Für Leicester City ändert sich in der neuen Saison alles - zumindest in Sachen Wahrnehmung. Als Sensations-Meister sind die Foxes erst einmal die Gejagten. Hat die Truppe von Claudio Ranieri das Zeug, auch 2016/17 unter den Großen mitzumischen? Was gibt die Truppe her? SPOX macht den Kadercheck.
Torhüter: Kasper Schmeichel, Ron-Robert Zieler, Ben Hamer
Konkurrenzkampf? Ja, bitte! Kasper Schmeichel sieht eigentlich keinen Grund, seinen Platz im Tor der Foxes abzugeben. Der Keeper war einer der großen Garanten beim letztjährigen Titelgewinn und hat damit bei Ranieri einen großen Stein im Brett.
Mit Zieler kommt jetzt immerhin ein Weltmeister nach Leicester. Gewohnt zurückhaltend gibt der sich bislang in Sachen Kampfansagen, wenngleich sich der Hannoveraner sicher nicht nur auf die Bank setzen will. "Sie haben mir in Leicester deutlich gemacht, dass es einen offenen Zweikampf gibt", betonte Zieler nach seiner Ankunft. Zwischenzeitlich hielten sich die Gerüchte hartnäckig, sein Konkurrent Schmeichel suche aufgrund der Verpflichtung des Deutschen nach einer neuen Herausforderung. Diese sind mittlerweile wieder verflogen.
Beide Keeper haben bereits unter Beweis gestellt, dass sie in ihren jeweiligen Ligen zu den Besten gehörten. Wer auch immer am Ende das Tor hütet: Auf dieser Position wird Leicester auch in dieser Saison keine Schwachstelle haben. Denkbar ist auch eine Lösung, die den einen Keeper in der Liga, den anderen in den Pokalwettbewerben vorsieht. Ben Hamer ist als dritter Keeper außen vor und nicht für die Startelf vorgesehen.
Innenverteidigung: Robert Huth, Luis Hernandez, Wes Morgan, Yohan Benalouane, Liam Moore, Marcin Wasilewski
Eins vorab: Das Duo Morgan/Huth löste seine Aufgabe in der vergangenen Saison meist verdammt stark - oftmals hatte man das Gefühl, dass die defensive Zentrale sogar über ihren Möglichkeiten agierte.
Deshalb und vor allem auch, weil Morgan (32), Huth (31) und Backup Wasilewski (36) schon im deutlich fortgeschrittenen Alter sind, schlugen die Foxes auf dieser Position im Sommer zu: Luis Hernandez (26) kam ablösefrei aus Gijon, zudem kehrt Yohan Benalouane von seiner Leihe aus Florenz zurück, wenngleich ihm kaum Einsatzchancen attestiert werden. Auch der 23-Jährige Liam Moore hat noch nicht die Entwicklung zum Premier-League-Spieler gemacht, eine weitere Leihe steht im Raum.
Durch ihre Erfahrung, die durch den Meistertitel noch einmal gereift ist, hat Leicesters Innenverteidigung ein großes Plus auf der Habenseite. Die Schwächen liegen aber deutlich auf der Hand: Die Schwerfälligkeit und der Mangel an Dynamik im Zentrum können gegen flexible Gegner schnell Folgen haben. Das Testspiel gegen den FC Barcelona (2:4) zeigte das deutlich.
Das Ziel muss für Leicester City sein, durch Kompaktheit im Mittelfeld zu verhindern, dass der Gegner in Eins-gegen-eins-Situationen am Strafraumrand kommt, sonst geraten die stämmigen Verteidiger schnell ins Schwimmen. Zwingt man die gegnerische Mannschaft zu hohen Bällen, werden Morgan und Huth weiter so glänzen wie bisher.
