernandez geholt.
Frage: Wer wird die Nummer eins im Tor: Zieler oder Schmeichel?
Ranieri: Lassen Sie mich erstmal die Vorbereitung abwarten und die nächsten Testspiele beobachten.
Frage: Könnten Sie sich ein Modell a la Barcelona vorstellen? Ein Torwart für die Pokalwettbewerbe und einer für die Liga?
Ranieri: Klar, warum nicht? Letzte Saison haben wir das im Liga-Pokal gemacht. Aber lassen Sie mich überlegen und dann werde ich entscheiden.
Frage: Sind Sie mit ihrem Kader zufrieden oder sind noch Neuzugänge geplant?
Ranieri:Ich bin sehr zufrieden, aber sie wissen auch, dass der Transfermarkt nach der Europameisterschaft nun erst so richtig losgeht. Falls wir noch etwas machen sollten, werden wir das bekanntgeben.
Frage: Auf welchem Rang wird Leicester City in der nächsten Saison landen?
Ranieri: Wir werden mit dem gleichen Ziel in die Saison starten, wie wir das schon letztes Jahr getan haben. Wir wollen nicht absteigen und so schnell wie möglich 40 Punkte holen. Und dann werden wir sehen, wie hoch es wieder gehen kann. Wir wollen die Champions-League-Gruppenphase überstehen und unser Traum ist es, wieder einen Titel gewinnen zu können.
Claudio Ranieri im Steckbrief