Linksverteidiger: Christian Fuchs, Ben Chilwell
Für den erst 19-Jährigen Ben Chilwell, der noch kein Premier-League-Spiel auf dem Buckel hat, gibt es aktuell kein Vorbeikommen am deutlich erfahreneren und gesetzten Christian Fuchs. Der Österreicher verteidigte sich im letzten Jahr zu einem der Publikumslieblinge im King Power Stadium. Daran wird sich auch in der kommenden Saison nichts ändern.
Trotz seines Alters (30) ist der Österreicher extrem fit und beweglich. Mit seinen Flankenläufen treibt er das Spiel der Foxes über den Flügel an und machte sich gegen den Ball vor allem durch seinen großen Willen einen Namen in der Liga. Was ihn ebenfalls gefährlich macht, sind seine Freistöße.
Chilwell dagegen wird vermutlich einige Minuten sammeln dürfen und näher ans Team herangeführt werden. Problematisch könnte es allerdings dann werden, wenn Fuchs ausfällt. Einen gleichwertigen Ersatz gibt es nicht.
Rechtsverteidiger: Danny Simpson, Ritchie De Laet
Am achten Spieltag der letzten Saison gab es den Personalwechsel - und er hatte bis zum Titelgewinn Bestand. Nachdem De Laet zu Beginn der Spielzeit rechts hinten gesetzt war, verdrängte Simpson ihn nach einigen Wochen und spielte dann bis auf eine Partie bis zum Ende durch.
Simpson machte seine Sache sehr ordentlich, ohne dabei den ganz großen Offensivdrang zu versprühen. De Laet dagegen wurde nach dem Winter in die zweite Mannschaft abgeschoben, ihm fehlt auf höchstem Niveau mittlerweile die Spielpraxis.
Ähnlich wie links hinten fehlt Ranieri damit aktuell eine echte Alternativen, sollte einer seiner gesetzten Außenverteidiger ausfallen. Gerade auch bei der anstehenden Mehrfachbelastung durch die Champions League ein Risiko. Gut möglich, dass die Foxes noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv werden.
Defensives Mittelfeld: Nampalys Mendy, Daniel Amartey, Danny Drinkwater, Andy King, Matty James
Leicesters Herzstück ist das Zentrum, angefangen auf der Sechs. Mit Danny Drinkwater und Andy King haben die Foxes zentrale Spieler, die im Zweikampf stark sind, aber auch das schnelle Umschaltspiel nach vorne beherrschen. Immer wieder wird von der Sechs aus der Konter eingeleitet, Leicester perfektionierte das Spiel im vergangenen Jahr.
Eine entscheidende Rolle hatte dabei aber auch N'Golo Kante. Der Franzose, der 37 Liga-Spiele im Meisterjahr bestritt, ist nach der EM für etwa 35 Millionen zum FC Chelsea abgewandert. Sein Verlust wird die Foxes schmerzen.
Sorgen hat Ranieri deshalb aber nicht: Mit dem jungen Daniel Amartey (21), der erst im Januar aus Kopenhagen kam, hat der Trainer einen guten Backup, der immer besser ins Team eingebunden wird. Zusammen mit Neuzugang Nampalys Mendy (24), der in der vergangenen Saison alle Spiele der Ligue 1 für den AS Monaco bestritt, ist Leicester in der kommenden Spielzeit nicht deutlich schlechter aufgestellt als zuvor - jedenfalls nicht in der Breite.
Vor allem auch dann, wenn sich die Foxes selbst treu bleiben. Das kündigte Ranieri zuletzt aber auch an: "Ballbesitz ist nicht unser Spiel. Den überlassen wir oft dem Gegner. Unsere Stärke ist der Zusammenhalt, kampfstark zu sein und viel zu laufen." Darauf kommt es an.
Das führt auch dazu, dass der eigentlich so erfahrene Gökhan Inler auch 2016 keine Chance hat. Er wurde zuletzt aus dem Kader gestrichen und soll einen neuen Verein finden. Matty James fehlte die gesamte letzte Saison aufgrund eines Kreuzbandrisses. Er ist aktuell ebenfalls keine Option.
Offensives Mittelfeld: Marc Albrighton, Bartosz Kapustka, Demarai Gray, Riyad Mahrez, Jeffrey Schlupp
Dass das Kombinationsspiel der Foxes im letzten Jahr so gut funktionierte, hatte - aufbauend auf den Sechsern - natürlich auch stark mit den offensiver denkenden Mittelfeldspielern zu tun. Vor allem Riyad Mahrez erarbeitete sich durch 17 Tore absoluten Star-Status in der Premier League.
Seine Technik und Kaltschnäuigkeit brachten ihn schnell auf die Zettel der noch größeren Klubs - und sie würden Leicester auch im nächsten Jahr enorm gut zu Gesicht stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Algerier bleibt, ist wohl aber nicht mehr allzu groß: Mit Arsenal soll bereits eine Einigung bestehen. Ranieri beschwerte sich zuletzt schon öffentlich, dass der Offensivmann vom Werben der Londoner abgelenkt sei.
Seinen Platz auf dem Flügel könnten entweder der 20-jährige Demarai Gray, der schon in der letzten Saison einige Einsätze bekam, oder der Neuzugang Bartosz Kapustka einnehmen. Letzterer überzeugte bei der EM 2016 in Frankreich mit Polen. Marc Albrighton sollte seinen Platz auf der Außenbahn nicht so schnell verlieren. Der Engländer bestritt im letzten Jahr alle Spiele und kam immerhin auf neun Scorerpunkte.
Eine weitere Option auf dem Flügel wäre auch Jeffrey Schlupp. Der durfte schon das eine oder andere Mal auf der linken Seite ran. Viel - auch taktische Vorgaben - wird aber sicher vom Verbleib Mahrez' abhängen.
Angriff: Tom Lawrence, Jamie Vardy, Ahmed Musa, Shinji Okazaki, Leonardo Ulloa
Vardy, Vardy, Vardy, ... (20-mal Vardy), Vardy! So oft stand der Name des Top-Torjägers der vergangenen Spielzeit in der letzten Saison mindestens auf den Spielberichtsbögen. Satte 24 Treffer erzielte der eigentliche Nobody, der seit Monaten Englands heißester Stürmer ist.
Klar, dass die ganze Welt auf ihn aufmerksam wurde. Umso überraschender, wie stark sich Vardy zum Leicester City Football Club bekannte. Angebote von Arsenal soll er ausgeschlagen haben, im Juni verlängerte er seinen Vertrag und sagte klipp und klar: "Ich bin da, wo ich sein will." Der Shootingstar bleibt den Foxes erhalten.
Das ist für Ranieri Gold wert - schließlich war Vardys Torgefährlichkeit beim Titelgewinn mitentscheidend. Das ist gerade im Hinblick auf die Champions League wichtig. Zusammen mit Shinji Okazaki, Leonardo Ulloa und Neuzugang Ahmed Musa von ZSKA Moskau sind die Foxes in der Spitze sehr stark aufgestellt.
Gerade Musa zeigte in den Testspielen, wie stark er im Eins-gegen-eins und wie zielstrebig er auf dem Weg zum Tor ist. Er deutete bereits an, dass auch er in der Premier League einschlagen kann. Gegen Barcelona reichte es zu zwei sehenswerten Toren. Der 22-jährige Tom Lawrence ist dagegen ein Perspektivspieler, gegen die Konkurrenz auf seiner Position dürfte er es schwer haben.
Gerade in der Offensive haben die Foxes also einiges zu bieten. Die Verluste von Kante und womöglich auch Mahrez sind schwer aufzufangen. Ranieri hat aber gezeigt, dass er aus potenziellen Underdogs eine mehr als schlagkräftige Truppe zusammenstellen kann. Die internationalen Plätze werden nach dem Wettrüsten der Konkurrenz für Leicester dennoch enorm schwer zu erreichen sein. Nicht umsonst wurde in der vergangenen Saison vom Märchen gesprochen. Und die wiederholen sich selten.
Leicester City im Steckbrief